Eugene de Kock: Assassin for the State
von Anemari Jansen
Taschenbuch: 368 Seiten
Verlag: Tafelberg (Mai 2015)
Sprache: Englisch
ISBN-13: 978-0624075738
Preis: 25,40 Euro
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Das Urteil des Südafrikanischen Gerichtshofs am 30. Oktober 1996 war eindeutig: Eugene de Kock, „The Prime Evil“, wurde in 121 Anklagepunkte für schuldig befunden und zu einer Haftstrafe von zweimal lebenslänglich plus 212 Jahre verurteilt. Während des Gerichtsprozesses erfuhren die Südafrikaner und der Rest der Welt erstmalig und detailliert von der Existenz der Einheit „Vlakplaas“: Den südafrikanischen Todesschwadronen.
Die gebürtige Südafrikanerin Anemari Jansen besuchte Eugene de Kock über viele Jahre hinweg immer sonntags im Hochsicherheitsgefängnis von Pretoria. Sie gewann sein Vertrauen und war schließlich in der Lage, eine unglaubliche Biographie zu verfassen über das inhaltsreiche Leben eines Mannes, der sich selbst einmal als „Attentäter für den Staat“ bezeichnete.
Anemari Jansen gelingt es dabei sehr gut, die Perspektive einer journalistisch-neutralen Position aufrecht zu erhalten. Ohne Glorifizierung, Polemik oder Pauschalverurteilung. In Verbindung mit ihrem fesselnden Schreibstil wird das Buch besonders wertvoll.
Eugenes Leben beginnt im Januar 1949 und ist typisch für das Südafrika Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Autoritäten eines heranwachsenden Jungen waren der Vater, der Lehrer und der Staat. Disziplin, Gehorsam, Fleiß und vormilitärische Ausbildung in der Schule bestimmten den Tagesablauf und das Fortkommen. Gefühle zu zeigen, galt als Schwäche. Aggressionen wurden beim wöchentlichen Spielen von Rugby abgebaut.
Im Alter von 19 Jahren trat Eugene der südafrikanischen Polizei (SAP) bei, die fortan seinen gesamten Lebensweg maßgeblich prägen sollte.
Aus politischen Gründen konnte das südafrikanische Militär den beginnenden Buschkrieg im Rhodesien der 1970er-Jahre nicht offiziell unterstützen. Also wurden polizeiliche Formationen, wie bspw. die PATU (Police Anti-Terrorism Unit) ins angrenzende Rhodesien geschickt. De Kock bekam erstmalig Berührung mit rhodesischen Kampfverbänden wie der Rhodesian Light Infantry (RLI), Rhodesian African Rifles (RAR) oder dem Rhodesischen SAS (RSAS). Insbesondere die RAR weckte das Interesse Eugene de Kocks: In diesem Verband dienten schwarze Soldaten unter weißen Offizieren. Für Eugene stellte diese Formation die Lösung im Kampf gegen afrikanischen Terrorismus dar.
Ab 1979 sollte er Gelegenheit haben, seine Erfahrungen beim südafrikanischen Pendant im Grenzkrieg zu Angola umzusetzen: De Kock war einer der ersten Soldaten im berüchtigten Koevoet Bataillon und schon bald kommandierender Offizier der Abteilung Zulu Delta.
Nach dreieinhalb Jahren Dienst bei Koevoet und mehr als 300 Feuergefechten gegen Angehörige der SWAPO, verließ de Kock auf eigenen Wunsch den Verband.
Die Führung der südafrikanischen Polizei beauftragte ihn mit der Gründung einer Sondereinheit, die kommunistischen Terror auf dem Staatsgebiet Südafrikas bekämpfen sollte. Offiziell wurde diese Einheit als C10; später als C1 geführt. Inoffiziell führte sie den Namen der Farm, auf der sie ihr Hauptquartier hatte: Vlakplaas. Für Eugene de Kock, der Vlakplaas im Rang eines Oberst mehrere Jahre lang befehligte, war das Tagesgeschäft schlichtweg eine Fortsetzung des Buschkriegs, wie er ihn an der Grenze zu Angola geführt hatte. Im Nachblick beschreibt de Kock es als eine Subkultur, die sich bei den zahlreichen und harten Kämpfen bei Koevoet manifestiert hatte und eins-zu-eins auf polizeiliche Taktiken im Inland übertragen wurde. Die Zerschlagung oppositioneller Gruppen, meist kommunistisch orientiert, erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Inlandsgeheimdienst „Special Branch“ und mündete meist in der Ermordung von Apartheitsgegnern. Dabei rekrutierte sich Vlakplaas keineswegs nur aus weißen Südafrikanern. Zum Personalkader gehörten auch Schwarze und so genannte „TT“ (Turned Terrorists); also Gegner, die sich nach Gefangennahme und Verhör zu einer Zusammenarbeit mit Special Branch und Vlakplaas verpflichteten.
Mit dem Ende der Apartheit kamen immer mehr Details über die Todesschwadron an die Öffentlichkeit. Während südafrikanische Polizeiführer jede Verantwortung von sich wiesen und Politiker ihre Hände in Unschuld wuschen, war der Sündenbock schon längst gefunden. Der letzte Vlakplaas Kommandeur Eugene de Kock wurde stellvertretend für alle anderen Beteiligten angeklagt und vor Gericht gestellt.
Die Autorin Anemari Jansen wirft im Buch mehrmals die Frage auf, wie es möglich war, dass sich die Gewaltspirale im Apartheitssüdafrika derart weit drehen konnte. Die Antwort ist vielschichtig. Die rechtliche Grundlage legten die erweiterten Polizeigesetze aus dem Jahr 1963, die manchem Polizisten das Gefühl gaben, über dem Gesetz zu stehen. Der Korpsgeist einer Bruderschafts-ähnlichen Einheit anzugehören, regelmäßiger und geduldeter Alkoholmissbrauch und nicht zuletzt die Tatsache, sich blind in den Dienst einer Ideologie zu stellen.
Im Januar 2015 wurde Eugene de Kock begnadigt. Über den Zeitpunkt seiner Haftentlassung wurde jedoch Stillschweigen vereinbart. (hh)
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