Dienstag, 11. Mai 2021

45 Jahre Gunsite, Arizona

 

Jeff Cooper wäre am 10. Mai 101 Jahre alt geworden. Wie kaum ein anderer prägte er die Schießausbildung des 20. Jahrhunderts. Im September 1976 fand der erste Schießkurs auf Gunsite statt





Als Jeff Cooper im September 1976 seine Schießschule Gunsite Ranch im nördlichen Arizona gründete, konnte er nicht wissen, welchen Einfluss seine Lehrdoktrin auf die Schießausbildung weltweit haben würde. Ursprünglich wurde die Schule unter dem Name American Pistol Institut (API) gegründet. Für Cooper war diese Bezeichnung aber schon bald nicht mehr umfassend genug, da er auch Gewehrkurse im Programm hatte.




Die Anfänge im Big Bear Valley
Seit Ende der 1950er Jahre veranstaltete Jeff Cooper Schießwettkämpfe im südkalifornischen Big Bear Valley. Bei diesen gab es kaum Wettkampfrichtlinien. Weder Waffenkonfiguration noch Kaliber noch ein bestimmtes Holster waren vorgeschrieben. Diese Vergleichsschießen gelten als die ersten Wettkämpfe in der praktischen Anwendung einer Kurzwaffe. Cooper rief dazu die South West Combat Pistol League (SWCPL) ins Leben. Kalifornischen Politikern war das Wort „Combat“ allerdings schon damals ein Dorn im Auge und es erfolgte eine Umbenennung in South West Pistol League. Ziel der Veranstalter war es, trotz des Wettkampfgedankens eine möglichst große Realitätsnähe im Schusswaffeneinsatz nachzustellen. Die Teilnehmer sollten im Wettkampf die Kurzwaffe verwenden, die sie auch im Alltag bei sich trugen. Anbauteile und Modifikationen waren verpönt. Dennoch war die Zahl der teilnehmenden Enthusiasten sehr hoch. Cooper war dadurch erstmals eine relativ breite Basis gegeben, anhand derer er unterschiedliche Schießtechniken und ihre Praxistauglichkeit untersuchen konnte. Für ihn zeigte sich schnell, dass ungezieltes Schießen und Hüftschusstechniken je nach Parcoursaufbau und Trainingszustand des Schützen eine ungenügende Alternative darstellten. Wohingegen Schützen, welche die Faustfeuerwaffe im beidhändigen Anschlag für eine gezielte Schussabgabe bis auf Augenhöhe brachten, die Wettkämpfe dominierten. Einer von ihnen war Jack Weaver, von Beruf Sheriff und Namensgeber für die später nach ihm benannte Körperhaltung: Den Weaver Stance.

Das Wohnhaus Coopers wurde nach Gesichtspunkten
der "Tactical Residential Architecture" gebaut


Tote Winkel darf es an einem Wohnhaus nicht geben.
Der Bewohner muss von innen ständig in der Lage sein
alle Ecken seines Hauses einsehen zu können



Modern Technique
Der Weaver Stance sollte Grundbaustein von Jeff Coopers Lehrdoktrin werden. Ein typisches Merkmal des Weaver ist der angewinkelte Unterstützungsarm, der die Kurzwaffe von unten her stützt, bzw. die Kurzwaffe zum Körper hin zieht, während der Schussarm die Waffe nach vorn drückt. Darauf aufbauend entwickelte Cooper ein System des praktischen Schusswaffengebrauchs, welches als „Modern Technique“ bekannt ist und aus insgesamt fünf Elementen besteht:

- Einer großkalibrigen Dienstpistole, wie sie bei Militär und Polizei im Einsatz ist
- Einem standardisierten Ziehvorgang der Pistole
- Einer Schussabgabe, sobald der erstbeste Haltepunkt hergestellt wurde
- Einer Abzugsmanipulation, bei der sich der Schütze vom Schuss überraschen lässt
- und dem Weaver Stance

Jeff Cooper gilt als Begründer dieser Lehrmeinung, was ihm auch den Beinamen „Pistolen-Papst“ bescherte. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass Cooper als ehemaliger Angehöriger des US Marineinfanterie Corps vor allem ein „Rifleman“ war. Seit jeher genießen die US Marines eine sehr exklusive Schießausbildung am Gewehr. Auch auf Gunsite wurde dem Waffensystem Langwaffe daher ein hoher Stellenwert beigemessen. Viele Ausbilder, die mit ihren Schulen heute zu den Marktführern in den USA gehören, taten ihre ersten Schritte unter den Fittichen von Col. Jeff Cooper. Darunter bekannte Namen wie Andy Stanford, Gabe Suarez, Tom Givens und Ken Hackathorn sowie der 2014 verstorbene Louis Awerbuck.

