Freitag, 18. Februar 2022

Kleine Abzugskunde: Double-Action Only Abzüge

 

In der waffentechnischen Entwicklung von Abzugssystemen nimmt der Double-Action Only (DAO) Abzug eine Sonderstellung ein. Welche Vor- oder Nachteile haben DAO-Pistolen? Sind sie als Gebrauchswaffen oder zur Selbstverteidigung geeignet? Können DAO-Abzüge die Lernkurve im Training steigern?

Der österreichische Entwickler Gaston Glock perfektionierte
in den 1970er Jahren das Schlagbolzenschloss mit seinem
Patent des Safe-Action® Abzug, was auch als teilvorgespannter
Double Action Only Abzug beschrieben werden kann


Schlagbolzenschloss
Das Schlagbolzenschloss kann beschrieben werden als ein Zündsystem, bei dem der Schlagbolzen ohne Einwirken eines außen (oder inne) liegenden Schlagstücks, sondern nur durch Federkraft seinen Weg gen Zündelement nimmt. Frühe Schlagbolzenschloss Systeme waren zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts insbesondere in den zahlreichen Taschenpistolen weit verbreitet. Die Schlagbolzenfeder wurde dabei durch die Repetierbewegung des Schlittens (Verschluss) gespannt. Die meisten Pistolen dieses Typs hatten zumindest eine manuelle Sicherung, die mit dem Daumen umgelegt werden musste. Einige Modelle, wie bspw. die FN1910, hatten zusätzlich noch eine Griffrückensicherung. Bei den Ortgies-Pistolen diente die Griffrückensicherung in Doppelfunktion als Griffspanner. Erst durch Eindrücken der Griffrückensicherung wurde die Schlagbolzenfeder fertiggespannt.

Die SIG Sauer P250 ist eine typische Double Action Only
Pistole mit einer hervorragenden Abzugscharakteristik


Single Action
Bei einem Single Action Abzugssystem wird der Schlagbolzen durch die Energiezufuhr eines meist außen liegenden Schlagstücks beschleunigt. Ist das Schlagstück in vorderer Position angekommen, muss es erneut gespannt werden, was bei Pistolen dieses Systems ebenfalls durch die Repetierbewegung des Schlittens geschieht. Eine typische Vertreterin ist das Pistolenmodell Colt M1911 A1.

Ein Schuss und zwei Schuss pro Sekunde sind problemlos machbar.
Erst bei vier Schuss pro Sekunde gerät der permanent lange Weg
des DAO Abzugs zum Nachteil


Double Action / Single Action
Das Abzugssystem DA/SA fand seit Ende des 19. Jahrhunderts im Revolverbau Anwendung. Beim Single Action Abzug muss der Abzugsfinger keine Kraft aufbringen, um das Schlagstück zu spannen. Er löst die im Schlagstück gespeicherte Energie nur aus. Beim Double Action System hingegen überwindet der Finger teils deutliche Federkraft, um das Abzugssystem zu spannen und in direkter Folge auch auszulösen. Weshalb man auch vom sog. Spannabzug spricht. Als Vorteile des Spannabzug Systems wird vor allem genannt, dass die Schlagbolzenfeder nicht permanent unter Spannung steht und es somit zu keiner ungewollten Schussabgabe durch eine herunter fallende Waffe kommen könne. Eine Vertreterin dieses Systems, die es buchstäblich zu Weltruhm gebracht hat, ist die Pistole Walther PP aus dem Jahr 1929. DA/SA Pistolen haben typischerweise ein außen liegendes Schlagstück. Diese Konstruktion bringt eine weitere Notwendigkeit mit sich. Die Pistole muss über einen Entspann-Mechanismus verfügen, der gewährleistet, dass ein gespanntes Schlagstück jederzeit gefahrlos zurück in seine Ruherast gebracht werden kann. Bei den meisten DA/SA Pistolen passiert das über eine Doppelfunktion des Sicherungsflügels. Pistolenmodelle des Herstellers SIG Sauer bspw. haben als zusätzliches Bedienelement einen sog. „Entspannhebel“. Verfügen DA/SA Pistolen über keine Entspann-Möglichkeit, wie z.B. die Modelle CZ75, gelten sie aus Anwendersicht als reine Single Action Pistolen.
Welche Variante auch gewählt wird, DA/SA Pistolen erfordern immer einen Mehraufwand in der Ausbildung. Die Waffen verfügen über zwei grundverschiedene Abzugscharakteristiken, die vom Bediener erlernt werden müssen. Ebenso muss das Bedienen des Entspann-Mechanismus geübt werden, das es auch in Stresssituationen sicher funktioniert.

