Sonntag, 28. April 2024

Langzeittest: Black Label M4 – Nr. 168

 

3 Tage Aufbaukurs Gewehr, April 2024

Gesamtschusszahl: 18.420 + 430 = 18.850
Davon mit SD: 860
Neuer Lauf bei: 13.400
Neuer Abzug bei
: 16.900

Störungen Typ I: 0
Störungen Typ II: 0
Störungen Typ III: 0
Störungen Typ IV: 0




Während eines dreitägigen Aufbaukurs Gewehr bei Akademie 0/500® absolvierte das Black Label M4 weitere 430 störungsfreie Schuss. Die Waffe war bestückt mit der Sharp Rotpunktoptik von Oberland Arms inklusive 3-fach Vergrößerungsmodul.
Der Gewöhnungseffekt an ein Vergrößerungsmodul stellt sich sehr schnell ein. Insbesondere Schützen mit altersbedingter nachlassender Sehstärke können mit einer Rotpunktoptik und Vergrößerungsmodul noch einmal Trefferergebnisse im Spitzenbereich erreichen.
Lediglich an Tag 3 wurde die Waffe mit offener Visierung geschossen.



Anschuss-Scheibe 25 Meter
Das Einschießen des OA Sharp Sight bzw. die Haltepunktüberprüfung erforderte das Verstellen um ein Klick nach rechts.  (1. Gruppe schwarz, 2. Gruppe rot) Beide Gruppen sind grds. auswertbar, da sie mit dem Zeigefinger abgedeckt werden können.



Rifleman
Das Black Label absolvierte zweimal die Standardübung Rifleman. Einmal komplett fehlerfrei, einmal mit einem Fehlschuss am 400 Yards Ziel.
Beide Male wurde die Übung absolviert mit dem OA Sharp Sight und der 3-fach Vergrößerung. Diese Konfiguration bringt deutliche Vorteile beim Identifizieren des Ziels und erhöht die Präzision der Schussabgabe.

Verschmutzung
Der Verschmutzungsgrad des Black Label ist erheblich. Seit etwa drei Trainingssitzungen wurde die Waffe zwischendurch nur teilzerlegt und sporadisch gereinigt.
Eine Detailreinigung; inklusive Lauf; ist notwendig. Reinigungsintervalle AR-15
 





Donnerstag, 11. April 2024

38 Jahre Miami FBI Shootout

 

Am 11. April 1986 kam es in Miami bei einem missglückten Festnahmeversuch des FBI zu einem folgenschweren Schusswechsel. Der „Miami FBI Shootout“ gilt heute als eine der am gründlichsten analysierten Schießereien in der Historie zu Feuerwaffen. Gravierende Änderungen in Taktik und Bewaffnung waren die Folge

Oranger Hintergrund: Die Waffen der Täter. Darüber
blauer Hintergrund: Die verwendeten Waffen des FBI.
Links, rechts und darunter: Die Waffen, die dem FBI
am 11. April zur Verfügung gestanden hätten (Foto: FBI)


Der Miami FBI Shootout vom April 1986 ist das Lehrbeispiel schlechthin, wenn es um Analyse und Ableitungen einer nicht-militärischen Konfrontation mit Schusswaffen im Zwanzigsten Jahrhundert geht. Eine direkte Folge war die Einführung neuer und leistungsstärkerer Kurzwaffenkaliber und eine verbesserte Ausbildung im Bereich des „Kampfes um ein Fahrzeug herum“.
Aber auch im Ausbildungssegment des „Nachladens“ lässt der Miami Shootout mit teils frappierenden Resultaten aufhorchen.

