Vor genau 20 Jahren kam der US-Trainer Andy Stanford
erstmals nach Österreich, um Schießkurse abzuhalten. Die Veranstaltung sollte
unter der Bezeichnung „Combat Week“ Furore machen und fortan jährlich
stattfinden. Mit Rücksicht auf die Außenwirkung wurde sie zwischenzeitlich in
„Defense Week“ umbenannt
Jedes Jahr im Sommer
folgten Dutzende Waffenbesitzer, ob privat oder behördlich, dem Ruf der Combat
Week. Anfangs wurde diese einwöchige Schießveranstaltung in Brunn am Gebirge
abgehalten, später in St. Pölten, ebenfalls in Niederösterreich. Publikum aus
ganz Europa war vertreten. In manchen Jahren reisten Teilnehmer sogar aus
Irland an.Im Kursprogramm von Andy Stanfords war der Surgical Speed
Shooting das Flaggschiff. Dieser 2-tägige Pistolenkurs wurde in jedem Jahr
durchgeführt. Im jährlichen Wechsel fanden die Aufbaumodule Point Blank
Pistolcraft oder Tactical Dynamics statt. Mit dem Surgical Speed Shooting wurde
die Basis für eine professionelle Waffenhandhabung gelegt. Für viele Teilnehmer
war dieses Kursmodul der Augenöffner, wie einfach es sein kann, mit einer
Pistole präzise und zugleich schnelle Treffer anzubringen.
Geschichtlicher
Exkurs
Obwohl Andy Stanford ein Meisterschüler von Jeff Cooper war,
beschritt er mit dem Surgical Speed Shooting in den 1980er-Jahren völlig neue
Wege in Bezug auf Schießtechnik. Was zur damaligen Zeit durchaus als
revolutionär bezeichnet werden kann.
Die Ausbildung unter Jeff Cooper auf der Gunsite Range war
damals, so wie heute immer noch; geprägt von Schießpositionen mit
außerordentlich verriegelten Körperhaltungen. Diese Schießtechnik sollte als „Modern
Technique“ in die Geschichte eingehen. Sie war in gewisser Weise eine
Weiterentwicklung des Weaver Stance.
Stanford verstand, dass dynamische Szenarien im Kampf mehr
Flexibilität forderten und eine Schießtechnik mit übertriebener Körperspannung
kontraproduktiv war. Andy Stanford gilt zu Recht als einer der großen Pioniere
bei der Entwicklung moderner Schießtechniken im 20. Jahrhundert. Das Resultat
war in den 1980er-Jahren die sog. Isosceles Schießtechnik, welche heute
besonders im Sportschützenbereich ausschließlich auf den Wortsinn des
„gleichschenkligen Dreiecks“ reduziert und damit grundsätzlich
fehlinterpretiert wird.
Die typische Grifftechnik an einer Pistole, wie sie durch
Rob Leatham,
Andy Stanford und andere entwickelt wurde
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Kurskonzept
Der Surgical Speed Shooting ist als 2-Tageskurs konzipiert.
Die Teilnehmer werden bei Null abgeholt und innerhalb von zwei Tagen dazu
gebracht, schnelle und präzise Treffer anbringen zu können. Darüber hinaus erhalten
sie ein Grundverständnis für den verteidigungsorientierten Gebrauch einer
Schusswaffe. Im theoretischen Lernblock zu Beginn des Kurses ging Andy daher
auch mit angemessener Ausführlichkeit auf die Sieben Prinzipien der
Selbstverteidigung nach Jeff Cooper ein sowie auf „Ayoob’s Priorities“.
Die Nachladeposition, wie sie durch Stanford gelehrt wurde:
Die Waffe befindet sich auf Augenhöhe, das Ziel wird durch den Abzugsbügel
fixiert
(Aufnahme aus dem Jahr 2009)
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Ayoob’s Priorities
Masad Ayoob, geboren 1948, pensionierter Polizist,
Schießausbilder und Autor für mehrere US-amerikanische Waffenmagazine
formulierte vermutlich zu Beginn der 1980er-Jahre seine „Priorities of
Survival“. Diese waren:
1) Mental Awareness and Preparedness,
2) Proper Use of Tactics,
3) Skill with Emergency Equipment und
4) Selection of Emergency Equipment.
Vereinfacht bezeichnet wird diese Pyramide heute mit:
1) Mindset
2) Tactic
3) Skill
4) Gear bezeichnet
Mit dieser modellhaften Unterteilung wird dem Anwender ein
Instrument an die Hand gegeben, das die Analyse von Defiziten im eigenen Umfeld
erleichtert. Das Equipment, also die Ausrüstung, nimmt dabei bewusst eine
nachgeordnete Priorität ein. Der Verstand im Sinne von Wahrnehmungsfähigkeit
und Handlungsbereitschaft hingegen, bildet die höchste Priorität ab. Eine
Schusswaffe als typischer Ausrüstungsgegenstand im Verteidigungskonzept, muss
nur drei Kriterien erfüllen. Um es mit den Worten von Andy Stanford zu sagen:
Sie muss vorhanden sein, sie muss zuverlässig sein und ihrem Zweck einigermaßen
entsprechen. Mit Betonung auf einigermaßen.
