Freitag, 29. Oktober 2021

Die Waffenkultur – Spezial-Ausgabe 60.5 „Gewehrkonzepte“ (Oktober 2021)


Spezial-Ausgabe 60.5 „Gewehrkonzepte“
(Oktober 2021)


Die Spezial-Ausgabe 60.5 „Gewehrkonzepte“ hat folgenden Inhalt:

Gewehrkonzepte (1): Mk 12 Special Purpose Rifle
Gewehrkonzepte (2): Infantry Automatic Rifle
Gewehrkonzepte (3): Anti-Material-Gewehr
Buchvorstellung: The Green Meanie: L96A1
Gewehrkonzepte (4): Der Karabiner
Gewehrkonzepte (5): Jeff Cooper's Scout Rifle
Gewehrkonzepte (6): Die Panzerbüchse
Buchvorstellung: The SKS Carbine (CKC45g)
Gewehrkonzepte (7): Long Rifle
Gewehrkonzepte (8): Liberty Training Rifle (LTR)
Gewehrkonzepte (9): Das Sturmgewehr
Buchvorstellung: The Last Enfield von Steve Raw
Das Kalenderblatt: Einsatzgrundsätze für Gewehrschützen
Buchvorstellung: The CSAT Way von Paul Howe
Buchvorstellung: Vickers Guide AR-15 Vol. 2
Buchvorstellung: The British Sniper 1915 - 2018

http://waffenkultur.com

 

Mittwoch, 27. Oktober 2021

Mentalität und das fette Ego

 

Es ist eine Unsitte, die auf Schießkursen oder im Training immer mal wieder zu beobachten ist: „Ich mache es mir leicht“, anstatt „Ich trainiere ehrlich, um besser zu werden und im Ernstfall zu bestehen.“ Denn Üben ist nicht gleich Üben. Ein paar kontroverse Gedanken wider dem fetten Ego

 

AKADEMIE 0/500:
Harte Jungs haben harte Abzüge


Von Arne Mühlenkamp und Henning Hoffmann

Im US-amerikanischen Sprachraum wird unterschieden zwischen „Training“ und „Practice“. Ersteres bedeutet im Deutschen am ehesten „an einer Ausbildungsveranstaltung teilnehmen“. Practice ist im Deutschen gleichzusetzen mit dem „Üben des Erlernten“. In der Welt der privaten Schießausbildung zählt beides vermutlich für die meisten Menschen zur Freizeitgestaltung ganz allgemein. Einige Wenige verfolgen dabei aber dennoch einen professionellen oder semi-professionellen Ansatz. Besser zu werden ist das Ziel. Beim Schusswaffengebrauch lässt sich das Besserwerden darauf reduzieren, den präzisen Einzelschuss sicher anbringen zu können und dafür möglichst wenig Zeit zu benötigen. Also wird geübt, was das Zeug hält. Ob sinnstiftend oder nicht; Hauptsache es wurde irgendetwas geübt. Der eigentliche Zweck des Übens, nämlich eine Positiv-Konditionierung zu erzeugen, wird dabei oft aus den Augen verloren.

Ressourcenknappheit
Was allen Anwendern gemein ist, unabhängig von privat oder dienstlich, ist eine allgemeine Ressourcenknappheit in Bezug auf Budget; vor allem aber Zeit. Budget und Zeit müssen nutzenbringend eingesetzt werden. Das Entwickeln einer positiven Trainingsmentalität ist dabei mindestens genauso wichtig, wie ein fachlich fundierter Trainingsplan. Üben sollte sich an drei Adjektiven ausrichten: Richtig, ehrlich, regelmäßig.

Selbstbetrug (01): Holsterverschlüsse werden
im Training nicht mehr benutzt, um schneller zu sein



Richtig Üben
Etwas richtig üben meint vor allem, falsche Bewegungsabläufe zu minimieren oder gar ganz auszuschließen. Wie beim Trockentraining auch, bedeutet „richtig“ eine einhundert Prozent korrekte Wiederholung eines einhundert Prozent korrekten Bewegungsablaufs. Und das beliebig oft und zu jedem beliebigen Zeitpunkt. Ein Mindestmaß an Schulung durch einen kompetenten Ausbilder sollte hier vorausgegangen sein. Bevor das Üben beginnt, sollte verstanden worden sein, was geübt werden soll. Beispielsweise sollte der Sinn einer Standardübung verstanden worden sein; welche Elemente sie anspricht und in welchen Bereichen ein „Besserwerden“ zu erwarten ist. Wird ein Standard Drill nur absolviert, weil es Ausbilderidol XY im Internet auch so macht, ist zweifelhaft, ob der Sinn verstanden wurde.