Die Szenerie unmittelbar nach dem „FBI Miami Shootout“
am 11. April 1986. Dieses Ereignis führte zu einem
Paradigmenwechsel beim FBI und zur Einführung eines
stärkeren Kurzwaffenkalibers. Zuerst trat die 10mm Auto
in den Fokus, später die .40S&W (Foto: FBI)


Akteure und Bewaffnung
Beteiligte auf Seiten des FBI:
Ronald Risner (nicht verwundet), S&W Pistole M459, S&W M60 Back-Up Revolver
Richard Manauzzi (leicht verwundet), Waffe verloren, am Feuergefecht nicht beteiligt
Gordon McNeill (schwer verwundet), S&W Revolver M19
Edmundo Mireles (schwer verwundet), Remington Flinte 870, S&W Revolver M686
Gilbert Orrantia (schwer verwundet), S&W Revolver M13
John Hanlon (schwer verwundet), S&W Revolver M36
Benjamin Grogan (tot), S&W Pistole M459
Jerry Dove (tot), S&W Pistole M459
Verbrecher:
William Matix (tot), S&W Flinte M3000
Michael Platt (tot), Ruger Mini-14, S&W Revolver M586, Dan Wesson Revolver

Die blutverschmierte Smith & Wesson M 459 im Kaliber 9x19
von FBI Agent Dove bekam einen direkten Treffer aus
der Ruger Mini-14 in den Verschluss, welcher zur
Funktionsunfähigkeit der Waffe führte (Foto: FBI)


Miami 1986
Am Morgen des 11. April 1986 leitete ein Team des FBI eine Suche nach einem gestohlenen Fahrzeug Chevrolet Monte Carlo Modell 1979 ein. Die Identität der Verdächtigen war unbekannt. Jedoch gingen die FBI Beamten davon aus, dass das gestohlene Fahrzeug für einen Bankraub benutzt werden sollte.
Gegen 9:30 Uhr entdeckten die beiden FBI Beamten Grogan und Dove das verdächtige Fahrzeug und begannen die Verfolgung. Zwei weitere Fahrzeuge des FBI Teams schlossen sich an. Es wurde versucht, eine Verkehrskontrolle bei den Verdächtigen durchzuführen.
Schließlich wurde der Chevrolet Monte Carlo der Verdächtigen gerammt und abgedrängt. Die Kollisionen endete auf einem Parkplatz vor Haus Nummer 12201 Southwest 82nd Avenue.
Der Chevrolet der beiden Verdächtigen Matix und Platt wurde dabei auf der Beifahrerseite zwischen einem geparkten Auto und dem FBI Fahrzeug von Manauzzi Auto auf der Fahrerseite eingeklemmt. Richard Manauzzi verlor beim Aufprall der Fahrzeuge seinen Revolver.

Das Fluchtfahrzeug Chevrolet Monte Carlo eingeklemmt
zwischen dem zivilen Oldsmobile Cutlass (links) und
dem FBI Buick von Agent Manauzzi (rechts) (Foto: FBI)


Der Feuerkampf beginnt
Michael Platt eröffnete aus dem Chevrolet heraus mit seiner Ruger Mini-14 sofort das Feuer in Richtung Manauzzi.
FBI Agent John Hanlon verlor bei der Kollision ebenfalls seine Primärwaffe (S&W Revolver), konnte jedoch mit seiner Zweitwaffe S&W M36 am Feuergefecht teilnehmen.
FBI Agent Benjamin Grogan verlor beim Zusammenstoß seine Brille. Es wird gemutmaßt, dass sein Sehvermögen daraufhin derart beeinträchtigt war, dass er am Feuerkampf nicht effektiv teilnehmen konnte.

Das Fluchtfahrzeug wurde von Projektilen durchsiebt.
Beide Täter mussten durch die Seitenfenster ausbooten,
da die Türen blockiert waren (Foto: FBI)


FBI Mann Gordon McNeill wurde durch das Gewehrfeuer von Platt schwer verwundet. Platt feuerte dann mit seiner Mini-14 auf Mireles, der über die Straße rannte, um sich dem Kampf anzuschließen. Mireles wurde am linken Unterarm getroffen und schwer verwundet.

