Samstag, 20. Juni 2020

Aimpoint ACRO P-1


Keine andere Aimpoint-Optik hat bei ihrer Vorstellung mehr Online-Diskussionen ausgelöst als das ACRO P-1. Vielen Betrachtern schien das Leuchtpunktvisier auf den ersten Fotos zu groß und zu klobig. Waffenkultur hat das ACRO P-1 mit einem Klassiker unter den kleinen Leuchtpunktvisieren verglichen

Von Tobias Bold

Die zwei großen Kategorien von Leuchtpunktvisieren sind offene und geschlossene Konstruktionen. Bei den offenen Visieren wird der Leuchtpunkt durchs Freie projiziert. Jedes Hindernis zwischen Emitter und Linse verhindert also, dass der Leuchtpunkt störungsfrei gesehen werden kann. Dies betrifft vor allem Wassertropfen, Schneeflocken u.Ä., die direkt auf den Emitter fallen und dort hängen bleiben. Meist sind die Emitter etwas im Gehäuse zurückgesetzt, um die Exposition zu reduzieren. Das verhindert allerdings auch, dass man sie zur Beseitigung von Störeinflüssen gut erreicht. Die Vorteile dieser Bauweise sind geringes Gewicht und Volumen.
Bei geschlossenen Konstruktionen liegt die Projektionsstrecke innerhalb des Gehäuses. Damit ist sie vor störenden Einwirkungen weitestgehend geschützt. Dies erkauft man mit höherem Gewicht und größerem Volumen.

Aimpoint ACRO P-1 (Foto: Hersteller)


Üblicherweise werden für die Direktmontage auf einem Kurzwaffenschlitten offene Konstruktionen verwendet. Für diese Anwendung kommt es auf geringes Volumen an, um die Silhouette der Waffe nicht übermäßig zu vergrößern. Ein geringes Gewicht hilft dabei, die Belastung des Leuchtpunktvisieres (LPV) gering zu halten. Denn bei der Bewegung eines Kurzwaffenschlittens im Schuss wirken große Kräfte auf das Visier ein.
Geschlossene Leuchtpunktvisiere finden mehrheitlich auf Langwaffen Verwendung, wo ein etwas größeres Gewicht und Volumen nicht von entscheidender Bedeutung sind.
Das ACRO (Advanced Compact Reflex Optic) P-1 soll als geschlossenes Visier leicht und klein genug sein, um auch, aber nicht nur, auf Kurzwaffen verwendet werden zu können.
Für eine Einschätzung der Funktionalität sollte also ein Vergleich sowohl mit offenen Leuchtpunktvisierungen für Kurzwaffen als auch mit anderen geschlossenen Optiken für die Verwendung auf Langwaffen erfolgen. 

Aimpoint ACRO P-1 (Foto: Hersteller)


Technik
Das ACRO P-1 ist 47 Millimeter lang und mit Batterie 60 Gramm schwer. Höhe und Breite betragen jeweils 30 Millimeter. Das Sichtfenster hat 16 Millimeter Kantenlänge in Seite und Höhe mit abgerundeten Ecken. Aufgrund der massiven Konstruktion gibt es also einen deutlich breiteren Rand um das Sichtfeld als etwa bei dem weit verbreiteten Noblex Sight (zuvor als Docter Sight vermarktet). Ebenfalls aus Robustheitsgründen sind vorne und hinten zusätzliche Schutzlinsen verbaut. Diese können bei Beschädigung herstellerseitig ersetzt werden.
Die Justierung erfolgt mit dem typischen Aimpoint-Werkzeug. Seiten- und Höhenverstellung liegen plan im Gehäuse und sind nicht durch Schutzkappen oder Ähnliches verdeckt. Ein Klick verstellt den Treffpunkt um 17 Millimeter auf 100 Meter. Die einzelnen Klicks sind eher weich, aber noch spürbar. Es gibt nur eine Leuchtpunktgröße: 3,5 MOA.
Nach Erfahrung des Autors ist diese Größe auch für die Verwendung auf Kurzwaffen geeignet. Sechs oder sieben MOA große Leuchtpunkte verdecken auf größere Entfernung schnell zu große Teile des Ziels. Umgekehrt kann ein kleiner Leuchtpunkt bei Bedarf mit manueller Helligkeitseinstellung "größer" gemacht werden.

Das ACRO P-1 sitzt mit einem massiven Querbalken auf dem MOS-Adapter, wo andere Leuchtpunktvisiere mit eher filigranen Schrauben montiert werden


Helligkeitsstufen
Das P-1 verfügt über zehn Helligkeitsstufen, vier davon für die Verwendung mit Nachtsichtgeräten.
Die Helligkeit wird auf der linken Gehäuseseite über zwei weiche Tasten eingestellt. Diese arbeiten lautlos und sind gerade groß genug, um auch mit Schießhandschuhen gut bedienbar zu sein. Hält man die Minus-Taste zwei bis drei Sekunden gedrückt, schaltet sich das P-1 ab. Ein Druck auf die Plus- oder Minus-Taste aktiviert das Visier auf Leuchtstufe 7 unabhängig von der vor dem Abschalten eingestellten Helligkeit.

