Keine andere
Aimpoint-Optik hat bei ihrer Vorstellung mehr Online-Diskussionen ausgelöst als
das ACRO P-1. Vielen Betrachtern schien das Leuchtpunktvisier auf den ersten
Fotos zu groß und zu klobig. Waffenkultur hat das ACRO P-1 mit einem Klassiker
unter den kleinen Leuchtpunktvisieren verglichen
Von Tobias Bold
Die zwei großen Kategorien von Leuchtpunktvisieren sind
offene und geschlossene Konstruktionen. Bei den offenen Visieren wird der
Leuchtpunkt durchs Freie projiziert. Jedes Hindernis zwischen Emitter und Linse
verhindert also, dass der Leuchtpunkt störungsfrei gesehen werden kann. Dies
betrifft vor allem Wassertropfen, Schneeflocken u.Ä., die direkt auf den
Emitter fallen und dort hängen bleiben. Meist sind die Emitter etwas im Gehäuse
zurückgesetzt, um die Exposition zu reduzieren. Das verhindert allerdings auch,
dass man sie zur Beseitigung von Störeinflüssen gut erreicht. Die Vorteile
dieser Bauweise sind geringes Gewicht und Volumen.
Bei geschlossenen Konstruktionen liegt die
Projektionsstrecke innerhalb des Gehäuses. Damit ist sie vor störenden
Einwirkungen weitestgehend geschützt. Dies erkauft man mit höherem Gewicht und
größerem Volumen.
Aimpoint ACRO P-1 (Foto: Hersteller)
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Üblicherweise werden für die Direktmontage auf einem
Kurzwaffenschlitten offene Konstruktionen verwendet. Für diese Anwendung kommt
es auf geringes Volumen an, um die Silhouette der Waffe nicht übermäßig zu
vergrößern. Ein geringes Gewicht hilft dabei, die Belastung des
Leuchtpunktvisieres (LPV) gering zu halten. Denn bei der Bewegung eines
Kurzwaffenschlittens im Schuss wirken große Kräfte auf das Visier ein.
Geschlossene Leuchtpunktvisiere finden mehrheitlich auf
Langwaffen Verwendung, wo ein etwas größeres Gewicht und Volumen nicht von
entscheidender Bedeutung sind.
Das ACRO (Advanced Compact Reflex Optic) P-1 soll als
geschlossenes Visier leicht und klein genug sein, um auch, aber nicht nur, auf
Kurzwaffen verwendet werden zu können.
Für eine Einschätzung der Funktionalität sollte also ein
Vergleich sowohl mit offenen Leuchtpunktvisierungen für Kurzwaffen als auch mit
anderen geschlossenen Optiken für die Verwendung auf Langwaffen erfolgen.
Aimpoint ACRO P-1 (Foto: Hersteller)
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Technik
Das ACRO P-1 ist 47 Millimeter lang und mit Batterie 60
Gramm schwer. Höhe und Breite betragen jeweils 30 Millimeter. Das Sichtfenster
hat 16 Millimeter Kantenlänge in Seite und Höhe mit abgerundeten Ecken.
Aufgrund der massiven Konstruktion gibt es also einen deutlich breiteren Rand
um das Sichtfeld als etwa bei dem weit verbreiteten Noblex Sight (zuvor als
Docter Sight vermarktet). Ebenfalls aus Robustheitsgründen sind vorne und
hinten zusätzliche Schutzlinsen verbaut. Diese können bei Beschädigung
herstellerseitig ersetzt werden.
Die Justierung erfolgt mit dem typischen Aimpoint-Werkzeug.
Seiten- und Höhenverstellung liegen plan im Gehäuse und sind nicht durch
Schutzkappen oder Ähnliches verdeckt. Ein Klick verstellt den Treffpunkt um 17
Millimeter auf 100 Meter. Die einzelnen Klicks sind eher weich, aber noch
spürbar. Es gibt nur eine Leuchtpunktgröße: 3,5 MOA.
Nach Erfahrung des Autors ist diese Größe auch für die
Verwendung auf Kurzwaffen geeignet. Sechs oder sieben MOA große Leuchtpunkte
verdecken auf größere Entfernung schnell zu große Teile des Ziels. Umgekehrt
kann ein kleiner Leuchtpunkt bei Bedarf mit manueller Helligkeitseinstellung
"größer" gemacht werden.
Das ACRO P-1 sitzt mit einem massiven Querbalken auf dem
MOS-Adapter, wo andere Leuchtpunktvisiere mit eher filigranen Schrauben
montiert werden
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Helligkeitsstufen
Das P-1 verfügt über zehn Helligkeitsstufen, vier davon für
die Verwendung mit Nachtsichtgeräten.
Die Helligkeit wird auf der linken Gehäuseseite über zwei
weiche Tasten eingestellt. Diese arbeiten lautlos und sind gerade groß genug,
um auch mit Schießhandschuhen gut bedienbar zu sein. Hält man die Minus-Taste zwei
bis drei Sekunden gedrückt, schaltet sich das P-1 ab. Ein Druck auf die Plus- oder
Minus-Taste aktiviert das Visier auf Leuchtstufe 7 unabhängig von der vor dem
Abschalten eingestellten Helligkeit.