Michael Platt begann unter dem Deckungsfeuer von William Matix auszuweichen. Der bereits schwer verwundete Gordon McNeill feuerte sechs Schüsse aus seinem Revolver auf Matix ab, wovon zwei in Kopf und Hals trafen. Matix wurde vorübergehend bewusstlos. FBI Mann Gordon McNeill war aufgrund seiner Verletzungen nicht mehr in der Lage, seinen Revolver nachzuladen.

Die Position der Fahrzeuge am 11. April 1986
(Edmundo Mireles)


Michael Platt verließ das Fluchtfahrzeug durch das Fenster der Beifahrerseite. Er wurde dabei von einem Projektil aus der Dienstwaffe von Jerry Dove (9x19) in den Oberarm getroffen. Das Projektil durchschlug die Brust und kam laut Autopsie nur einen Zentimeter vor dem Herzen zum Stehen. Die Autopsie ergab des Weiteren, dass Platts rechte Lunge kollabiert war und seine Brusthöhle mehr als einen Liter Blut enthielt. Von den insgesamt zwölf Schusswunden, die Platt davontrug, war diese Wunde die Hauptursache für den Tod.
Michael Platt musste beim Ausbooten aus seinem Chevrolet über die Motorhaube eines anderen Fahrzeugs, eines Oldsmobile Cutlass, klettern. Dabei wurde er ein zweites und drittes Mal in den rechten Oberschenkel und den linken Fuß getroffen. Diese Schüsse wurden vermutlich von FBI Agent Dove abgefeuert.
Platt führte den Feuerkampf aus einer gedeckten Stellung hinter der Motorhaube des Oldsmobile Cutlass fort. Er feuerte mit seiner Mini-14 mehrfach auf die FBI Beamten Ronald Risner, Gilbert Orrantia sowie John Hanlon, Jerry Dove, Gilbert Orrantia und Benjamin Grogan. Währenddessen erlitt Platt mehrere weitere Schusswunden.

Michael Platt verließ seine Deckung und ging direkt auf die FBI Beamten zu, die entweder mit Nachladen oder ihren zahlreichen Schusswunden beschäftigt waren. Er umrundete, selbst schwer verwundet, das Heck des weißen FBI Buick und tötete die FBI Männer Grogan und Dove mit Schüssen seiner Mini-14 aus Nahdistanz. Dann versuchte er in das Fahrzeug der beiden zu steigen und den Tatort zu verlassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sein Komplize Matix das Bewusstsein wiedererlangt und stieg ebenfalls in das FBI Fahrzeug.
FBI Agent Edmundo Mireles feuerte insgesamt fünf Schüsse aus seiner Remington 870 auf Platt und Matix ab. Wegen seiner schweren Verwundungen musste er das einhändig tun und traf keinen von beiden.

Schematische Darstellung des Treffers aus Jerry Dove‘s
S&W M459 als Michael Platt durch die Seitenscheibe
des Chevrolets klettert (Foto: FBI)


Das Ende des Feuerkampfes
Platt versuchte, das FBI Fahrzeug zu starten. Mireles bewegte sich parallel zur Straße und dann direkt auf Platt und Matix zu. Er feuerte mit seinem S&W M686 sechs Schüsse auf die Verdächtigen ab. Der erste und zweite Schuss verfehlten ihr Ziel. Der dritte traf Matix im Gesicht und zersplitterte in zwei Teile, ohne ernsthafte Verletzungen zu verursachen. Der vierte traf Matix im Gesicht neben seiner rechten Augenhöhle, wanderte durch die Gesichtsknochen nach unten in den Hals, wo er in die Wirbelsäule eindrang und das Rückenmark durchtrennte. Der fünfte traf Matix ins Gesicht, durchschlug den Kieferknochen und den Hals und blieb an der Wirbelsäule stecken. Mireles erreichte die Fahrertür, streckte seinen Revolver durch das Fenster und feuerte seinen sechsten Schuss auf Platt ab. Das Projektil durchschlug Platts Brust, verletzte das Rückenmark und beendete die Schießerei.