Das Schießen aus der Position zwei des Ziehvorgangs gehörte
zum Ausbildungsumfang
im Surgical Speed Shooting (Aufnahme aus dem Jahr 2007)
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Sieben Prinzipien der
Selbstverteidigung
Ebenso wurden im Theorieblock die Sieben Prinzipien der
Selbstverteidigung thematisiert. Altmeister Jeff Cooper hat darin sieben
Charaktereigenschaften herausgearbeitet, die in Verteidigungssituationen zum
Tragen kommen und damit ein zeitlosen Konzept geschaffen. Niedergeschrieben hat
er das 1989 im gleichnamigen und 46 Seiten starken Büchlein. Jeder Waffenbesitzer
sollte dieses Büchlein sein Eigen nennen und es in regelmäßigen Abständen
selbstreflektierend lesen.
Praxis
Im praktischen Teil der Ausbildung vermittelte Andy Stanford
konsequent die durch ihn mitentwickelte Schießtechnik des Isosceles. Neben ihm
waren es auch Ausbildergrößen wie Rob Leatham, Craig Douglas alias Southnarc
und Paul Gomez, die maßgeblichen Anteil an dieser schießtechnischen Revolution
hatten.
Der 4-stufige Ziehvorgang beginnt mit Position 1:
Schusshand
an der Waffe, Unterstützungshand am Oberkörper fixiert
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Mit Position 2 erklärt sich die Bedeutung
der fixierten
Unterstützungshand
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In Position 4 sind die Arme gestreckt.
Der Schütze hat ein
Visierbild vor sich.
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Methodik
Methodisch begann Andy mit dem Aufbau einer korrekten
Körperhaltung und weiter zu einer stabilen Grifftechnik. Nach einigen
Durchgängen im scharfen Schuss, korrigierte er Fehler und ging dabei auf die
Bedeutung des Korn-Fokus ein. Beim Schießen sollte der visuelle Fokus immer auf
dem Korn der Waffe liegen. Allein dadurch lassen sich Streukreise halbieren.
Erst im nächsten Schritt widmete sich Stanford der
Abzugskontrolle. Mit der Technik des Trigger Prepping verbesserten sich die
Streukreise nochmals. Somit war für fast alle Teilnehmer am Ende Tag 1 eine
deutliche Leistungssteigerung erkennbar.
Tag 2
An Tag 2 ging Stanford verstärkt auf den Ziehvorgang, den
defensive draw stroke, ein und auf die Tatsache, dass aus jeder Position des 4-stufigen
Ziehvorgangs geschossen werden kann. Der Defensive Draw Stroke nahm im Surgical
Speed Shooting breiten Raum ein. Das ist auch nicht verwunderlich, handelt es
sich hierbei doch ebenfalls um eine Entwicklung Stanfords, welche aus
Kooperationen mit Southnarc und Paul Gomez herrührt.
Für manch Teilnehmer war es eine mentale Herausforderung,
aus den Positionen 2 und 3 des Ziehvorgangs zu schießen. Im Gesamtsystem
handelt es sich hierbei um sog. retention positions. Schießpositionen, bei
denen umständehalber die Waffe eng am Körper geführt wird, aber dennoch Wirkung
ins Ziel gebracht werden muss. Der 4-stufige Ziehvorgang, wie er im System des Surgical
Speed Shooting entwickelt wurde, gilt heute als weltweiter Standard für das
Ziehen einer Kurzwaffe.
Andy Stanford hatte mit seinem Kurskonzept maßgeblichen
Einfluss auf Lehrinhalte bei Akademie 0/500 im Allgemeinen.
Defense Week Revival
2020
Im Juli 2020 fand das erste Defense Week Revival mit
Akademie 0/500 im niederösterreichischen St. Pölten statt. Durchgeführt wurden
die beiden Kursmodule Surgical Speed Shooting (Zwei Tage) und der Robust Pistol
Management (Drei Tage). Dieses Veranstaltungsformat wird in den nächsten Jahren
regelmäßig stattfinden. Das zweite Defense Week Revival ist für Anfang Juli
2021 angesetzt. Über die Hälfte der Kursplätze gilt schon als vergeben.
Andy Stanford, der seine Karriere als Schießausbilder
eigentlich beendet hatte, arbeitet derzeit dem Vernehmen nach an einem
Kursprogramm Surgical Speed Shooting 2.0, welches in Kooperation mit dem
US-amerikanischen Lampenhersteller SureFire angeboten werden soll. Ob Stanford
in 2021 der Defense Week als Gast beiwohnen wird ist noch nicht sicher.
Jeder Schießkurs mit Andy Stanford endete mit
einer
Gesangsdarbietung begleitet vom Zerrwanst
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Kurse in Deutschland
Der Surgical Speed Shooting wird, angepasst an die
bundesdeutsche Gesetzeslage, auch in Deutschland stattfinden. Das Schießen aus
den Positionen zwei und drei des Ziehvorgangs entfällt dabei ebenso, wie das
Nutzen von Mann- oder Silhouetten-Scheiben. Gemäß der Kursbezeichnung stehen
aber nach wie vor der präzise Einzelschuss sowie schnelle Schussfolgen im Fokus
der Ausbildung.
Buchempfehlung
Das gleichnamige Buch gilt als eines der Grundlagenwerke zum
Thema moderne Schießtechniken (ISBN-13: 978-1581601435)
Das Kursmodul Surgical Speed Shooting mit Akademie 0/500: Hier
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