Leichte Abzüge machen weder die Waffe
noch den Schützen präziser


Teilvorgespannte DAO
Teilvorgespannte Double Action Only Abzüge sind eine Sondervariante, die dennoch eine weite Verbreitung gefunden haben. Die Schlagbolzenfeder im inneren des Systems wird durch das Zurücklaufen des Schlittens bereits vorgespannt. Dieses teilvorgespannte System wird erst durch das Betätigen des Abzugs fertiggespannt. Der Abzugsfinger überwindet also Federkraft, bevor der Schuss ausgelöst werden kann; was per vorheriger Definition als Double Action System zu bewerten ist.
Die bekannteste Vertreterin dieser Kategorie ist die Glock Pistole aus dem Jahr 1980 mit ihrem patentierten Safe-Action® Abzug. Abzugscharakteristik und Abzugsgewicht sind bei jedem Schuss identisch. Der Abzugsweg, den der Finger zurücklegen muss, ist relativ gering. Die Pistole verfügt über keine zusätzlichen externen Bedienelemente, wie Sicherungsflügel oder Entspannhebel. Dennoch ist sie aufgrund ihrer drei internen Sicherungen eine sehr sichere Waffe. Die Glock Pistole fällt gleichermaßen in Kategorie „Schlagbolzenschloss“. Im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen vom Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts, ist das Schlagbolzenschloss jedoch weiterentwickelt und perfektioniert.

Die Standardübung 100-m-Simulation ist
auch mit schweren Abzügen zu erfüllen


DAO
Eine Sondervariante, die den Durchbruch im Pistolenbau nicht geschafft hat, ist der Double Action Only Abzug. Die Idee hinter dieser Konstruktion beruht auf einer Schwachstellenanalyse des DA/SA Abzugssystems: Um das Ausbilden von zwei grundverschiedene Abzugscharakteristiken zu vermeiden, werden DAO Pistolen nur mit einem Double Action Abzug ausgestattet. Das bedeutet, der Anwender überwindet bei jedem Schuss die maximale Federkraft des Spannabzugs und geht ebenfalls bei jedem Schuss den maximalen Abzugsweg und zwar bis zum Auslösen und wieder zurück. Eine typische Vertreterin ist die SIG P250 DAO.

Die Ortgies Pistole hatte, wie andere Pistolen ihrer Epoche
auch, vor einhundert Jahren schon ein Schlagbolzenschloss


Trainingseffekt
Abzüge, bei denen das Abzugsgewicht verringert wurde, machen weder die Waffe noch den Schützen präziser. Leichte Abzüge kaschieren lediglich einen vorhandenen Abzugsfehler, beseitigen ihn aber nicht.
Im Training regelmäßig Abzüge mit einem hohen Abzugswiderstand zu benutzen, führt hingegen zu mehr Konzentration auf das Abkrümmen, was der Entwicklung hin zu einer guten Abzugskontrolle eher dienlich ist. Testreihen beweisen, dass Standardübungen auch mit einem Abzugsgewicht von drei Kilogramm ohne Präzisionsverlust absolviert werden können.
Um diesen Trainingseffekt zu erreichen, können Glock-Schützen, zumindest zeitweise, einen New-York Trigger mit höherem Abzugsgewicht in ihre Glock Pistole einbauen.

Auch kleine Double Action Only Revolver können sinnvolle
Trainingsinstrumente zur Verbesserung der Abzugskontrolle
sein (Bild: Ruger LCR-22 in .22lfB)

Trotz kurzer Visierlinie, dem schweren DAO-Abzug und
minimaler Grifffläche des kleinen Taschenrevolvers,
ist der DotDrill relativ gut zu bewältigen


Fazit
Harte Abzüge sind ein hilfreiches Trainingstool für ambitionierte Pistolenschützen. Einige Trainingseinheiten mit einem deutlich schwereren Abzug zu bewältigen, schult die Abzugskontrolle, überwindet Trainingsnarben und kann letztlich zu einer Positiv-Konditionierung des Abzugsfingers führen. Wichtig ist dabei vor allem eine richtige und sorgfältige Durchführung der Trainingseinheiten. DAO-Abzüge sind daher auch eine Option für Gebrauchswaffen. Der einzige Nachteil liegt aufgrund des permanent längeren Abzugswegs bei schnellen Schussfolgen jenseits von zwei Schuss pro Sekunde.

Glock-Schützen können zumindest zeitweise einen New-York Trigger
mit höherem Abzugsgewicht in ihre Glock Pistole einbauen,
um einen höheren Trainingseffekt zu erreichen


Lernen auch mit schweren Abzügen 2 Treffer pro Sekunde anzubringen

Mehr dazu in „Die Waffenkultur“ Nr. 62

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