Das Heck des FBI Buick, welches vom schwer verwundeten
Michael Platt umrundet wurde. Im Anschluss tötete er die
FBI Männer Grogan und Dove mit Schüssen seiner Mini-14
aus Nahdistanz (Foto: FBI)


Nachgang
In der sehr umfassenden Analyse des Miami FBI Shootout wurde u.a. festgestellt, dass die beiden Täter mit mehr Eindringtiefe; also höherer zielballistischer Wirkung; wesentlich eher hätten gestoppt werden können. Die von den FBI-Beamten verwendete 9x19 Munition bzw. die Patrone .38 Special +P (zum Teil verschossen aus kurzläufigen Back-Up Revolvern) erwiesen sich als zu schwach für diese Art eines Feuergefechts. Selbst aus Revolvern im Kaliber .357 Magnum verschossen die FBI Männer lediglich die weitaus schwächer Patrone .38 Special +P.
Mit der typisch US-amerikanischen Herangehensweise einer rein ausrüstungsorientierten Fehleranalyse, rückte die drei Jahre zuvor ins Leben gerufene Idee Jeff Coopers nach einem besonders leistungsstarken Pistolenkaliber in den Fokus der FBI-Beschaffer. Als Resultat wurde eine Double Action / Single Action (!) Pistole S&W 1076 im Kaliber 10mm Auto beim FBI eingeführt. Sehr bald zeigten sich beim täglichen Training und im Einsatz die Nachteile dieses kraftvollen Kalibers. Für die meisten FBI-Beamten war der Rückstoß beim Schießen nicht zu handhaben. Etwa nur ein Viertel der georderten S&W 1076 Pistolen wurden auch an das FBI ausgeliefert.
Smith & Wesson kürzte im Auftrag des FBI die 25-mm-Hülse der 10mm-Auto-Patrone auf 22 Millimeter. Das Kaliber .40 S&W war geboren und führte in den 1990er Jahren zur Beschaffung der Modelle Glock 22 und 23 beim FBI.

Die Position von Edmondo Mireles, der seine Flinte
Remington 870 einhändig leerschoss und dann die beiden
Täter mit seinem S&W M686 aus Nahdistanz tötete (Foto: FBI)


Zusammenfassung
Die als „Miami Shootout“ in die Geschichte eingegangene Schießerei war für das US-amerikanische FBI ein desaströses Feuergefecht. Die beiden Kriminellen erreichten mit ihren Langwaffen (Flinte Kaliber 12 und Ruger Mini-14 in .223 Rem) von Beginn an Feuerüberlegenheit und hatten aufgrund ihrer militärischen Vergangenheit bei den U.S. Marines und der 101st Airborne Division vermutlich auch den Combat-Mindset Vorteil auf ihrer Seite. Die Verwundungen der FBI-Agenten wurden ausnahmslos durch Einzel- oder Zweifachtreffer der Langwaffen verursacht. Während die beiden Verbrecher erst nach sechs bzw. zwölf Treffern aus den Handwaffen des FBI gestoppt werden konnten.

Fünf Minuten Feuergefecht – Dreißig Jahre Auswertung.
„FBI Miami Shootout“ ist eines der am tiefsten analysierten
Feuergefechte des Zwanzigsten Jahrhunderts (Foto: FBI)