Die „South Range“ war der erste Schießstand, der 1976 in Betrieb genommen wurde.
Heute gibt es 27 Schießstände auf dem weitläufigen Trainingsareal



Gründung der IPSC
Mit Gründung der International Practical Shooting Confederation (IPSC) im Jahre 1976 wurde den Freien Wettkämpfen erstmals ein allgemeingültiges Reglement gegeben. Jeff Cooper war Gründungsmitglied und der erste Präsident des Weltdachverbandes für Praktisches Schießen. In den Anfangsjahren reflektierte die IPSC sehr das Gedankengut von Jeff Cooper und seiner SWCPL. Doch im Laufe der Zeit ging der Fokus immer weiter weg vom reinen Verteidigungsschießen. Leistungsorientierter Schießsport und der Wettkampfgedanke traten in den Vordergrund. Für einen Puristen wie Cooper war das nicht akzeptabel. Er zog sich mehr und mehr aus der Organisation von IPSC-Veranstaltungen zurück. Das Motto der IPSC-Schützen, DVC – Dilegentia, Vis, Celeritas (Präzision, Kraft und Schnelligkeit), geht der Überlieferung nach ebenfalls auf Jeff Cooper zurück.

…unter anderem auch eine Cockpit Attrappe…



Coopers Wohnhaus
Jeff Cooper verstand alle Aspekte die persönliche Sicherheit betreffend als ganzheitliches Konzept. Der Schusswaffeneinsatz ist dabei nur ein Teilbereich. Die Vermeidung eines Angriffs oder überhaupt zu einem Opfer zu werden, sind weitere wichtige Bausteine dieses Konzepts. Dazu gehört auch die Absicherung der eigenen vier Wände. Cooper fertigte eine Studie zur "Tactical Residential Architecture". Dabei griff er Grundsätze des Festungsbaus auf und übertrug sie auf den Bau von Wohnhäusern. Er stellt aber gleich zu Beginn heraus, dass es die absolute Einbruchssicherheit nie geben wird. Man kann immer nur durch bestimmte bauliche Vorkehrungen den Aufwand für einen Einbrecher in die Höhe treiben und ihn dadurch vom Einbruch abhalten. Fünf Punkte erachtete Cooper als wesentlich.

Punkt 1: Das Schlafzimmer sollte mit besonders einbruchhemmenden Fenstern und Türen versehen sein. Nichts sei unangenehmer, als den Eindringling unmittelbar vorm Bett stehen zu haben.
Punkt 2: Der Eingangsbereich muss es erlauben, den Besucher in Augenschein zu nehmen so lange er vor der Tür steht. Im besten Fall sowohl seitlich als auch von hinten. Und der Besucher sollte sich dessen bewusst sein. Ein Angreifer würde diesen taktischen Nachteil erkennen und sein Vorhaben abrechen. Gemäß Cooper sollten Beobachtungsöffnungen auch die Möglichkeit bieten, das Feuer zu eröffnen. Daher sollten sie schmal sein, keine Scheibe besitzen oder zumindest schnell zu öffnen sein.
Punkt 3: Tote Winkel darf es an einem Wohnhaus nicht geben. Der Bewohner muss von innen ständig in der Lage sein alle Ecken seines Hauses einsehen zu können. Cooper bezog sich hier auf das so genannte Vauban-Prinzip des französischen Festungsbaumeisters Marquis de Vauban aus dem 17. Jahrhundert sowie auf die Dienstvorschrift FM 5-15 Field Fortifacations.
Punkt 4: Wenn immer möglich sollte eine Liegenschaft einen Innenhof haben, der durch das Haus selbst und hohe Außenwände Sichtschutz bietet.
Punkt 5: Keine bauliche Maßnahme ist für sich allein ein Sicherheitsgarant. Jede technische Vorkehrung kann überwunden werden, wenn der Eindringling über ausreichend materielle und zeitliche Ressourcen verfügt. Passive Sicherheit muss immer durch einen aktiven Teil ergänzt werden. Bei Jeff Cooper überrascht es nicht, dass damit der Wille zur Gegenwehr gemeint ist. Der Schild ist zwecklos ohne das Schwert. Und beides wird wirkungslos, wenn man es ohne Verstand einsetzt. Die besten Sicherungsmaßnahmen werden nämlich obsolet, wenn der Bewohner den Täter freiwillig ins Haus lässt.




