Kannst du nur ein Gewehr besitzen, dann muss es ein Scout
Rifle sein. Diesem Grundgedanken der Legende Jeff Cooper folgt ein viel
diskutiertes Gewehrkonzept
Von Christian Väth
Die Idee ein Gewehr zu führen, das für jede Situation und
Entfernung geeignet ist, scheint so alt wie die Waffentechnik zu sein. Ein
leichtes Universalgewehr mit akzeptabler Reichweite und langer Lebensdauer ist
technisch in vielerlei Hinsicht möglich. Der Vater der vier Sicherheitsregeln
hatte aufgrund dieser Möglichkeiten die Vision eines Jedermann-Gewehrs.
Leistungsstark, einfach zu warten & handhaben, präzise, zuverlässig, leicht
und günstig sollte es sein. Das eine Gewehr, das man haben sollte. Oder nach
einem Originalzitat: „If a job cannot be done by a scout rifle […], the only
thing to fall back on is a tank.“.
Auf der Gunsite Ranch wurde eine ganze Reihe Versuchswaffen
konfiguriert: Besonders bekannt ist dieses Scout II „Sweetheart“ – es diente
als Basis für die Steyr-Konstrukteure (Foto: Gunsite Academy)
|
Taktisches Problem
Nach Cooper sollte das Universalgewehr des freien Bürgers
gleichermaßen für Jagd, Selbstverteidigung und Training geeignet sein. Dabei
betonte er immer wieder, wie wichtig geringes Gewicht und kompakte Abmessungen
seien, um die Waffe mit möglichst geringer Anstrengung über lange Zeiträume
tragen zu können. Der schnelle und präzise Erstschusstreffer spielte in diesem
Anwendungsspektrum eine herausragende Rolle. Neben diesen Merkmalen machte der
ehemalige Marineinfanterieoffizier stets auf das „System“ Scout aufmerksam,
dass neben dem Gewehr auch den Schützen mit einbezog. Er sollte neben einer
solchen Waffe vor allem bestimmte Fähigkeiten besitzen, die über die reine
Schießausbildung hinausgingen: So zum Beispiel Geländebeurteilung, Orientierung
und Beobachtung.
Eine Eisenvisierung gehört genauso zu den Kernmerkmalen
dieses Gewehrkonzeptes wie der freie Zugriff auf den Verschluss (Foto: Richard
Mann)
|
Konzeptentwicklung
In Ausgabe 52 wurde mit dem Karabiner bereits ein
Kompaktgewehrtyp behandelt. Aufgrund ihrer kürzeren Lauflänge bezeichnete der
Altmeister diese Waffen auch als „reduced rifles“. Sie dienten als
Ausgangspunkt für seine Scout-Idee. Im Gegensatz zu vielen anderen
Gewehrkonzepten war der Ansatz des Scout Rifle nie an irgendwelche
Behördenanforderungen gebunden. Vielmehr sollte es die eine Waffe für den
ländlich lebenden freien Mann sein – der „American Dream“ unter den Gewehren.
Dieser Herkunft entsprechend sollte es schnelle Erstschusstreffer in einem großen
Entfernungsbereich ermöglichen, schnelle Schussfolgen hingegen waren
irrelevant: „You may need single hits not volume fire.“. Im Dezember 1983 hielt
Cooper auf seiner Gunsite Ranch die erste Scout Rifle Conference mit einem
erlesenen Ausbilderkreis ab. Das Ergebnis waren die ersten Parameter für ein
solches Universalgewehr. Das Gewicht sollte drei Kilogramm (6.6 pounds) und die
Länge einen Meter (39.4 inches) nicht übersteigen. Die Gewichtsangabe bezieht
sich auf das komplette, aber ungeladene Waffensystem. Ein Zielfernrohr mit
geringer Vergrößerung sollte vor der Magazinaufnahme so niedrig wie möglich
montiert werden. Das Kaliber wurde mit .308 Winchester angegeben. Als
Funktionsprinzip war und ist das Repetiergewehr unumgänglich, vorzugsweise mit
einem Mauser-System. Ein synthetischer Schaft sollte für Langlebigkeit und eine
Gewichtsreduzierung sorgen. Das Gewehr durfte keine reflektierenden Teile
aufweisen. Dies sind alle Faktoren, die 1983 festgelegt wurden. Es folgten
weitere Konferenzen mit wechselnder Zusammensetzung und teilweise zweifelhaften
Forderungen (zum Beispiel Zweibein). Auch Cooper widersprach sich in Details
über die Jahre selbst. Da es sich bei diesem Gewehrkonzept schon immer mehr um
ein Ideal als ein existierendes Produkt handelte, sind auch die Aussagen der
Legende nicht als heilige Predigten zu sehen. Er bezeichnete sein Gewichts- und
Größenlimit der Waffe selbst als „point of departure“ - ein Ausgangspunkt für
weitere Entwicklungen. Die Konferenzen finden bis heute statt und werden von
zahlreichen Größen der Schießausbildung frequentiert.