Kritische Würdigung
Am „Miami Shootout“ waren zehn Personen beteiligt, er dauerte fünf Minuten und es wurden 145 Schüsse abgefeuert. Am Ende waren vier der zehn Beteiligten tot, vier schwer verwundet, einer leicht verwundet und nur ein Beteiligter blieb unverletzt. Ein Beteiligter, der leicht Verwundete, nahm am Feuergefecht überhaupt nicht teil, weil er seine Waffe verloren hatte.
Bezogen auf die weit verbreiteten Ausbildungsinhalte „schnelles Nachladen“ oder „taktisches Nachladen“ gibt der „Miami Shootout“ eine frappierende Antwort: Nachweislich haben von den zehn Beteiligten nur zwei überhaupt ihre Waffen nachgeladen: Platt seine Mini-14 und Dove seine Pistole S&W M459. Beide sind tot. Die taktische Ableitung „Wer nachlädt ist tot“ scheint sicherlich überzogen. Dennoch zeigt der „Miami Shootout“, dass „schnelles“ oder „taktisches“ Nachladen in einem realen Feuergefecht nur eine geringe Relevanz haben und daher keine prioritären Ausbildungsinhalte sein sollten.


Montag, 8. April 2024

Gewehrriemen von Kastinger

 

Die Marke Kastinger ist in Deutschland nicht sehr bekannt, obwohl sie seit über drei Jahrzehnten Ausrüstung für Militär herstellt und besonders im französischsprachigen Behördenbereich geschätzt wird. Das liegt vielleicht daran, dass Kastinger ein eher unauffälliges mediales Profil hat. Deswegen ist es an der Zeit einen genaueren Blick auf das Unternehmen und zwei ausgewählte Produkte zu werfen

Der Kastinger Gewehrriemen wurde ursprünglich für die
Schweizer Sturmgewehre Stgw 90 und Stgw 04/07 konzipiert


Von Johannes Heilmeier

Auf den Laufstegen Mailands und Paris sieht man bekanntlich die haute couture. Wer zwischen beiden Städten jettet überfliegt dabei die Ortschaft Chamonix-Mont-Blanc in den französischen Alpen. Seit 1991 ist hier das kleine Unternehmen Kastinger beheimatet das ebenfalls hochwertige Textilien herstellt, allerdings auf taktischer Ebene. Die lange Erfahrung in der Herstellung von Ausrüstung wie Magazintaschen, Kampfmittelwesten, Gewehrriemen und Rucksäcken für die französische und Schweizer Armee fließen in das Produktdesign, Materialauswahl und Fertigungsqualität ein. Seit einigen Jahren kooperiert Kastinger mit dem Präzisionsgewehrhersteller PGM Précision und hat das Produktsortiment für Waffenanwender erweitert. Einer der bekanntesten Artikel der Marke ist der Kastinger Gewehrriemen von dem wir zwei Varianten getestet haben und hier evaluieren werden. Die Produkte wurden direkt bei PGM Précision gekauft.

Die 416 Version verfügt zusätzlich über einen
Karabiner und einen Klettverschluss,…


Kastinger Suspender Strap
Es handelt sich um einen Zwei-Punkt-Gewehrriemen mit einem elastischen Part (und nicht um einen Bekleidungsartikel), den es in zwei Varianten gibt: Eine hier grün dargestellte Version, die ursprünglich für das Schweizer Stgw 90 (bzw. Stgw 04/07) konzipiert wurde, und eine sandfarbene 416 Version für AR-15 Systeme. Letztere hat ein paar zusätzliche Features, jedoch sind beide nahezu identisch und agnostisch was die Verwendung mit unterschiedlichen Waffenmodellen angeht. Beide haben gemein, dass sie aus feuerfestem Nomex gefertigt sind, was gerade für Gewehre mit kurzen Läufen von Vorteil ist. Außerdem sind sie sehr schmiegsam, so dass sie sich wie eine zweite Haut um die Schultern legen. Im Vergleich zu steiferen Materialien anderer Hersteller, die sich bei einem schnellen Anschlag im Schaftbereich verkeilen, und so den Schützen stören können, ist dies beim Kastinger Sling aufgrund seiner Flexibilität und dünnen Struktur nicht der Fall. Da er im vorderen Bereich elastisch ist, absorbiert er Stöße auf den Nacken, die zum Beispiel auf längeren Gefechtsmärschen unangenehm sein können. Beim Tragen auf dem Rücken sorgt der elastische Teil des Riemens für Bewegungsfreiheit, ohne dass sich das Gewehr lose hin und her bewegen kann, vorausgesetzt man hat ihn genügend gestrafft. Er lässt sich daher aber nicht als Schießriemen nutzen. Der mittlere Bereich ist breiter gestaltet, damit das Gewicht der Waffe besser auf den Schultern und dem Nacken verteilt wird, beziehungsweise der Riemen durch die größere Kontaktfläche mit dem Körper weniger leicht verrutschen kann. Dieses Prinzip findet auch bei den markant breiten Gewehrriemen der israelischen Armee seine Anwendung und ist mittlerweile auch kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Eine Polsterung ist nicht weiter nötig. Die 416-Version hat zusätzlich einen Karabiner, der die Befestigung am Gewehr und den beidseitigen Einsatz erleichtern soll. In der Realität konnte jedoch (noch) kein merklicher Vorteil festgestellt werden. Des Weiteren hat der 416er zwei Klettverschluss-Schlaufen, die es ermöglichen die nicht benötigte Gurtlänge einzurollen und zu verstauen, so dass sie den Schützen nicht behindert. Dies hat sich in der Praxis als sehr nützlich erwiesen.