Selbstbetrug (02): Die Waffe wird nur noch halb
ins Holster geschoben, um einen Zeitvorteil beim
Ziehvorgang zu erreichen



Ehrlich Üben
Im ehrlichen Üben zeigt sich die Mentalität am deutlichsten. Training oder Üben sind kein Wettkampf. Nimmt beim Üben der Wettkampfgedanke überhand, führt das zwangsläufig zu unehrlichem Üben und zum „Mogeln“. Die Idee „Ich mache es mir leicht“ ist deutlicher Ausdruck dieser Mentalität; führt aber nur zum Selbstbetrug. Typische und oft zu beobachtende Elemente sind: Bei Ziehübungen aus dem Holster wird der Holsterverschluss nicht mehr benutzt, um sich einen Zeitvorteil beim Ziehvorgang zu verschaffen. In dieselbe Kategorie fällt, die Waffe nicht mehr komplett ins Holster zu stecken. Die Waffe wird nur „halb“ ins Holster geschoben. Auch für dieses Fehlverhalten ist wohl der zu erwartende Zeitgewinn beim Ziehen die Motivation. Im Grunde zeigt sich genau hier ein wesentlicher Punkt des Übens: Nämlich der Erkenntnisgewinn, dass das gewählte Holster schlichtweg ein Fehlkauf war. Es passt entweder nicht zur Waffe oder ist für den Einsatzzweck nicht geeignet. Um sich diesen Fehlkauf einzugestehen, muss das fette Ego eben Mal über Bord geworfen werden.

New York Trigger: Der Einbau eines härteren Abzugs kann eine
vorhandene Fehlkonditionierung (Abzugsfehler) beseitigen helfen



In seine Pistole einen leichteren Abzug einzubauen, ist ebenfalls Selbstbetrug. Leichtere Abzüge erzeugen keinen Zusatznutzen und machen nichts besser. Ganz im Gegenteil: Sie kaschieren bis zu einem gewissen Grad nur einen vorhanden Abzugsfehler; beseitigen ihn aber nicht. Das Training mit härteren, schwereren Abzügen hingegen lenkt den Fokus beim Üben auf den Bewegungsablauf des Abkrümmens, wodurch eine Positiv-Konditionierung erzeugt wird. Was wiederum dem eigentlichen Sinn und Zweck von „Üben“ entspricht.




Regelmäßig Üben
Regelmäßigkeit ist der Schlüssel zum Erfolg. Regelmäßig ein Kleinwenig zu machen, trägt mehr zur Steigerung der Lernkurve bei, als ausufernde Trainingssitzungen ohne zeitlichen Zusammenhang. Der zeitliche Zusammenhang geht verloren, wenn lediglich einmal pro Monat geübt wird. Von Regelmäßigkeit hingegen kann gesprochen werden, wenn zweimal pro Woche eine konzentrierte Trockentrainingseinheit von etwa 15 Minuten durchgeführt wird, ergänzt von einem einstündigen Schießstandbesuch aller zwei bis drei Wochen.

Fazit
Trainings- und Übungseinheiten sollten immer dafür genutzt werden, Fähigkeitslücken und Ausrüstungsmängel zu identifizieren. Das funktioniert aber nur, wenn das fette Ego abgelegt wird.

Service
Schießkurse bei Akademie 0/500
https://0-500.org/



Donnerstag, 14. Oktober 2021

Akademie 0/500®: Flinte Homedefense

 

Eine weiterer Flinte Homedefense ist in den Büchern. In den letzten Jahren ist dieser 2-Tageskurs programmatisch zum umfassendsten Kursmodul bei Akademie 0/500 herangewachsen. Er findet nur zwei oder drei Mal im Jahr statt. Austragungsort ist ausschließlich Tschechien



Die Mossberg 590A1 bewährte sich ein weiteres Mal als Waffe zum Vorschießen einiger Übungen. Der Anwender lernt die Vorzüge dieses Flintenmodells schnell zu schätzen. Die 590A1 mit ihrem 45 Zentimeter kurzen Lauf und dem kurzen Röhrenmagazin für lediglich sechs Patronen ist außerordentlich leicht und führig. Auf dem Glattrohrlauf befindet sich eine sehr taugliche Büchsenvisierung aus Kimme und Korn.

