…oder wie präzise kann eine AK sein? Es kursieren die
wildesten Einschießkonzepte für das am weitesten verbreitete Sturmgewehr auf
dem Planeten. Dabei ist es doch so einfach – Die Waffenkultur zeigt wie es
geht.
Von Christian Väth
Wer als (Schieß-)Ausbilder tätig ist, hat auf täglicher
Basis mit Mythen, Halbwissen und vollkommenem Blödsinn zu tun. Das ist auch in
Ordnung so, denn dafür sind wir Ausbilder ja da – um Andere weiterzubringen.
Trotzdem ist es mitunter erschreckend mit welcher Überzeugung Begriffe,
Konzepte und vermeintliche Fakten zusammengedichtet werden. Dies ist vor allem
im Umgang mit der AK-Baureihe und all ihren Nachfolgekonstruktionen zu
beobachten.
Sind AK-Gewehre
ungenau?
Häufig wird eine Untersuchung der United States Army aus den
1980er-Jahren angeführt, bei der die Ersttrefferwahrscheinlichkeit zwischen den
Modellen AK-47, AK-74, M16A1 und M16A2 verglichen wurde. Die Ergebnisse: Bis
auf 300 Meter Entfernung liegen M16 bei 100, AK-74 bei 99 und AK-47 bei 94 Prozent.
Erst auf 500 Meter Entfernung zeigen sich deutliche Unterschiede: 90 (M16A2),
87 (M16A1), 81 (AK-74) und 67 Prozent (AK-47). AK-47 und M16A1 liegen also 20
Prozent auseinander. Das ist eine statistisch auffallende Größe. Wenn man weiß
wie im Heimatland von Kalaschnikow die Präzision von Gewehren definiert wird,
relativiert sich dieses Bild.
Erste Gruppe mit fünf Schuss (1, ein Ausreißer), zweite Gruppe mit drei Schuss (2) nach Kornverstellung. Ergebnis: Fleckschuss auf 23 Meter |
Eine Frage der
Sichtweise
Während im Westen beim Justieren von Waffen eine
Treffergruppe nach ihrer Ausdehnung zu allen Seiten (Ist die Gruppe gut?) und
der Nähe zum Haltepunkt (Liegt die Gruppe gut?) beurteilt wird, geht man im
Osten anders vor. Hier wird eine Gruppe geschossen (fünf bis zehn Schuss) und
bei der Trefferaufnahme die horizontale und vertikale Ausdehnung getrennt
markiert. Dazu werden ein Kreis um den höchsten und den niedrigsten, sowie ein
Kreis um den äußerst linken und rechten Treffer gezogen. Alle Treffer die nun
außerhalb der beiden Kreise liegen werden nicht weiter betrachtet. Von den
Treffern, die in den Kreisen liegen, wird nun nur die Hälfte verwendet. Mit der
Ausdehnung dieser Einschläge wurde nun der Streukreisradius (CEP – Circular
Error Probable) ermittelt. Dieser theoretische Wert war bei der Einführung
verschiedener AK-Varianten die Grundlage für die Erfüllung von
Präzisionskriterien. So erreichen AK-47-Typen üblicherweise auf 800 Meter
Zielentfernung einen Streukreisradius von 50 x 35 Zentimeter – was eine
Systemstreuung von etwa 0,6 Promille ergibt und ziemlich genau der
Leistungsfähigkeit des momentan im Dauertest befindlichen Oberland Arms Black
Label M4 nach hoher Schussbelastung entspricht. Da dies jedoch nur ein
theoretischer Wert ist, ist fast jedes AR-15 in der Realität präziser als AK-47
oder AKM. Das liegt aber nicht daran, dass man im Osten grundsätzlich ungenaue
Waffen fertigt, sondern die geforderte Präzision anders definiert wurde.
Ein mit zweckmäßiger Ausrüstung gefüllter Rucksack sollte der ständige Begleiter eines Gewehrschützen sein |
Die vaterländische
Methode
Das Einschießkonzept der Roten Armee gestaltete sich wie
folgt: Der Schütze befindet sich in 100 Meter Entfernung zum Ziel und stellt
seine Kimme auf die Marke „3“ (300 Meter) ein. Als Ziel dient ein schwarzes
Rechteck mit den Maßen 35 x 25 Zentimeter. Die relative Breite des Korns bei
einem Standardkorn entspricht exakt der Breite dieses Ziels auf dieser
Entfernung. Man lässt das schwarze Rechteck aufsitzen und schießt eine Gruppe.
Der mittlere Treffpunkt sollte bei 25 Zentimetern über der Unterkante des
Rechtecks liegen – so wird ein 300-Meter-Fleckschuss simuliert. Notwendige
Einstellungen werden mit einem entsprechenden Korndreher vorgenommen.
Grundsätzlich verlagert eine volle Umdrehung des Korns bei AK-Gewehren den
Treffpunkt auf 100 Meter um 20 Zentimeter. Im Zweifelsfall muss dieser Wert
durch Viertel-Umdrehungen (5 Zentimeter Verlagerung) und Trefferaufnahmen
überprüft werden. Das Gewehr kann nun unter Verstellung der Visiermarken auf
die jeweilige Entfernung mit dem Haltepunkt Zielmitte genutzt werden.
Die 23-Meter-Methode
Diese Methode ist sehr einfach: Um das Justieren flexibler
und im Ablauf schneller zu gestalten ist es möglich AK-Gewehre, analog zur
25-Meter-Methode bei AR-15-Gewehren, auf 23 Meter einzuschießen. Justierte
Waffen erzeugen bei einer Einstellung der Visierung auf Position „2“ (200
Meter) einen 23-Meter-Fleckschuss – Praktisch! Der Schütze positioniert sich
demnach in einer Entfernung von 23 Metern zum Ziel und schießt eine Gruppe auf
ein Punktziel (Hier kann ein normales CSAT-Ziel oder auch die Justierscheibe
der 25-Meter-Methode verwendet werden). Durch Verstellungen am Korn wird ein
Fleckschuss auf 23 Meter erzeugt. Es gelten alle Vorteile der 25-Meter-Methode
hinsichtlich Verfügbarkeit und Auswertung im Vergleich zur 100-Meter-Methode.
Der durchgehende
Visierbereich
Um nun einen durchgehenden Visierbereich zu erhalten stellt
man die Visierung auf die Position unterhalb der „1“ ein - je nach Variante ist
diese Position mit einem „P“, „N“, „S“ oder überhaupt nicht markiert, aber
immer vorhanden. Wurde die Justierung korrekt durchgeführt erzeugt die Waffe
mit dieser Einstellung einen Fleckschuss auf 18 Meter Entfernung. Der zweite
Schnittpunkt der Geschossflugbahn mit der Visierlinie liegt dann
munitionsabhängig zwischen 240 und 250 Metern. So wird bis zu diesem zweiten
Schnittpunkt ein maximaler Hochschuss von 17,8 Zentimetern erzeugt und auf 300
Meter ein Tiefschuss von 12,7 Zentimeter. Das Ergebnis ist ein durchgehender
Visierbereich (Definition: Maximale Abweichung um eine halbe Zielhöhe von 20
Zentimetern) bis auf 350 Meter Entfernung. Die Ersttrefferwahrscheinlichkeit
kann mit diesem Wissen noch etwas gesteigert werden, indem man bei bis zu 250
Meter entfernten Zielen das Ziel aufsitzen lässt und anschließend einen höheren
Haltepunkt wählt oder kleinere Ziele ganz verschwinden lässt.
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