…der zum Verstauen von
überschüssiger Gurtlänge dient


Service und Qualität
Die Qualität des Gewehrriemens ist hervorragend, wie sich an den verwendeten Materialien und der Fertigung in Handarbeit erkennen lässt. So ist es nicht verwunderlich, dass der Kastinger-Riemen auch in der Bedienungsanleitung des SG 553 (Stgw 04/07) von SIG Sauer als (fast schon obligatorisches) Zubehör beschrieben wird. In puncto Service ist eindeutig positiv zu bewerten, dass der Gewehrriemen des Autors von Kastinger repariert wurde, nachdem er beim Einsatz durch Mündungsfeuer beschädigt worden war. Dies wäre wahrscheinlich von anderen Marken, die in fernöstlichen Ländern produzieren, nicht zu erwarten gewesen.

Der elastische Part beim „Suspender Strap“ verleiht dem
Gewehrriemen in manchen Situationen Handhabungsvorteile
(Foto: Hersteller)


Fazit
Der Kastinger Suspender Strap ist ein hochwertiger Ausrüstungsgegenstand im Preissegment um die siebzig Euro, der sich durch seine Optik, Funktionalität und der Verwendung von durchhaltefähigen Materialien von Konkurrenzprodukten abhebt. Auch wer bereits einen Zwei-Punkt-Gewehrriemen besitzt, sollte trotzdem die Anschaffung in Erwägung ziehen, da in manchen Einsatzszenarien die besonderen Produktmerkmale des Kastingers von Vorteil sind.

Im Gegensatz zu fast allen anderen Hersteller fertigt
Kastinger die Gewehrriemen aus Nomex anstatt Cordura,
wodurch sich die Trageeigenschaften verbessern
(Foto: Hersteller)



Service
https://www.pgmprecision.com


Montag, 1. April 2024

Scharfschützenwesen: Verstelltürme an einem ZF


Der Kauf eines Zielfernrohrs unterliegt diversen Kriterien: Vergrößerung, Absehen und oft auch der Preis stehen im Vordergrund. Meist zählt die Funktion der Verstelltürme nicht zu den primären Anforderungen. Die Maßeinheit der Klicks und vor allem die Verstellrichtung sind aber relevant, können sie doch die Arbeit des Schützen erheblich vereinfachen




Die Drehrichtung der Verstelltürme ist beim Zielfernrohrkauf meist ein gering geschätztes und daher kaum beachtetes Qualitätsmerkmal. Als Kunde nimmt man es meist als gegeben hin. Bei einer durchschnittlichen Anwendung des Waffensystems kann über die Drehrichtung auch gern hinweggesehen werden. Große Bedeutung erhält sie jedoch beim praxisorientierten Gebrauch, bei dem Stresssituationen nicht ausgeschlossen werden können, schnelles Handeln aber unabdingbar bleibt.