Eine Flinte sollte mindestens eine büchsenähnliche
Visierung aus Kimme und Korn haben




Der so genannte Shell Storage Stock von Mossberg erlaubt die Unterbringung von zweimal zwei Patronen am Schaft; bspw. können hier Flintenlaufgeschosse für einen Munitionswechsel vorgehalten werden. Eine hohe Magazinkapazität ist beim praktischen und realitätsbezogenen Einsatz von Flinten kein entscheidendes Merkmal. Die meisten Konfrontationen, an denen Flinten beteiligt sind, sind wohl nach zwei Schuss beendet.

Der Shell Storage Stock® von Mossberg erlaubt die
Unterbringung von zweimal zwei Patronen am Schaft


Wirkungszonen
Die 590A1 wurde ein weiteres Mal durch die Wirkungszonenmethode geführt. Grundidee dieser Schießübung ist die Analyse, bis zu welcher Maximalentfernung der Einsatz von Buck Shot (Postenschrot) gerade noch vertretbar erscheint. Als akzeptabel gilt, wenn alle Posten innerhalb einer Trefferfläche von der Größe eines A4-Blattes (sog. B-Zone) liegen. Die Resultate dieses Tests sind je nach Kombination aus Flintenmodell und Laborierung sehr individuell. Es obliegt dem Anwender, die ideale Kombination zu finden, mit der sich die Buck Shot Distanz maximal ausdehnen lässt. Man spricht dabei auch von der B-Trefferzone.

Wirkungszonen mit der Mossberg 590A1
und Buck Shot von GECO



Munitionswechsel
Wird im Kampf diese Distanz überschritten, muss ein Munitionswechsel auf Slug erfolgen. Typischerweise passiert das ab zwölf Meter. Vereinzelt liefern speziell konstruierte Buck Shot Laborierungen B-Zonen Treffer bis zu 15 Meter oder gar darüber hinaus. Die maximale Einsatzdistanz eines Flintenlaufgeschoss wiederum hängt maßgeblich von der Qualität der Visiereinrichtung und natürlich des Munitionsfabrikats ab. Bei 30 Meter oder aller spätestens bei 40 Meter endet der sinnvolle Einsatzbereich einer Flinte, selbst bei Verwendung von Flintenlaufgeschossen.

Bei über 12 Meter = Flintenlaufgeschoss:
Eine Notiz auf dem Systemkasten, die
sinnvoller ist, als jedes Anbauteil

Treffergruppe einer Mossberg 590A1 mit
Büchsenvisierung von zehn bis 40 Meter


Tactical Buck Shot
Vom US-amerikanischen Hersteller Federal gibt es sog. Tactical Buck Shot der Körnung 00. Diese Laborierung wurde darauf optimiert, die Entfernung der B-Trefferzone maximal zu erhöhen. Die Erfahrung zeigt, dass mit Federal Tactical Buck Shot und Flintenmodellübergreifend die B-Zone auf 15 oder gar 20 Meter ausgedehnt werden kann, ohne das einzelne Posten das A4-Blatt verlassen.

Federal Tactical Buck Shot wurde darauf optimiert,
die Entfernung der B-Trefferzone maximal zu erhöhen



Supine
Ein wesentlicher Lehrinhalt des Moduls Flinte Homedefense ist das Schießen aus Rückenlage. Die sog. Position Supine stellt im Bereich der unkonventionellen Schießpositionen eine typische Notfallposition dar. Sie wird nie freiwillig eingenommen, sondern ist das Resultat eines Sturzes aufgrund Schlag oder Fehltritt.
Zum einen ist es für den Anwender wichtig, einige Male aus Supine geschossen zu haben. Insbesondere mit einer Flinte im Kaliber 12 möchte man das nicht den ganzen Tag machen. Zum anderen sollte auch das Aufrichten zurück in eine stehende Position mittels standardisierten Bewegungsablaufs geübt werden.
Supine offenbart außerdem Ausrüstungsdefizite. Fällt in Rückenlage die Pistole aus dem Holster, ist das Holster untauglich und sollte entsorgt werden. Bohrt sich die Mündung der Pistole in Rückenlage oder beim Aufrichten in den Boden, ist die Trageweise der Pistole ebenfalls ungeeignet.