Je nach Montage beginnt das Sichtfenster des Noblex Sight
höher über der Waffe und es ragt insgesamt höher über die Schiene als das ACRO
P-1
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Energieversorgung
Das Batteriefach befindet sich auf der rechten Gehäuseseite,
sodass die Visierung nach dem Batteriewechsel nicht neu angeschossen werden
muss. Sobald die Batterieleistung nachlässt, regelt das Visier die Helligkeit
herunter und lässt sich nicht mehr höher stellen. So ist die abnehmende
Batterieleistung erkennbar und es kann rechtzeitig ein Batteriewechsel
erfolgen. Die Lebensdauer der CR1225-Batterie wird mit anderthalb Jahren auf Leuchtstufe
6 und mehr als sechs Monaten auf Stufe 7 angegeben. Die höheren Stufen bieten
entsprechend kürzere Laufzeiten.
Das ist deutlich weniger als von Aimpoint gewohnt und kürzer
als die typische Laufzeit eines Noblex-Visieres. Allerdings ist dieser
Vergleich nur bedingt fair, weil das Noblex Sight eine automatische
Helligkeitsanpassung hat - mit dem Nachteil, dass bei ungünstiger
Lichtkonstellation gar keine oder mit dem Noblex Sight III zumindest keine
zeitnahe Feinjustierung erfolgen kann.
Die vergleichsweise kurze Batterielebensdauer ist der
kompakten CR1225 geschuldet, die lediglich ein Viertel der Kapazität einer
CR2032 hat, wie sie in vielen offenen Leuchtpunktvisieren verwendet wird. Dieser
Kompromiss war notwendig, um die Abmessungen trotz der robusten Bauweise
möglichst klein zu halten.
Das Visier ist bis zu einer Tiefe von 25 Meter wasserdicht.
Als Montage sind sowohl Quick-Release-Picatinny-Adapter in verschiedenen Höhen
als auch Adapter für die gängigen Pistolen mit Optikvorbereitung verfügbar.
Analog zu den Micro-Visieren ist das ACRO P-1 die
Behördenversion. Die "Zivilversion" C-1 hat zwei Nachtsicht- und acht
reguläre Helligkeitsstufen. Sie ist nur bis fünf Meter wasserdicht und etwas
günstiger als das P-1.
Je nach Montage beginnt das Sichtfenster des Noblex Sight
höher über der Waffe und es ragt insgesamt höher über die Schiene als das ACRO
P-1
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Praxis
Die vermutete Klobigkeit des ACRO P-1 stellt sich in der
tatsächlichen Handhabung als Fehleindruck heraus. Das P-1 ist nicht wesentlich
breiter oder höher als z.B. ein Noblex Sight. Es wirkt nur deutlich größer,
weil es den Raum mit Material umschließt, den eine offene Konstruktion
ebenfalls für die Funktion benötigt, aber nicht umbaut.
Ein großer Vorteil dieser geschlossenen Bauweise ist die
bessere Wahrnehmung der Blickachse durch die Optik. Auch ohne hohe Eisenvisierung
lässt sich mit einem ACRO P-1 der Leuchtpunkt leicht finden - eine spürbare
Verbesserung gegenüber offenen Konstruktionen.
Die Bedienung über die beiden Seitentasten ist genauso
intuitiv, wie die Drehregler von Micro T-1 oder Comp M5. Das Sichtfenster ist
angenehm groß und die Linsen sind durch die eckige Bauweise leichter zu
reinigen als bei den Comp- oder Micro-Modellen.
Die rein manuelle Helligkeitseinstellung ist wie immer Fluch
und Segen zugleich: Einerseits kann auf ungünstige Lichtverhältnisse passend
reagiert werden. Andererseits besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, in
Standardsituationen nicht direkt eine nutzbare Helligkeit eingestellt zu haben.
Nach diesem insgesamt positiven Ersteindruck geht das ACRO
P-1 in den Langzeittest.
Beim ACRO P-1 sitzt der Großteil der Technik seitlich im
Visier statt unter der Linse. Das erlaubt trotz schützendem Rahmen einen tiefen
Sitz auf der Montage
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Fazit
Braucht man bestmöglichen Wetterschutz für Linsen und
Justierung, ist ein voll ausgestattetes Comp- oder Micro-Modell die bessere
Wahl aus der Aimpoint-Palette. Wer dagegen ein möglichst leichtes und
kompaktes, geschlossenes Leuchtpunktvisier für einen breiten Verwendungsbereich
sucht, ist beim ACRO P-1 an der richtigen Adresse.
Das kleine ACRO-Visier gehört auch zu den für
Aimpoint-Verhältnisse preiswerteren: Das P-1 hat eine UVP von 615 Euro, das C-1
529 Euro.
Das ACRO P-1 ist weniger als halb so lang wie das Comp M5
und wiegt etwa ein Drittel bei vergleichbarem Sichtfenster (18 Millimeter Durchmesser
beim M5, 16 Millimeter Kantenlänge beim ACRO)
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Technische Daten
Hersteller:
Aimpoint
Modell: ACRO P-1
Absehen: 3,5 MOA
Leuchtpunkt
L x H x B: 47 x
30 x 30 Millimeter
Gewicht ohne Montage:
60 Gramm
Klickverstellung:
17 Millimeter auf 100 Meter
Energieversorgung:
CR1225
Batterielaufzeit:
18 Monate bei Stufe 6
Preis: 615 Euro
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