Motorik & Alltagsroutine
Menschen; vermutlich nicht nur aus Mitteleuropa; unterliegen der Alltagswahrnehmung, dass eine Rechtsdrehung an einem Regler grundsätzlich mit einem positiven Ergebnis verknüpft ist: Das Radio wird lauter, die Temperaturregelung im Auto bringt mehr Wärme und Licht wird durch das Rechtsdrehen am Dämmerungsschalter heller.

Standardkonfiguration der Verstelltürme:
cw-Drehrichtung und 1-cm-Klickverstellung (0.1 mrad)

Standardhandhabung: Bei einer cw-Drehrichtung werden die Türme
mit der rechten Hand bedient und zur Daumenspitze hin gedreht.
Was einer Korrektur nach oben bzw. nach rechts entspricht

Standardhandhabung Seitenturm:
Rechte Hand Richtung Daumenspitze


cw (clockwise)
Eine Rechtsdrehung am Verstellturm eines Zielfernrohrs sollte ebenfalls eine positive Auswirkung haben. Lies, den Treffpunkt in eine positive Richtung verlagern. Im Koordinatensystem eines Fadenkreuzes sind die positiven Richtungen nach Oben und nach rechts. Das Gleichnis des Koordinatensystems ist bewusst gewählt. Vom Nullpunkt aus führen die Abszissenachse (x-Achse) horizontal nach rechts und die Ordinatenachse (y-Achse) vertikal nach oben jeweils in den positiven Bereich hinein. Beides ist mittels Rechtsdrehung an den Türmen zu bewerkstelligen. Man spricht in diesem Fall auch von einer „clockwise“-Verstellrichtung (cw).

ccw (counterclockwise)
Bei Optiken aus US-amerikanischer Produktion sind die Türme fast immer mit der konträr verlaufenden Verstellrichtung hinterlegt. Das bedeutet eine Rechtsdrehung verlagert den Treffpunkt nach links bzw. unten. Es entsteht eine Dissonanz bzgl. unserer Alltagswahrnehmung. Der Turm müsste in die entgegengesetzte (falsche) Richtung gedreht werden, um eine Verlagerung in den positiven Bereich des Koordinatensystems zu erreichen. Somit ist ein Denkschritt mehr erforderlich. Unter Umständen ein Denkschritt, für den in einer stressbeladenen Situation keine Kapazitäten frei sind. Diese Ausführung der Drehrichtung wird auch als counterclockwise (ccw) bezeichnet.

Typisch US-amerikanische Turmkonfiguration:
ccw-Drehrichtung. In diesem Fall allerdings keine MOA-Rastung,
sondern 0,1 mrad (1-cm-Klickverstellung)

Auch hier hilft die Analogie „Linke Hand Daumenspitze“
weiter, um eine stressresistente Handhabung abzusichern

Das Arbeiten am (rechten) Seitenturm mit der linken Hand ist motorisch
gewöhnungsbedürftig, sollte aber exakt so geübt werden


Maßeinheit der Rastung
Die Rastung der Klickverstellung kann die Arbeit für Schütze oder Beobachter ebenfalls vereinfachen. Zielfernrohre basieren entweder auf einer MOA-Rastung, auf einer metrischen (Zentimeter-) Rastung oder auf mrad. Letztere kann in Bezug auf die Anwendung mit einer Zentimeter-Rastung gleichgesetzt werden. Eine Klickverstellung in 1/4- oder 1/8-MOA Schritten erfordert für uns Europäer immer Umrechenarbeit im Kopf. Unser Alltag basiert auf einem metrischen System. Nicht auf einem System von Zoll und Yards oder Bogenminuten.
Empfehlenswert ist daher ein Zielfernrohr mit einer 1-cm-Klickverstellung auf einhundert Meter Entfernung. Die Kopfrechenarbeit ist leicht, da es sich entfernungsabhängig immer um ein Vielfaches von einem Zentimeter handelt.