Schießen aus der Notfallposition Supine: Mit einer
Flinte möchte man das nicht den ganzen Tag machen



Weitere Ausrüstungsdefizite
Ausrüstungsgegenstände, die beim Training ausfallen, werden das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Ernstfall tun. Das gilt neben dem Holster oder der Trageweise einer Kurzwaffe auch für die Wahl des Trageriemens an der Langwaffe oder die Art und Weise der Riemenbefestigungen selbst.

Riemenbefestigung
In einem Fall nutzte ein Teilnehmer die Befestigungsöse am vorderen Ende des Röhrenmagazins. An dieser exponierten Stelle ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Trageriemen vor die Mündung kommt. Spätestens beim Schießen aus unkonventionellen Positionen nimmt das Drama seinen Lauf. Im schlimmsten Fall zerschießt sich der Anwender aber nur seinen Trageriemen.

Diese Trageriemenbefestigung befand sich
beim Schuss teils vor der Mündung

Optimiert: Riemenbefestigung mit einem Stück Schnur



Persönliche Vorbereitung
Um Spaß und maximale Lernkurve zu gewährleisten, ist es wichtig, gut vorbereitet zum Kurs zu erscheinen. Der Teilnehmer muss zwingend mit der Handhabung seiner Flinte vertraut sein und die Funktion aller Bedienelemente kennen. Erfahrungsgemäß sind insbesondere Nutzer von Selbstladeflinten nicht mit allen Bedienelementen vertraut. Zugangsvoraussetzung für das Modul Flinte Homedefense ist die erfolgreiche Teilnahme am 1-Tages-Kurs Flinte.

Fazit
Die nächsten Kurse Flinte Homedefense sind für Mai und September 2022 angesetzt.

Service
Akademie 0/500

Mossberg 590A1 Retrograde mit Erstvorstellung und Kurztest
https://feuerkampf-und-taktik.blogspot.com/2020/02/mossberg-590a1-retrograde.html
https://feuerkampf-und-taktik.blogspot.com/2020/12/arbeitstier-mit-charme-mossberg-590a1.html

Grundsatzartikel zum Kursmodul Flinte Homedefense
https://feuerkampf-und-taktik.blogspot.com/2019/08/flinte-homedefense-mit-akademie-0500.html

Zusammenfassung von Schwerpunkten: Das Home Defense Paket
https://feuerkampf-und-taktik.blogspot.com/2021/02/das-home-defense-paket.html

Einsatzdistanzen bei Flinten
https://feuerkampf-und-taktik.blogspot.com/2021/07/munitionswechsel-bei-flinten.html

Sonntag, 10. Oktober 2021

Akademie 0/500: Neue Termine 2022

 

Die Termine bis August 2022 sind veröffentlicht: Terminliste

Die Liste wird in den kommenden Wochen noch ergänzt.
Am 29. und 30. April 2022 (Freitag/Samstag) ist ein Sonderformat geplant zum Thema AK-Systeme. Mit weitreichender Theorie und Praxis. Austragungsort: Tschechien
Nähere Informationen folgen in Kürze

 



 

Donnerstag, 7. Oktober 2021

Leseempfehlung: Von der Diktatur zur Demokratie

Ein Leitfaden für die Befreiung
von Gene Sharp

Taschenbuch: 119 Seiten
Verlag: Beck Verlag (4. Auflage 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3406671562
Preis: 9,95 Euro
Direktbestellung



Der Autor und Politikwissenschaftler Gene Sharp (1928 – 2018) gilt als einer der visionärsten Vordenker des Zwanzigsten Jahrhunderts in Bezug auf gewaltfreie Revolution und gewaltlosen Sturz von Diktaturen. Seine zahlreichen Publikationen wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt und avancierten zu Bestsellern. Zweimal wurde Gene Sharp für den Friedensnobelpreis nominiert. Seine Methoden der gewaltfreien Aktionen fanden nachweislich Anwendung bei den Befreiungsbewegungen in Myanmar (1992), in Georgien (2003), Ukraine (2004) und insbesondere in Ägypten (2011).
Eine der vordergründigen Erkenntnisse Sharps aus Forschung und Realität ist, dass selbst festverankerte und unerschütterliche Diktaturen nicht in der Lage sind, dem konzentrierten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Widerstand eines Volkes standzuhalten.
Das Buch oder vielmehr die Broschüre „Von der Diktatur zur Demokratie“ gliedert sich in zehn Kapitel mit logischer Abfolge. Fast jede der 88 Textseiten birgt Erkenntnisgewinn.

