Die Anforderungen an das Produkt Messer sind seit
Jahrtausenden gleich und radikale Innovation damit selten. Wer sich auf dem
Messermarkt etablieren will, muss daher seine Position in Sachen Preis-Leistung
finden und dort besser sein als die unmittelbare Konkurrenz
Von Tobias Bold
Ruike ist die Messermarke des chinesischen
Taschenlampenherstellers Fenix. Dieser ist längst eine feste Größe auf dem
Markt und hat stark dazu beigetragen, das alte Vorurteil vom fernöstlichen
Billigprodukt zu entkräften. Im Gegenteil liefert Fenix vergleichsweise
günstige Lampen in hoher Qualität. Bei chinesischen Produkten sollte man also
genau hinschauen, wer was produziert.
Das Unternehmen hinter dem Namen Ruike produziert seit etwa
20 Jahren als Zulieferer Messer für große und kleine Marken. Erfahrungswerte
sind also längst vorhanden. Aber erst seit 2016 vertreibt Ruike Messer unter
eigenem Namen. Zwei dieser Produkte haben wir uns angeschaut.
Messer (1): Hornet
F815-J
Das Hornet F815-J ist ein zeitgemäßes Outdoor- und
Jagdmesser in Vollerlkonstruktion. Am skelettierten Griff ist ein G10-Rahmen
angebracht. Durch diese Bauweise bleibt das Messer mit 105 Gramm sehr leicht
und liegt trotzdem in jeder Griffart gut in der Hand. Das Messer ist insgesamt
19 cm lang. Die Klinge misst 8,5 cm bei 3,5 mm Dicke. Mit diesen Abmessungen
ist das F815-J groß genug für die allermeisten Aufgaben, ohne am Gürtel oder an
der Ausrüstung zu stören.
Der relativ neue 14C28N-Stahl wurde explizit für die
Messerherstellung entwickelt und hat sich schnell als starke Konkurrenz des im
Messerbau weit verbreiteten 440C etabliert. Er ist vor Allem robust und leicht
nachzuschärfen, bietet aber zugleich eine gute Rostträgheit. Ab Werk hat das
Messer die sprichwörtliche Rasiermesserschärfe und holt z.B. mühelos Haare vom
Unterarm.
Die mitgelieferte ABS-Scheide ist eher dick dimensioniert
und somit sehr verwindungssteif. Positiv hervorzuheben ist vor Allem die
Gürtelhalterung. Diese ist in mehreren Schritten drehbar, wobei auch geneigte Positionen
verfügbar sind. So kann jede gewünschte Trageposition eingestellt werden. Zur
Justierung muss die Scheide nicht vom Gürtel genommen werden. Die Scheide passt
an Gürtel bis zu vier Zentimeter Breite. Eine Anbringung an Molle-Schlaufen ist
im Urzustand nicht möglich; für ein Tragen am Rucksack müssen z.B. Bauch- oder
Brustgurt sowie Kompressionsriemen herhalten.
Als feststehendes Messer mit weniger als 12 cm Klingenlänge
ist das F815-J nach aktuellem deutschem Waffenrecht unproblematisch. Es kostet
im Handel um die 50 Euro.
Messer (2): Criterion
L51-G
Beim Criterion L51-G handelt es sich um ein großes
Taschenmesser mit einer Vielzahl von Funktionen. Angesichts der Größe und der
Features kann man es als Bindeglied zwischen einem Schweizer Offiziersmesser und
einem Multitool betrachten.
Geschlossen ist das Messer elf Zentimeter lang. Die Klinge
hat eine Länge von 8,5 cm und ist drei Millimeter dick.
In dieser Version verriegelt die Klinge nicht. Es gibt
allerdings eine ansonsten baugleiche Variante mit Liner Lock.
Das L51-G wiegt satte 244 Gramm. Es verfügt zwar über einen
Clip, ist mit seinen Dimensionen aber in einer Gürteltasche oder im Rucksack
besser aufgehoben als in der Hosentasche.