Mossberg fertigt auf der Grundlage des MVP Patrol Rifle das
MVP Scout – auch Ruger, Savage Arms und Remington haben Interpretationen im
Portfolio (Foto: Eric Conn)
|
Technik
Jeff Cooper favorisierte robuste Zielfernrohre mit
vergleichsweise geringer Vergrößerung. Diese wurden aus zwei Gründen weit vorne
montiert: Zum einen konnte die Waffe so einfach im Bereich des Verschlusses
gegriffen und lange getragen werden - auch ohne Trageriemen. Zum anderen bricht
diese Positionierung den üblichen Tunnelblick beim Schießen mit Zielfernrohren
auf und ermöglicht es dem Schützen, mit beiden Augen geöffnet zu feuern. Zusätzlich
sollte immer eine Eisenvisierung vorhanden sein, um dem universellen Charakter
des Gewehres Rechnung zu tragen. Neben der traditionell gewählten Patrone .308
Winchester, ist heutzutage ein System in 6,5 Millimeter Creedmoor mit all
seinen Vorteilen eine sehr sinnvolle Option. Das erste „serienmäßig“ gefertigte
Scout Rifle war und ist das Mannlicher Scout von Steyr. Im Dezember 1990
besuchte Ulrich Zedrosser, Chief of Design bei Steyr-Mannlicher, Jeff Cooper’s
Gunsite-Komplex. Dort beobachtete er die Gewehrkurse und begutachtete die
bisherigen Eigenbauansätze. Erst sieben Jahre später ging die realisierte
Steyr-Interpretation des Konzeptes in die Produktion. Vor allem mit Beginn der
2000er Jahre folgten weitere Hersteller – hier ist vor allem das Ruger GSR
(Gunsite Scout Rifle) hervorzuheben. Dieses Gewehr wurde in verschiedenen
Waffenkulturausgaben bereits beschrieben (Ausgaben Nr. 1, 19 und 39). Mit
sinkenden Preisen und steigender Zuverlässigkeit kam auch die Frage auf, ob ein
Halbautomat ebenfalls ein Scout Rifle sein kann. Die Einfachheit und geringe
Störanfälligkeit des Repetierers und das naturgemäß höhere Gewicht eines
Selbstladers in der vorgesehenen Kalibergruppe schließen diese Möglichkeit
allerdings aus.
Auf der Gunsite Ranch wurde eine ganze Reihe Versuchswaffen konfiguriert: Besonders bekannt ist dieses Scout II „Sweetheart“ – es diente als Basis für die Steyr-Konstrukteure (Foto: Gunsite Academy) |
Der Scout-Test
Richard Mann entwickelte eine Übungskombination, in denen
der Schütze Anforderungen abrufen muss, die Jeff Cooper über die Jahre
definiert hat. Fortgeschrittene Anwender können so ihr Gewehr auf die
Tauglichkeit als Scout Rifle überprüfen. Die Übungen sind als Experiment zu sehen,
nicht als Wettkampf. Der gesamte Ablauf wird dreimal wiederholt, um eine
gewisse Vergleichbarkeit zu erreichen. Als Zielmedium für alle Teilübungen
dient ein Kreis mit 15 Zentimetern Durchmesser. Die Ergebnisse werden notiert.
1.) Snap Shot:
Aus der Bereitschaftsposition Low Ready werden so schnell wie möglich drei
Treffer im Ziel platziert (25 Meter, Ziel: Kreis mit 15 Zentimetern
Durchmesser). Um die Anforderungen von Cooper zu erfüllen muss der erste
Treffer nach 1,5 Sekunden sitzen. Drei Wiederholungen.