Gewalt ist keine Option
Im Kapitel „Diktaturen realistisch begegnen“ verneint Sharp die Gewaltoption und begründet das mit der Tatsache, das gewaltsame Mittel genau die Kampfmethode ist, bei der die Unterdrücker immer überlegen sind. Ebenso verwirft Gene Sharp die Variante eines Guerillakriegs. Sollten die Guerillakämpfer am Ende wirklich siegen, ist das daraus hervorgehende Regime oft noch diktatorischer als sein Vorgänger. Unabhängige gesellschaftliche Gruppen und Institutionen werden während eines Guerillakriegs geschwächt oder ganz zerschlagen. Gerade sie sind aber für den Wiederaufbau einer funktionierenden Gesellschaft von zentraler Bedeutung.
Gleichwohl gesteht Gene Sharp ein, das gewaltsame Rebellionen bemerkenswerte Erfolge erzielen konnten, jedoch fast nie die Freiheit errungen haben.

Nichtzusammenarbeit
Weiterführend erläutert Sharp die Quellen der politischen Macht und leitet daraus Schwächen ab, die jeder Diktatur innewohnen. Ein zentraler Baustein ist bei Gene Sharp die Idee der Nichtzusammenarbeit. Wenn genügend Untergebene trotz repressiver Maßnahmen ihre Kooperation lange genug verweigern, wird das Unterdrückungssystem geschwächt und am Ende zusammenbrechen. Sharp führt dazu insgesamt 198 kleine Instrumente des gewaltlosen Vorgehens auf. Er teilt diese in:
(A) Methoden des gewaltlosen Protests
(B) Methoden sozialer Nichtzusammenarbeit
(C) Methoden wirtschaftlicher Nichtzusammenarbeit
(D) Methoden politischer Nichtzusammenarbeit und
(E) Methoden gewaltloser Intervention

In den Kapiteln neun und zehn geht es schlussendlich um die Zerschlagung der Diktatur sowie die Grundlagen einer dauerhaften Demokratie.

Wo viel Licht, da auch viel Schatten
Jedes Lehrbuch zum gewaltlosen Sturz von Diktaturen ist gleichsam ein Lehrbuch zum Erhalt von Diktaturen. Wenn es zur gewaltfreien Revolution ein Volk braucht, das entschlossen und solidarisch ist, das sich gegenseitig vertraut und zusammensteht, das sich verbündet und organisiert und mit einem hohen Maß an Disziplin einer Strategie folgt, dann sind Gegenmaßnahmen der Diktatur sehr einfach: Im Volk wird Angst, Zwietracht, Neid und Hass gesät. Soziale, politische, ökonomische und sogar religiöse Institutionen werden unter staatliche Kontrolle gebracht. Die Bevölkerung wird regelrecht atomisiert und durch Kontaktverbote und Lock-Down in eine Masse isolierter Einzelner verwandelt. Sie wird eingeschüchtert und gegeneinander aufgehetzt. Vorgenannte Institutionen unter staatlicher Kontrolle liefern für diese Maßnahmen eigens wissenschaftliche oder rechtliche Begründungen.

Coverbild
Das unkreative und lieblos gestaltete Coverbild des Buches ohne jeden Sachzusammenhang zum Inhalt sollte keinen Leser vom Kauf abhalten.


Dienstag, 5. Oktober 2021

Bewaffnete Konfrontationen: „Don’t let him win from the Grave“

 

Analysiert man bewaffnete Konfrontationen und die Lektionen, die der Überlebende daraus mitnimmt, kristallisieren sich immer wieder zehn Punkte heraus. Relativ unerheblich ist dabei, ob es sich um Konfrontationen im privaten Umfeld handelt oder beim Militär

Von Arne Mühlenkamp


1.) BAD (I): Brutalste Gewalt
Das Akronym BAD steht für brutal, aggressiv, dynamisch. Hat die Konfrontation und damit der Kampf ums eigene Leben begonnen, müssen sich alle Handlungsweisen an diesen drei Punkten ausrichten. Rücksichtslose Gewaltanwendung ist das Motto. Die Fähigkeit, gewissermaßen auf Knopfdruck Gewaltbereitschaft herstellen zu können und Gewalt in brutalster Form anzuwenden, ist nach Darstellung derer, die schwere Konfrontationen überlebt haben, ein Schlüsselelement.

