Freitag, 3. August 2018

Messer von Ruike


Die Anforderungen an das Produkt Messer sind seit Jahrtausenden gleich und radikale Innovation damit selten. Wer sich auf dem Messermarkt etablieren will, muss daher seine Position in Sachen Preis-Leistung finden und dort besser sein als die unmittelbare Konkurrenz


Von Tobias Bold

Ruike ist die Messermarke des chinesischen Taschenlampenherstellers Fenix. Dieser ist längst eine feste Größe auf dem Markt und hat stark dazu beigetragen, das alte Vorurteil vom fernöstlichen Billigprodukt zu entkräften. Im Gegenteil liefert Fenix vergleichsweise günstige Lampen in hoher Qualität. Bei chinesischen Produkten sollte man also genau hinschauen, wer was produziert.
Das Unternehmen hinter dem Namen Ruike produziert seit etwa 20 Jahren als Zulieferer Messer für große und kleine Marken. Erfahrungswerte sind also längst vorhanden. Aber erst seit 2016 vertreibt Ruike Messer unter eigenem Namen. Zwei dieser Produkte haben wir uns angeschaut.



Messer (1): Hornet F815-J
Das Hornet F815-J ist ein zeitgemäßes Outdoor- und Jagdmesser in Vollerlkonstruktion. Am skelettierten Griff ist ein G10-Rahmen angebracht. Durch diese Bauweise bleibt das Messer mit 105 Gramm sehr leicht und liegt trotzdem in jeder Griffart gut in der Hand. Das Messer ist insgesamt 19 cm lang. Die Klinge misst 8,5 cm bei 3,5 mm Dicke. Mit diesen Abmessungen ist das F815-J groß genug für die allermeisten Aufgaben, ohne am Gürtel oder an der Ausrüstung zu stören.
Der relativ neue 14C28N-Stahl wurde explizit für die Messerherstellung entwickelt und hat sich schnell als starke Konkurrenz des im Messerbau weit verbreiteten 440C etabliert. Er ist vor Allem robust und leicht nachzuschärfen, bietet aber zugleich eine gute Rostträgheit. Ab Werk hat das Messer die sprichwörtliche Rasiermesserschärfe und holt z.B. mühelos Haare vom Unterarm.
Die mitgelieferte ABS-Scheide ist eher dick dimensioniert und somit sehr verwindungssteif. Positiv hervorzuheben ist vor Allem die Gürtelhalterung. Diese ist in mehreren Schritten drehbar, wobei auch geneigte Positionen verfügbar sind. So kann jede gewünschte Trageposition eingestellt werden. Zur Justierung muss die Scheide nicht vom Gürtel genommen werden. Die Scheide passt an Gürtel bis zu vier Zentimeter Breite. Eine Anbringung an Molle-Schlaufen ist im Urzustand nicht möglich; für ein Tragen am Rucksack müssen z.B. Bauch- oder Brustgurt sowie Kompressionsriemen herhalten.
Als feststehendes Messer mit weniger als 12 cm Klingenlänge ist das F815-J nach aktuellem deutschem Waffenrecht unproblematisch. Es kostet im Handel um die 50 Euro.







Messer (2): Criterion L51-G
Beim Criterion L51-G handelt es sich um ein großes Taschenmesser mit einer Vielzahl von Funktionen. Angesichts der Größe und der Features kann man es als Bindeglied zwischen einem Schweizer Offiziersmesser und einem Multitool betrachten.
Geschlossen ist das Messer elf Zentimeter lang. Die Klinge hat eine Länge von 8,5 cm und ist drei Millimeter dick.
In dieser Version verriegelt die Klinge nicht. Es gibt allerdings eine ansonsten baugleiche Variante mit Liner Lock.



