Dienstag, 27. Oktober 2020

Integriertes Trockentraining: Fünf zu eins

 

Trockentraining ist ein wichtiger Baustein im Gesamtkonzept der Schießausbildung. Mitunter wird es jedoch missverstanden und zu isoliert betrachtet und angewandt. Eine erfolgversprechende Methode beschreibt dieser Beitrag


Von Arne Mühlenkamp

Über Trockentraining wurde schon annähernd so viel publiziert, wie über die Steuergesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland. Anscheinend jeder hat etwas beizutragen; zielführend ist das wenigste davon.
Trockentraining ist zwar ein wertvoller Baustein im Schießausbildungskonzept, aber dennoch kein Allheilmittel. Neben einer Unter- oder Übergewichtung ist vor allem eine isolierte Betrachtung und Durchführung kontraproduktiv. Trockentraining muss daher integraler Bestandteil des Trainings sein.

Zweck und Ziel
Trockentraining soll durch eine hohe Wiederholungszahl die Nervenbahnen im Rückenmark konditionieren und einen bestimmten Bewegungsablauf ins Muskelgedächtnis implementieren. Strittig ist dabei, wie hoch die Wiederholungszahl sein muss, wie oft oder regelmäßig das Training erfolgen soll oder wie komplex der jeweilige Bewegungsablauf sein darf.
Richtig ist wohl, dass einfache Bewegungsabläufe regelmäßig ausgeführt zu einer schnellen und nachhaltigen Konditionierung führen. Wichtig ist, dass alle anderen Bewegungsabläufe, welche zu  abweichenden Systemen oder Lehrmeinungen gehören, weitgehend vermieden werden sollten.

 

Fünfmal trocken; einmal scharf: Die Methode des integrierten
Trockentrainings verbessert die Abzugskontrolle nachhaltig.
Die Entfernung zum Ziel sollte dabei so groß wie möglich gewählt werden
(Pat McNamara auf einem seiner TAPS-Kurse)


Fehler
Trockentraining ist weder Selbstzweck noch Bewegungstherapie. Der größte Fehler bei der Ausführung von Trockentraining, ist die unachtsame Ausführung von Trockentraining. Wird Trockentraining mental von der Abgabe des scharfen Schusses zu sehr entkoppelt, wirkt es kontraproduktiv. Bewegungsabläufe werden nicht mehr zielgerichtet ausgeführt, sie verwässern und enden in „Rumgehampel“. Falsche Bewegungsabläufe führen zu Trainingsnarben. Richtige Bewegungsabläufe, falsch ausgeführt führen zu Trainingsnarben. Eine Fehlkonditionierung ist die Folge. Es wäre besser gewesen, mit der Trainingseinheit nie begonnen zu haben.
Soll im Trockentraining gezielt die Abzugskontrolle geschult werden, ist es falsch, beim Abkrümmen das „Klick“ zu erwarten. Jedes Abkrümmen ist eine in sich geschlossene Trainingseinheit für den Abzugsfinger. Jeder Schuss wird so abgegeben, als wäre es der Schuss, auf den ankommt. Im Trockentraining sollte der Anwender immer den Schuss erwarten (und seine Trainingsumgebung entsprechend präpariert haben).

Professioneller Ansatz
Paul Howe, Schießausbilder und ehemaliger Delta Force Angehöriger, beschreibt in seinem Buch „The CSAT Way“ den Umfang von Trockentraining in militärischer Spezialausbildung. Bevor neue Delta Force Anwärter überhaupt den ersten scharfen Schuss abgegeben haben, wurde zwei Wochen lang mit täglich acht Stunden trocken geübt. Und das trotz der Tatsache, dass alle Aspiranten aus Special Forces- oder Ranger-Einheiten kommen und eine mehrjährige Dienstzeit inklusive intensiver Handwaffenausbildung durchlaufen haben.

Nur zehn Schuss
Der US-amerikanische Ausbilder Pat McNamara (ebenfalls ehemaliger Delta Force Angehöriger) war es, der die Frage aufwarf, wenn für eine Trainingseinheit nur zehn Schuss zur Verfügung stünden, welche Übungen solle man durchführen?
Die Selbstbeschränkung auf lediglich zehn Schuss führt zwangsläufig zu der Idee, jeden Schuss so abzugeben, als wäre es der Schuss, auf den es ankommt. Unterstützt wird diese Idee durch die Methode, vor jedem scharfen Schuss fünfmal trocken Abkrümmen. Was letztlich zu der Formel fünf zu eins führt, welche ebenso durch Paul Howe gelehrt wird. McNamara erläutert in seinem Schießkurs T.A.P.S., er würde eine möglichst große Entfernung zu einem möglichst kleinen Ziel wählen; bspw. 50 Yards auf ein Stahlziel der Größe 25 mal 30 Zentimeter. Nach fünfmal Trocken abschlagen wird die Pistole geladen und ein Schuss abgegeben. Das Ganze wiederholt sich insgesamt zehnmal, wobei sowohl beidhändig als auch einhändig rechts sowie links geübt werden sollte. Das Resultat ist ein reduzierter Munitionsverbrauch von zehn Schuss in einer hochintensiven Trainingssitzung. 


Auch Paul Howe von CSAT bildet in seinen Kursen die
Methode 5 zu 1 aus. Zu treffen ist dabei das innere Rechteck
der Scheibe mit 15 x 45 Zentimetern aus 25 Meter Entfernung


Mentale Einstellung
Trockentraining richtig angewandt, führt zu einer mentalen Anspannung, die kaum mehr als zehn bis 15 Minuten am Stück aufrechterhalten werden kann. Über dieses Zeitfenster hinausgehend schwindet die Konzentration, Bewegungsabläufe verwässern und Trockentraining erhält den eingangs erwähnten kontraproduktiven Effekt. Die so genannte Achtsamkeit ist der Schlüssel zum erfolgreichen Trockentraining. Gleichzeitig werden Aufmerksamkeitsregulation und Selbstgewahrsein geschult.

Trockentraining als Belohnung
Nach einem anstrengenden Arbeitstag kann die Zielsetzung sein, sich am Abend mit einer Trockentrainingseinheit zu belohnen. Idealerweise kann diese Sitzung zwischen 20 Uhr und 20.15 Uhr stattfinden. Man verzichtet dabei auf den Konsum von Die Tagesschau und verwandelt somit verschwendete Lebenszeit in Lebenszeit mit maximalem Nutzen.

Buchempfehlungen

The CSAT Way
von MSG Paul R. Howe (U.S. Army retired)

Taschenbuch: 285 Seiten
Verlag: Independently published (Mai 2020)
Sprache: Englisch
ISBN-13: 979-8645182236
Größe: 17,8 x 1,8 x 25,4 cm
Preis: ca. 29 Euro 





T.A.P.S. - Tactical Application of Practical Shooting
von Pat McNamara

Taschenbuch: 152 Seiten, 64 Abbildungen (schwarz/weiß)
Format: 13 x 20 cm
Verlag: iUniverse,  Ausgabe 2008
ISBN: 978-1440109591
Preis: etwa 17 Euro






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