2.) Imagination
Mentalkonditionierung durch Imagination ist eine bewährte Methode, um Hochstressphasen nicht nur planbarer zu gestalten, sondern auch den eigenen Erfolg wahrscheinlicher werden zu lassen. Im Leistungssport bspw. findet Imagination als Trainingsmethode regelmäßig Anwendung. Wenn auch mit dem Unterschied, dass Leistungssportler mit Ausnahme bei sog. Extremsportarten selten um ihr Leben fürchten müssen. Beim Imaginationstraining wird geistig ein Video erstellt, wie das eigene Handeln in einer bestimmten Situation (in diesem Fall einer bewaffneten Konfrontation) im Idealfall ablaufen soll. Die Sequenz sollte etwa sechzig Sekunden umfassen, wobei zwei Blickwinkel denkbar sind: Entweder aus eigener Sicht oder aus Sicht eines Dritten (man sieht sich selbst handeln). Die Sequenz sollte außerdem immer zu einem neutralen Zeitpunkt beginnen (nicht mitten in der Konfrontation) und natürlich mit einem positiven Resultat enden.
Der US-amerikanische Schießausbilder und ehemalige Delta-Force-Angehörige Paul Howe ergänzt darüber hinaus noch in seinem Buch „Leadership and Training for the Fight“, dass er bei seinem Mentaltraining immer davon ausgegangen ist, dass es ein harter Kampf wird. Dass er einen Gegner haben wird, der genauso gut vorbereitet ist und den gleichen Willen zum Sieg hat wie er. Einen Gegner, den man sprichwörtlich „in Stücke schießen muss“, um zu gewinnen.

3.) Selbstschutz (materiell)
Die greifbarste Maßnahme für den eigenen Schutz, ist das Tragen einer Schutzweste. Von Beteiligten einer Scheißerei wird die Schutzweste regelmäßig als Lebensretter klassifiziert. Mitunter weißt die Weste im Nachgang Treffer auf, die tödliche Wirkung gehabt hätten. Was im militärischen und teils auch im polizeilichen Bereich zur Routine geworden ist, stellt sich für einen Privatier problematischer dar. Zwar ist, zumindest in der Bundesrepublik, die Verfügbarkeit von Schutzwesten aller Schutzklassen gegeben, das permanente Tragen lässt sich jedoch kaum in den privaten Alltag integrieren.

4.) Der (unfaire) Vorteil
„Always cheat always win“, eine Erfahrung, die bei vielen verteidigungsorientierten Ausbildungen zum Lehrinhalt geworden ist. Ritterlichkeit und Edelmut muss man sich in einer Konfrontation leisten können. Oder wie es der US-Ausbilder James Yeager von Tactical Response einmal formulierte: „Befindest Du Dich in einem fairen Fight, wendest Du die falsche Taktik an.“
In jeder Konfrontation gibt es den Augenblick, in dem das Gegenüber abgelenkt ist. Diese Zeitfenster sind kurz und selten. Sie müssen aber genutzt werden, um sich selbst den unfairen Vorteil zu verschaffen.

5.) Ausrüstungs(un)abhängigkeit
Ausrüstungsaberglaube ist eine typisch US-amerikanische Betrachtungsweise mit einer Überwertung von Ausrüstungsgegenständen. Wenn etwas nicht klappt, dann war die Ausrüstung nicht spezialisiert genug. Jeder Ausrüstungsgegenstand kann seinen Dienst versagen und wird das typischerweise zu einem Zeitpunkt tun, an dem er dringend benötigt wird. Im Training eine grundsätzliche Ausrüstungsunabhängigkeit herzustellen, ist das Ziel. Im Bereich der Schusswaffenanwendung ist es daher belanglos, ob die Waffe das neuste Leuchtpunktvisier mit dem innovativsten Absehen hat oder, ob das Kaliber speziell für Selbstverteidigungszwecke konstruiert wurde. Solange es eine Schusswaffe ist, die vorhanden ist und zuverlässig funktioniert, wird sie dem Zweck weitestgehend entsprechen. Versagt die Schusswaffe ihren Dienst, werden andere Hilfsmittel für die Gewaltanwendung eingesetzt. Diese Transition sollte Bestandteil des Imaginationstrainings sein. Zwischen zwei gleichwertig ausgerüsteten Opponenten entscheidet letztlich der Trainingsvorteil über Sieg oder Niederlage.