Das L51-G wiegt satte 244 Gramm. Es verfügt zwar über einen Clip, ist mit seinen Dimensionen aber in einer Gürteltasche oder im Rucksack besser aufgehoben als in der Hosentasche.
Im Vergleich mit dem klassischen Schweizer Messer hat das L51-G nur eine Funktion nicht: Den Zahnstocher. Dafür bietet es zusätzlich u.a. einen Kreuzschlitz-Schraubendreher und eine kleine Zange. Letztere ist nach Ansicht des Autors oft der einzige gute Grund, ein Multitool anstelle eines Schweizer Messers zu nutzen. Konstruktionsbedingt kann man mit der Zange des L51-G nicht ganz so viel Kraft aufbringen wie mit der klassischen Multitool-Zange. Andererseits stößt auch letztere oft genug an ihre Grenzen. Beide bleiben ein Notbehelf für kleinere Aufgaben.
Die oft genutzten Werkzeuge sind am L51-G besser konzipiert als am Schweizer Messer. So ist die größere Klinge auch für gröbere Arbeiten geeignet. 



Die Schere und die Zange stehen nur voll ausgeklappt unter Federspannung und werden entlastet, sobald sie ein Stückchen eingeklappt werden. Der bewegliche Arm der Schere schwenkt nach außen statt nach innen und wird von der entlasteten Feder sogar geschlossen gehalten. Somit passiert es anders als beim Schweizer Messer nicht, dass der bewegliche Arm versehentlich ausschwenkt und das Zuklappen blockiert. Die Scherenfeder liegt flach am starren Scherenarm an und kann damit nie am beweglichen Arm vorbei rutschen - auch das kommt beim Schweizer Messer manchmal vor.
Die Pinzette ist deutlich größer dimensioniert als beim Schweizer Messer. Durch den deutlicheren Knick am Ende kann mehr Kraft aufgewendet werden und die weitere Öffnung macht das Reinigen einfacher.
Der Glasbrecher funktioniert einwandfrei (was nach eigener Erfahrung des Autors auch bei namhaften Herstellern nicht so selbstverständlich ist, wie man meinen sollte) und profitiert vom hohen Gewicht des Messers.



Das L51-G ist gewichtsmäßig auf dem Niveau größerer Multitools und bietet ähnlich viele Funktionen. Zugleich ist es je nach Vergleichsmodell wesentlich günstiger und etwas weniger umständlich in der Handhabung. Bis auf den Korkenzieher befinden sich nämlich alle Werkzeuge auf einer Seite. Auch wenn man für den Kreuzschraubendreher und die Ahle zunächst andere Werkzeuge ausklappen muss, ist das für den Autor immer noch dankbarer als das mehrfache Hin- und Herklappen nicht benötigter Funktionen bei den meisten Multitools.
Die Klinge des L51-G besteht aus dem bewährten 12C27-Stahl und kommt auffallend scharf vom Hersteller. Die Griffschalen sind aus G10 gefertigt.
Das L51-G mit nicht verriegelnder Klinge fällt nicht unter das Führverbot nach §42a WaffG.
Die mit Liner Lock verriegelnde Variante ist dagegen vom §42a WaffG erfasst und damit auf den verschlossenen Transport im Rucksack o.Ä. beschränkt, wenn man sich nicht auf die schwammige Ausnahmeregelung verlassen will. Der Preis beträgt ca. 60 Euro.

Fazit
Bei einem feststehenden Messer ist der Spielraum für Innovation klein. Am Messer selbst kann man als Hersteller nur durch hohe Verarbeitungsqualität punkten. Das schafft Ruike mit dem F815-J und bietet zusätzlich bei der Scheide eine clevere Variante für die Positionierung.
Was Ruike kann, zeigt sich vor Allem beim Criterion L51-G. Hier treffen sich sinnvolle Verbesserungen traditioneller Ansätze und handwerklich saubere Produktion.
Beide Messer sind angesichts der Qualität preisgünstig, das Criterion L51-G angesichts seiner Position zwischen Schweizer Messer und richtigem Multitool sogar ein Schnäppchen. Es lohnt sich also, Ruike in den nächsten Jahren weiter auf dem Schirm zu haben.

Service


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