Je nach Montage beginnt das Sichtfenster des Noblex Sight höher über der Waffe und es ragt insgesamt höher über die Schiene als das ACRO P-1


Energieversorgung
Das Batteriefach befindet sich auf der rechten Gehäuseseite, sodass die Visierung nach dem Batteriewechsel nicht neu angeschossen werden muss. Sobald die Batterieleistung nachlässt, regelt das Visier die Helligkeit herunter und lässt sich nicht mehr höher stellen. So ist die abnehmende Batterieleistung erkennbar und es kann rechtzeitig ein Batteriewechsel erfolgen. Die Lebensdauer der CR1225-Batterie wird mit anderthalb Jahren auf Leuchtstufe 6 und mehr als sechs Monaten auf Stufe 7 angegeben. Die höheren Stufen bieten entsprechend kürzere Laufzeiten.
Das ist deutlich weniger als von Aimpoint gewohnt und kürzer als die typische Laufzeit eines Noblex-Visieres. Allerdings ist dieser Vergleich nur bedingt fair, weil das Noblex Sight eine automatische Helligkeitsanpassung hat - mit dem Nachteil, dass bei ungünstiger Lichtkonstellation gar keine oder mit dem Noblex Sight III zumindest keine zeitnahe Feinjustierung erfolgen kann.
Die vergleichsweise kurze Batterielebensdauer ist der kompakten CR1225 geschuldet, die lediglich ein Viertel der Kapazität einer CR2032 hat, wie sie in vielen offenen Leuchtpunktvisieren verwendet wird. Dieser Kompromiss war notwendig, um die Abmessungen trotz der robusten Bauweise möglichst klein zu halten.
Das Visier ist bis zu einer Tiefe von 25 Meter wasserdicht. Als Montage sind sowohl Quick-Release-Picatinny-Adapter in verschiedenen Höhen als auch Adapter für die gängigen Pistolen mit Optikvorbereitung verfügbar.
Analog zu den Micro-Visieren ist das ACRO P-1 die Behördenversion. Die "Zivilversion" C-1 hat zwei Nachtsicht- und acht reguläre Helligkeitsstufen. Sie ist nur bis fünf Meter wasserdicht und etwas günstiger als das P-1.

Je nach Montage beginnt das Sichtfenster des Noblex Sight höher über der Waffe und es ragt insgesamt höher über die Schiene als das ACRO P-1


Praxis
Die vermutete Klobigkeit des ACRO P-1 stellt sich in der tatsächlichen Handhabung als Fehleindruck heraus. Das P-1 ist nicht wesentlich breiter oder höher als z.B. ein Noblex Sight. Es wirkt nur deutlich größer, weil es den Raum mit Material umschließt, den eine offene Konstruktion ebenfalls für die Funktion benötigt, aber nicht umbaut.
Ein großer Vorteil dieser geschlossenen Bauweise ist die bessere Wahrnehmung der Blickachse durch die Optik. Auch ohne hohe Eisenvisierung lässt sich mit einem ACRO P-1 der Leuchtpunkt leicht finden - eine spürbare Verbesserung gegenüber offenen Konstruktionen.
Die Bedienung über die beiden Seitentasten ist genauso intuitiv, wie die Drehregler von Micro T-1 oder Comp M5. Das Sichtfenster ist angenehm groß und die Linsen sind durch die eckige Bauweise leichter zu reinigen als bei den Comp- oder Micro-Modellen.
Die rein manuelle Helligkeitseinstellung ist wie immer Fluch und Segen zugleich: Einerseits kann auf ungünstige Lichtverhältnisse passend reagiert werden. Andererseits besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, in Standardsituationen nicht direkt eine nutzbare Helligkeit eingestellt zu haben.
Nach diesem insgesamt positiven Ersteindruck geht das ACRO P-1 in den Langzeittest.

Beim ACRO P-1 sitzt der Großteil der Technik seitlich im Visier statt unter der Linse. Das erlaubt trotz schützendem Rahmen einen tiefen Sitz auf der Montage


Fazit
Braucht man bestmöglichen Wetterschutz für Linsen und Justierung, ist ein voll ausgestattetes Comp- oder Micro-Modell die bessere Wahl aus der Aimpoint-Palette. Wer dagegen ein möglichst leichtes und kompaktes, geschlossenes Leuchtpunktvisier für einen breiten Verwendungsbereich sucht, ist beim ACRO P-1 an der richtigen Adresse.
Das kleine ACRO-Visier gehört auch zu den für Aimpoint-Verhältnisse preiswerteren: Das P-1 hat eine UVP von 615 Euro, das C-1 529 Euro.

Das ACRO P-1 ist weniger als halb so lang wie das Comp M5 und wiegt etwa ein Drittel bei vergleichbarem Sichtfenster (18 Millimeter Durchmesser beim M5, 16 Millimeter Kantenlänge beim ACRO)


Technische Daten
Hersteller: Aimpoint
Modell: ACRO P-1
Absehen: 3,5 MOA Leuchtpunkt
L x H x B: 47 x 30 x 30 Millimeter
Gewicht ohne Montage: 60 Gramm
Klickverstellung: 17 Millimeter auf 100 Meter
Energieversorgung: CR1225
Batterielaufzeit: 18 Monate bei Stufe 6
Preis: 615 Euro


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