Handhabung
Für das stressresistente Drehen an den Verstelltürmen gibt es einen erprobten Trick in der Handhabung, der ein Verstellen in die falsche Richtung nahezu ausschließt und darüber hinaus sogar eine ccw-Verstellrichtung praktikabel werden lässt.

Handhabungstrick Teil 1
Bei einer normalen (also einer cw-) Verstellrichtung greift der Schütze mit seiner rechten Hand den Verstellturm so, dass die Daumenspitze in Verstellrichtung zeigt. Daraus resultiert: Ein Drehen hin zur Daumenspitze ist gleich ein Verstellen des Zielfernrohrs in den positiven Bereich und bringt eine Treffpunktverlagerung nach oben bzw. nach rechts mit sich.

Handhabungstrick Teil 2
Besitzt das Zielfernrohr jedoch an beiden Türmen eine ccw-Verstellung, greift der Schütze mit seiner linken Hand den Turm so, dass die Daumenspitze in Verstellrichtung zeigt. Das Resultat ist identisch: Ein Drehen hin zur Daumenspitze bewirkt eine Treffpunktverlagerung nach oben bzw. nach rechts. Wesentlich ist in beiden Fällen lediglich das Drehen hin zur Daumenspitze.

Sonderfall: Seitenturm links
Der Hersteller Kahles bietet Zielfernrohre mit Seitenturm links an. Dieses Konstruktionsmerkmal beruht vermutlich auf der Idee, dass bei einem Rechtsschütze das Verstellen mit der Unterstützungshand erfolgen soll, die Haupthand aber am Griffstück verbleibt. Für diesen Sonderfall sollten die Türme des Zielfernrohrs zwingend eine counterclockwise (ccw) Verstellrichtung haben und mit Handhabungstrick 2 (linke Hand) bedient werden.

Kahles-Variante Seitenturm links: Diese Sondervariante sollte
grds. mit Türmen in ccw-Drehrichtung ausgestattet sein

Bei ccw-Drehrichtung bedient die linke Hand die Türme,
dreht aber dennoch „zur Daumenspitze“. Das Resultat bleibt identisch,
da es eine Korrektur nach oben bzw. nach rechts bewirkt

Dieselbe Analogie wird beim Verstellen des Höhenturms angewandt:
Zur Daumenspitze hin ist gleich eine Korrektur in den positiven Bereich


Fazit
Wird eine ZF-bestückte Waffe lediglich zum Schießen auf einer 100-m- oder 300-m-Bahn genutzt, spielen Turmdrehrichtungen und Maßeinheiten der Rastung kaum eine Rolle. Die Waffe wird entsprechend der bekannten Distanz einjustiert. Seitenwind kann vernachlässigt werden. Jeder Schuss ist mehr oder weniger gleich.
Beim Schießen in der realen Welt allerdings muss der Schütze bzw. der Beobachter auf eine Vielzahl unbekannter und veränderlicher Faktoren reagieren. Distanz, Wind, Luftdruck und Spindrift bei weiten Schüssen. Die Voraussetzungen sind immer anders. Jeder Schuss wird einzigartig. Vor jeder Schussabgabe müssen Korrekturen an Höhen- und Seitenturm vorgenommen werden. Nicht selten unter Zeitdruck, nicht selten bei widrigen Witterungsverhältnissen in Form von Regen, Kälte, Schnee und Wind. Mitunter auch unter dem Einfluss von Kampfhandlungen. Für Überlegungen, in welche Richtung der Turm gedreht werden soll, ist dann kein Spielraum mehr. Einfache motorische Abläufe, die im besten Fall unseren Alltagsroutinen nahe kommen, begünstigen das Herbeiführen einer richtigen Entscheidung.

Mehr dazu in Waffenkultur Nr. 75