2.) Worst Case:
Der Schütze steht auf 45 Metern (50 yards) Entfernung zum Ziel mit seinem
Gewehr in einer Hand und einer Patrone in der Hand in Bereitschaft. Magazine
dürfen nicht genutzt werden. Anstatt des Zielfernrohres muss die Eisenvisierung
genutzt werden. Mit Übungsbeginn kniet oder hockt der Schütze sich hin, lädt
seine Patrone und schießt. Drei Wiederholungen.
3.) Shoot and Load:
Der Schütze befindet sich 69 Meter (75 yards) von seinem Ziel entfernt und
wechselt mit Übungsbeginn aus dem Stand in die Schießposition Sitzend
geschlossen. Er gibt einen Schuss ab und lädt nach. Dabei ist ihm freigestellt,
ob er ein neues Magazin einführt oder eine einzelne Patrone lädt. Danach gibt
er einen zweiten Schuss ab. Drei Wiederholungen.
4.) Prone Precision:
Der Schütze steht in 91 Metern Entfernung (100 yards) zum Ziel. Für diese
Teilübung wird in eine liegende Schießposition gewechselt und ein Schuss
abgegeben. Drei Wiederholungen.
Wer den gesamten Test wie vorgesehen dreimal wiederholt
(neun Wiederholungen je Teilübung) benötigt 63 Patronen. Der Übungsablauf ist
bewusst nicht auf größere Entfernungen gestaltet, um ihn für die breite Masse
der Anwender auch durchführbar zu machen. Wer seine Fähigkeiten mit
verschiedenen Gewehren vergleichen will, kann die Zeit für jede Teilübung
addieren. Jeder Fehlschuss entspricht einer Strafzeit von zehn Sekunden. Die
daraus resultierende Gesamtzeit dient als Vergleichswert für die
Leistungsmöglichkeiten des Schützen mit diesem Gewehr. Der Test fordert den
Schützen in den Bereichen Treffen (vier Grundfertigkeiten) und Handhabung
(effiziente Schießtechnik).
Das Mannlicher Scout ist der Vorreiter unter den kommerziellen Scout Gewehren und überzeugte auch Cooper (Foto: Richard Mann) |
Fazit
Die Essenz eines Scout Rifle ist seine leichte
Handhabbarkeit aufgrund des reduzierten Gewichts. Es kann alles leisten, was
ein Standardgewehr vermag, ist dabei jedoch leichter und kompakter. Wer denkt,
Gewicht sei ein nachrangiger Faktor, der hat schlicht noch nicht lange genug
mit einem geladenen Gewehr gelebt. Das letzte Wort überlassen wir dem
Altmeister selbst und zitieren aus seinen persönlichen Aufzeichnungen (1998):
1. The most important thing about the scout is that it is a
general-purpose rifle.
2. The most outstanding characteristic is handiness.
3. It is light, compact and friendly.
4. It will put ‘em where you point ‘em from arm’s length out
to a range for any sensible attempt.
5. The essential characteristics of the scout rifle are
compactness and what may be called shootability.
6. It is easy to carry, convenient to pack into a boat, car
or airplane, powerful enough for any targets short of pachyderms, and easily
provisioned throughout the world.
7. It is ideally adapted to the snapshot, and quite able to
group well into the vital zone of a 200-pound target out to around 400 paces
under field conditions.
8. When it comes to kicking and climbing, and running and
jumoing, leaping in and out of hunting cars, and quick selection of position,
the scout begins to shine.“
Literaturempfehlung
The Scout Rifle Study von Richard Mann, ISBN 978-1983512544,
ca. 38 Euro
Gewehrkonzepte (2): Infantry Automatic Rifle
Gewehrkonzepte (3): Anti-Material-Gewehr
Gewehrkonzepte (4): Der Karabiner
Gewehrkonzepte (5): Cooper’s Scout Rifle
Gewehrkonzepte (6): Die Panzerbüchse
Gewehrkonzepte (7): Long Rifle
Gewehrkonzepte (8): Liberty Training Rifle
Gewehrkonzepte (9): Das Sturmgewehr
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.