Gunsite heute
Schon allein die Flächenausdehnung der Gunsite Ranch lässt vermuten, dass es sich um mehr als nur einen Schießplatz handelt. Ein Areal von über 2.000 Hektar in der Hochwüste von Nordarizona bietet Platz für 27 einzelne Schießstände für Pistole, Gewehr und Schrotflinte. Für die Ausbildung an Scharfschützenwaffen steht eine Schießbahn von 1.500 Meter Länge mit unbekannten Zwischenentfernungen zur Verfügung, die so genannte „unknwon distance range“.
Gunsite verfügt über einen hauseigenen Büchsenmacher und mehr als 50 Ausbilder. Natürlich viele davon nur nebenberuflich. Nach wie vor wird die Lehrmeinung der "Modern Technique" ausgebildet. In den 1990er Jahren gingen viele Schießschulen dazu über, die Lehrmeinung des „Modern Isosceles“ zu vermitteln. Gunsite gehört zu den Ausbildungseinrichtungen, die sich diesem Umbruch bisher erfolgreich widersetzten. Die Gunsite-Pistolendoktrin baut sich wie seit jeher auf dem Weaver Stance auf, dem Schießen von Doublette, Hammer und „controlled pair“ und auf einer Low-Ready Bereitschaftshaltung der Pistole am ausgestreckten Arm. Die Schießübung El Presidente und der Mosambik Drill sind zwei weitere Markenzeichen der Ausbildung unter Jeff Cooper. Wer bei seiner nächsten USA-Reise einige Tage auf Gunsite trainieren möchte, sollte sich dieser traditionellen Sichtweise bewusst sein. Uneingeschränkt empfehlenswert sind hingegen alle Langwaffenkurse auf Gunsite. Der Jagdvorbereitungskurs mit 3 Tagen genauso, wie der 5-tägige Kurs Battle Rifle, der vorzugsweise mit einem Selbstlader im Kaliber .308 Winchester oder .30-06 Springfield absolviert wird.

…und ein Schießhaus…

 




Combat Triad
Jeff Cooper formulierte außerdem die 4 grundlegenden Sicherheitsregeln für den Umgang mit Schusswaffen, die bis heute Gültigkeit besitzen. Auch die Combat Triad geht auf ihn zurück. Dieses Gedankenmodell vereint drei Fähigkeiten, die nach Meinung Coopers für jeden Waffenbesitzer unabdingbar sind: eine stabile Psyche, das Beherrschen aller Waffenmanipulationen und das sichere Treffen des Ziels. Diese Triangel erfuhr seither mehrere Abwandlungen, ist aber immer Bestandteil jedes auf praktische Belange ausgerichteten Schießausbildungssystems.

Die Waffenkammer blieb seit dem Tod von Jeff Cooper
im Jahr 2006 unverändert



Wappentier
Das Wappentier der Gunsite Ranch ist ein Rabe und nicht wie manchmal irrtümlich behauptet ein Adler. Cooper tauschte das Symbol der amerikanischen Unabhängigkeit gegen Symbole aus der nordischen Mythologie. Die beiden Raben Hugin und Munin waren Boten und Späher von Gott Odin. Nach Coopers Definition vereinten sie Weißheit und Mannhaftigkeit.
Gunsite wird heute von einem Operations Manager geführt. Der Operations Manager ist aber nicht nur für die Organisation des Ausbildungs- und Schießbetriebs zuständig, er trägt auch die Verantwortung für die Grabstätte des Altmeisters. Diese befindet sich nahezu am geometrischen Mittelpunkt der Liegenschaft.

Die Grabstätte Coopers befindet sich nahezu
am geometrischen Mittelpunkt von Gunsite



Das Nachwirken Jeff Coopers
Jeff Cooper verstarb am 25. September 2006. Über seinen Tod hinaus wirkt er bis in die heutige Zeit nach. Die Lehrmeinung der Modern Technique ist bei einigen großen US-amerikanischen Schießschulen immer noch die maßgebliche Doktrin für die Ausbildung im Pistolenschießen. Die Publikationen von Jeff Cooper, wie z.B. „Die sieben Prinzipien der Selbstverteidigung“ oder „The Art of the Rifle“ gelten als Standardwerke.
Im Jahr 1983 veröffentlichte Cooper Kriterien für ein Allzweck-Jagdgewehr, die so genannte Scout Rifle. Um ein möglichst großes Einsatzspektrum abzudecken, durfte diese Büchse nicht mehr als 3kg wiegen, nicht länger als einen Meter sein, musste für ein .30er-Militärkaliber eingerichtet sein und sollte ein schwachvergrößerndes Zielfernrohr aufnehmen können. Die Kaliberwahl fiel auf die .308 Winchester, da die .30-06 Springfield für das Konzept überdimensioniert erschien. Realisiert wurde die Studie erstmalig von der Firma Steyr Mannlicher mit der Steyr Scout Rifle. Ende 2010 wurde dem Projekt durch eine Kooperation der Firma Sturm, Ruger & Co. und Gunsite Ranch mit der Gunsite Scout Rifle neues Leben eingehaucht.

Die 4 Sicherheitsregeln im Original



Der Autor Jeff Cooper
Principles of Personal Defense, Paladin Press, 2006, ISBN 978-1581604955
The Art of the Rifle, Paladin Press, 1997, ISBN 978-1581605921
To Ride, Shoot Straight, and Speak the Truth, Paladin Press 1998, ISBN 978-0873649735

Service
www.gunsite.com

Mehr dazu in "Die Waffenkultur" Nr. 58 ab dem 30. Mai 2021
 




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