Im Vergleich mit dem klassischen Schweizer Messer hat das
L51-G nur eine Funktion nicht: Den Zahnstocher. Dafür bietet es zusätzlich u.a.
einen Kreuzschlitz-Schraubendreher und eine kleine Zange. Letztere ist nach
Ansicht des Autors oft der einzige gute Grund, ein Multitool anstelle eines
Schweizer Messers zu nutzen. Konstruktionsbedingt kann man mit der Zange des
L51-G nicht ganz so viel Kraft aufbringen wie mit der klassischen
Multitool-Zange. Andererseits stößt auch letztere oft genug an ihre Grenzen. Beide
bleiben ein Notbehelf für kleinere Aufgaben.
Die oft genutzten Werkzeuge sind am L51-G besser konzipiert
als am Schweizer Messer. So ist die größere Klinge auch für gröbere Arbeiten
geeignet.
Die Schere und die Zange stehen nur voll ausgeklappt unter
Federspannung und werden entlastet, sobald sie ein Stückchen eingeklappt
werden. Der bewegliche Arm der Schere schwenkt nach außen statt nach innen und
wird von der entlasteten Feder sogar geschlossen gehalten. Somit passiert es
anders als beim Schweizer Messer nicht, dass der bewegliche Arm versehentlich
ausschwenkt und das Zuklappen blockiert. Die Scherenfeder liegt flach am
starren Scherenarm an und kann damit nie am beweglichen Arm vorbei rutschen -
auch das kommt beim Schweizer Messer manchmal vor.
Die Pinzette ist deutlich größer dimensioniert als beim
Schweizer Messer. Durch den deutlicheren Knick am Ende kann mehr Kraft
aufgewendet werden und die weitere Öffnung macht das Reinigen einfacher.
Der Glasbrecher funktioniert einwandfrei (was nach eigener
Erfahrung des Autors auch bei namhaften Herstellern nicht so selbstverständlich
ist, wie man meinen sollte) und profitiert vom hohen Gewicht des Messers.
Das L51-G ist gewichtsmäßig auf dem Niveau größerer
Multitools und bietet ähnlich viele Funktionen. Zugleich ist es je nach
Vergleichsmodell wesentlich günstiger und etwas weniger umständlich in der
Handhabung. Bis auf den Korkenzieher befinden sich nämlich alle Werkzeuge auf
einer Seite. Auch wenn man für den Kreuzschraubendreher und die Ahle zunächst
andere Werkzeuge ausklappen muss, ist das für den Autor immer noch dankbarer
als das mehrfache Hin- und Herklappen nicht benötigter Funktionen bei den
meisten Multitools.
Die Klinge des L51-G besteht aus dem bewährten 12C27-Stahl
und kommt auffallend scharf vom Hersteller. Die Griffschalen sind aus G10
gefertigt.
Das L51-G mit nicht verriegelnder Klinge fällt nicht unter
das Führverbot nach §42a WaffG.
Die mit Liner Lock verriegelnde Variante ist dagegen vom
§42a WaffG erfasst und damit auf den verschlossenen Transport im Rucksack o.Ä.
beschränkt, wenn man sich nicht auf die schwammige Ausnahmeregelung verlassen
will. Der Preis beträgt ca. 60 Euro.
Fazit
Bei einem feststehenden Messer ist der Spielraum für
Innovation klein. Am Messer selbst kann man als Hersteller nur durch hohe
Verarbeitungsqualität punkten. Das schafft Ruike mit dem F815-J und bietet
zusätzlich bei der Scheide eine clevere Variante für die Positionierung.
Was Ruike kann, zeigt sich vor Allem beim Criterion L51-G.
Hier treffen sich sinnvolle Verbesserungen traditioneller Ansätze und
handwerklich saubere Produktion.
Beide Messer sind angesichts der Qualität preisgünstig, das
Criterion L51-G angesichts seiner Position zwischen Schweizer Messer und
richtigem Multitool sogar ein Schnäppchen. Es lohnt sich also, Ruike in den
nächsten Jahren weiter auf dem Schirm zu haben.
Service
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