6.) Erkannte Schwächen
Es gehört zur menschlichen Natur, vorwiegend die Dinge zu trainieren, die man gut kann. Und die Dinge zu vernachlässigen, die man weniger gut beherrscht. Die Trainingssitzung wird mit einem guten Gefühl beendet. In einer realen Konfrontation jedoch wird sich dieser Selbstbetrug rächen. Die eigenen Schwächen zu analysieren und einem Trainingsplan zu folgen, der insbesondere auf diese Schwächen fokussiert, ist eine weitere zentrale Aussage aller Berichte zum Thema.
Entscheidend ist nicht der Wille zum Sieg. Sondern der Wille zur permanenten Vorbereitung auf die mögliche Konfrontation.
Die Verfügbarkeit von Trainingszeit darf nicht dem Zufall überlassen werden. Neben dem Tagesgeschäft und anderen Verpflichtungen sollte ein definiertes Zeitpensum für das eigene Training budgetiert worden sein; für Mentaltraining, körperliche Fitness, fachspezifische Themen und externe Weiterbildungen. Übernimmt die Dienststelle keine Kosten für externe Ausbildung, dann müssen externe Weiterbildungen aus eigener Tasche bezahlt werden. Das Ganze ist eine Investition in sich selbst.

7.) Körperliche Fitness
Körperliche Fitness ist Grundvoraussetzung. Ein leistungssportähnliches Niveau abrufen zu können, ist gleichwohl nicht erforderlich. Allerdings sollte ein kurzer oder längerer Sprint machbar sein. Genauso wie das Heben und Tragen einer schweren Last. Ein Sprung über ein Hindernis oder aus zwei bis drei Meter in Tiefe, sollte verletzungsfrei zu bewerkstelligen sein. Das Training von funktionaler Kraft bei einer altersgerechten Belastung sollte regelmäßig, d.h. täglich oder aller zwei Tage erfolgen.

8.) BAD (II): Bis die Lichter ausgehen…

Der Kampf ist erst vorbei, wenn die Lichter ausgehen. Entweder bei einem selbst oder vorzugsweise beim Gegner. Paul Howe beschreibt das in seinem Buch wiederum als: „Fight through“ Mentalität. Auch dieser Punkt lässt sich durch Mentalkonditionierung und Imagination trainieren und verbessern. Brutal, aggressiv, dynamisch.

9.) Wundversorgung
Die Wahrscheinlichkeit in einer bewaffneten Konfrontation verletzt zu werden, ist hoch. Grundkenntnisse in der Wundversorgung zu besitzen, wird ebenfalls von allen Beteiligten als wesentlich umrissen. Das Thema hat aufgrund der öffentlichen Rezeption des militärischen Tactical Combat Casualty Care (TCCC) dankenswerterweise an Komplexität verloren. Es gibt eine Vielzahl von Seminaranbietern, die sich mit präklinischen Erste-Hilfe-Maßnahmen befassen. Grundkenntnisse im Bereich der Wundversorgung zu erwerben, gelingt bereits während eines Tagesseminars. Entsprechende Ausrüstung kann in Kleinstverpackungen permanent mitgeführt werden. Das Ziel ist, trotz lebensbedrohlicher Verwundung, die Zeitspanne von 20 bis 30 Minuten bis zum Eintreffen eines Notarztes zu überbrücken.

10.) „Don’t let him win from Grave“
Eine Schießerei ist nie mit dem letzten Schuss beendet. Der US-amerikanische Schießausbilder Gabe Suarez formulierte einmal das Konstrukt, dass nach dem eigentlichen „Fight“ noch der juristische Kampf sowie der emotionale Kampf folgen werden. Selbst wenn der Kampf ums eigene Leben gewonnen wurde, wird nicht selten der emotionale Kampf verloren. Mitunter erst viele Jahre später. Jahre, die von Selbstzweifel und Schuldgefühlen geprägt waren. Der Kampf ist vorbei. Du hast gewonnen. Ende des Dramas. „Lass den Gegner nicht aus dem Grab heraus gewinnen“, ist vermutlich die einprägsamste dieser zehn Lektionen.


