Der Beitrag über die Nachteile von Leuchtpunktvisieren
(LPV) auf Pistolen befeuerte einen Diskurs auf fachlich hohem Niveau.
Zuschriften von professionellen Anwendern führten zu einem zusätzlichen
Erkenntnisgewinn auf allen Seiten und zu diesem zweiten Teil der Betrachtung
Von Tobias Bold, Christian Väth und Henning Hoffmann
Teil 1 der Betrachtung zu Leuchtpunktvisieren (LPV) auf Pistolen kam zu dem Fazit, dass ein LPV
keineswegs Dinge vereinfacht. Ein LPV führt weder zu einer steileren Lernkurve
in der Erstausbildung, noch zu geringerem Trainingsaufwand in der Folge. Eher
das Gegenteil ist der Fall. Darüber hinaus erhöhen sich im Vergleich zu einer Kimme/Korn
Visierung die Anschaffungskosten und der Wartungsaufwand bei einer deutlich geringeren
Allwettertauglich.
Alles nur Luxus?
Nicht unbedingt. Es existiert ein Bereich, in dem ein LPV
seine Vorteile ausspielen kann. Dieser Bereich ist sehr schmal und wird
vermutlich von einem Privatanwender niemals erreicht werden können.
Eine hohe Grundbefähigung und hohes Trainingsvolumen sind
die Schlüsselfaktoren, um die (wenigen) Vorteile eines LPV auf einer Pistole
überhaupt nutzen zu können. Natürlich glauben alle, beides zu besitzen.
Hohe Grundbefähigung
Eine hohe Grundbefähigung entsteht vor allem durch eine
kompetente Erstausbildung und viel Trainingsfleiß. Auch Talent und Begabung
sind hierbei nicht unerheblich. Blinder Trainingseifer hingegen ist
kontraproduktiv. Der Anwender sollte sich auf dem Weg hin zu einer hohen Grundbefähigung
Standards setzen und sich permanent den kritischen Augen eines Mentors stellen.
Im Bereich des Schusswaffengebrauchs bedeutet das: Grundfertigkeiten, Kimme und
Korn und Standardübungen mit enger Zeitbegrenzung.
Hohes
Trainingsvolumen
Ein hohes Trainingsvolumen definiert sich über die Ressourcen
Zeit und den Munitionsverbrauch. (Und nein; einmal pro Woche im Schützenverein
stehen, führt zu keinem hohen Trainingsvolumen.)
Die Schießausbildung bei Spezialeinheiten erfordert nicht
selten einen Munitionsverbrauch von 500 Schuss pro Angehörigem pro Monat. Jeden
Monat.
Die Ressource Zeit teilt sich in Trockentraining, den
scharfen Schuss und verschiedene administrative Tätigkeiten im Zusammenhang mit
Schießausbildung allgemein. Wird unterstellt, dass in einem professionellen
Ausbildungskonzept die Trockenarbeit das Drei- bis Fünffache des Scharfen
Schussen betragen kann, wird deutlich, welchen zeitlichen Gesamtumfang
Schießausbildung einnehmen kann.
Somit ist der Faktor „hohes Trainingsvolumen“ wohl nur in
Spezialverwendungen anzutreffen oder bei international bekannten, renommierten Schießtrainern,
die ihren Lebensunterhalt mit Ausbildung bestreiten.
Andererseits ist Schießen selbst bei Spezialeinheiten nur
noch selten eine Kernkompetenz. Vielmehr wird es neben den Ausbildungsbereichen
Fahren, Funken, Sprachen, Sprengen, Springen, Orientieren usw. als Kleines
Einmaleins vorausgesetzt.
Co-Witness: Der Rotpunkt des LPV hat die gleiche
Visierlinienhöhe,
wie die Eisenvisierung mit Kimme und Korn (Foto: Dr. Matthias
Dominok)
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Eintausend Schuss extra
Im Erfahrungsaustausch bezifferte ein Schießausbilder für
Spezialkräfte im benachbarten Ausland den zusätzlichen Munitionsverbrauch auf
eintausend Schuss. Dieser Munitionsansatz sei notwendig, um vorausgebildetes
Personal im Pistolenschießen von Kimme/Korn auf LPV umzuschulen.
Wesentlich für eine erfolgreiche Umschulung sind die
erwähnte hohe Grundbefähigung mit dem Beherrschen von Kimme und Korn sowie ein
perfektionierter Ziehvorgang.
Erleichtert wird die Umschulung durch das Vorhandensein
eines Co-Witness. Heißt; der Rotpunkt des LPV hat die gleiche Visierlinienhöhe,
wie die Eisenvisierung mit Kimme und Korn. Im Resultat steigern sich die
Schießergebnisse noch einmal um fünf bis zehn Prozent. So der Erfahrungswert
aus mehreren Jahren Spezialkräfteausbildung.
Die prozentuale Steigerung wurde in diesem Fall dienststellenintern
mittels standardisiertem Schießtest ermittelt, der insgesamt 20 Schuss umfasst
und bei dem ein Quotient aus Treffern und Zeit gebildet wird.
Quereinstieg?
Diskutiert wurde auch die Sinnhaftigkeit des Quereinstiegs. Bedeutet:
Neue Schützen werden in ihrer Schießausbildung vom ersten Tag an mit LPV
bestückten Pistolen geschult. Zu diesem Ansatz gibt es derzeit noch nicht
ausreichend empirisches Material, das belastbar wäre. Mit etwas zeitlichem
Abstand wird es daher in „Die Waffenkultur“ einen dritten Teil zum Thema LPV
auf Pistolen geben.
Thesen:
Einige Thesen lassen sich zum Thema „Erstausbildung mit LPV
bestückten Pistolen“ dennoch aufstellen:
Es entsteht eine Fähigkeitslücke bei der Benutzung von
Kimme/Korn.
Hat der Anwender einmal keine Optik mehr zur Verfügung, ist
das Gejammer groß.
Auf einen korrekten Bewegungsablauf beim Ziehvorgang muss
von Beginn an mehr Ausbildungs- und Trainingszeit verwendet werden.
Die Schützen nehmen den eigenen Abzugsfehler über die
Bewegung des Leuchtpunktes vor und während der Schussabgabe deutlicher wahr. (Sog.
Ball-im-Tor-Effekt)
Die beiden vorgenannten Punkte könnten zu einer Effizienzsteigerung
in der Ausbildung führen.
Fazit
Hohe Grundbefähigung und hohes Trainingsvolumen sind
Voraussetzungen, um ein LPV auf einer Pistole tatsächlich vorteilhaft nutzen zu
können. Für 95 Prozent aller Anwender bleibt das LPV daher nur ein „nettes
Gimmick“.
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