Literaturempfehlungen


Paul R. Howe: Leadership and Training for the Fight
Taschenbuch: 464 Seiten
Verlag: Skyhorse Publishing (2011)
Sprache: Englisch
ISBN-13: 978-1616083045
Preis: ca. 14 Euro




Jason Selk: 10-Minutes Toughness
Taschenbuch: 200 Seiten
Verlag: McGraw-Hill Education (2008)
Sprache: Englisch
ISBN-13: 978- 0071600637
Preis: ca. 20 Euro


Bewaffnete Konfrontationen (1): Fallanalysen

 

 

Freitag, 1. Oktober 2021

Standardübung (29): Strong/Weak 2/2

 

Die Standardübung „Strong/Weak 2/2“ stammt aus dem Tactical Pistol Instructor Programm von Paul Howe (CSAT Texas). Sie beansprucht das einhändige Schießen mit starker Seite und schwacher Seite unter Zeitdruck und ist die, der insgesamt zehn Übungen, die im Test fast nie erfüllt wird

 

Paul Howe demonstriert Ziehvorgang und Anschlag
während eines Tactical Pistol Instructor Kurses
(Foto aus 2008)



Ursprung
Die Übung hat ihren Ursprung im Tactical Pistol Instructor Kurs der texanischen Schießschule Combatshooting and Tactics (CSAT), welche vom Delta Force Veteran Paul Howe bestrieben wird. Strong/Weak 2/2 ist Standard Nummer 6 aus insgesamt zehn Standard-Drills, die ein Absolvent in einem Durchgang fehlerfrei schießen muss, um als Tactical Pistol Instructor zertifiziert zu werden. Neben dem Schießtest müssen Absolventen noch einen theoretischen Test bestehen und eine Lehrprobe durchführen.

Ablauf
Die Entfernung zum Ziel beträgt sieben Yards. Ausgangsposition des Schützen ist mit beiden Händen an der Waffe in einer Bereitschaftsposition (bspw. Position 3). Auf das Timersignal geht er in den einhändigen Rechtsanschlag und gibt zwei Schüsse ab. Er übergibt die Waffe in die linke Hand und gibt im einhändigen Linksanschlag ebenfalls zwei Schüsse ab. Insgesamt hat er dafür fünf Sekunden Zeit. Die Übung gilt nur ohne Fehlschuss als erfüllt.

Elemente
Geübt werden die Anschlagsvarianten einhändig Rechts und einhändig Links sowie das Übergeben der Waffe unter Zeitdruck. Die Fähigkeit, jeweils einhändig einen Doppelschuss abzugeben ist ebenfalls Element dieser Standardübung.

Die typische CSAT Scheibe.
Alle Treffer müssen innerhalb
der rechteckigen Box sein
(Foto aus 2008)


Zielmedium
Das Zielmedium ist die rechteckige Box im CSAT Target mit den Abmaßen 15 mal 32 Zentimeter.

Fehler
Die Übung offenbart Defizite im einhändigen Schießen schonungslos. Was ohne Zeitvorgabe vielleicht noch machbar erscheint, gerät im Zeitfenster von lediglich fünf Sekunden teilweise zum Fiasko. Abzugskontrolle mit der Schusshand als auch mit Unterstützungshand ist der wichtigste Baustein für das Gelingen dieser Standardübung. Sinnvoll ist es, die korrekte Abzugskontrolle Rechts / Links durch Übungen ohne Zeitbegrenzung zuerst einmal zu manifestieren. Die Standardübung #27 (L/R-Standard) und #28 (L/R-Dot Drill) bieten sich dafür an.
Neben der Abzugskontrolle als wesentliche Grundfertigkeit ist auch eine defizitäre Schießtechnik Fehlerursache. Der jeweilige Schussarm sollte in die volle Streckung gebracht werden. Das Schultergelenk kann dabei angespannt bzw. arretiert sein. Der Körper sollte sich entsprechend eindrehen und nicht mehr frontal zum Ziel stehen. Somit wird eine natürlichere Körperhaltung hergestellt, die in gewisser Weise den Natural Point of Aim (NPoA) im einhändigen Anschlag unterstützt.

Schusszahl & Zeitansatz
Für einen Durchgang sind vier Schuss erforderlich. Der Zeitansatz inkl. Auswertung liegt bei weniger als einer Minute.

Steigerungsmöglichkeit
Eine Steigerungsmöglichkeit ist nicht vorgesehen. Allerdings ist eine Vereinfachung möglich, indem die Übung bei selber Zielgröße aus fünf Meter Entfernung absolviert wird.

Service
Zielmedien Download über: https://0-500.org/page/Dateien