Im Zuge der SHOT 2023 fanden auch neue Patronen oder Laborierungen den Weg an die Öffentlichkeit. Einige haben Verwendungszwecke, die ausschließlich für den US-Markt typisch sind. Andere könnten über kurz oder lang auch nach Europa und Deutschland kommen. Wir geben eine Übersicht
Von Arne Mühlenkamp
Straight-wall Patronen sind in einigen US-Bundesstaaten zur Jagd auf Rotwild gesetzlich vorgeschrieben. Die 360 Buckhammer von Remington ist das neuste Kind dieser Patronenfamilie (Foto: Hersteller) |
Remington 360 Buckhammer
Das Kaliber 360 Buckhammer gehört zu einer Munitionskategorie, die aufgrund von Besonderheiten im Jagdgesetz einzelner US-Bundesstaaten nur in den USA selbst eine nennenswerte Verbreitung finden wird.
Für die Jagd auf Rotwild ist in den USA staatenweise Gewehrmunition vorgeschrieben, die eine zylindrische Hülse hat; eine sog. Straight-wall Cartridge. In einigen Staaten der Ostküste war sogar lange Zeit die Verwendung von Flintenlaufgeschossen ausschließlich vorgeschrieben, um die Reichweite des Projektils bei etwaigen Fehlschüssen zu reduzieren. Staaten wie Ohio, Indiana, Iowa, and Michigan erlauben zwar Gewehrmunition, die darf für Jagd auf Rotwild aber keine Hülse mit einer Schulter haben. Typische Jagdkaliber sind unter dieser Gesetzeslage die .444 Marlin, .450 Marlin und die .45/70 Government, welche wiederum vorzugsweise aus Lever Action Gewehren verschossen werden. Um eine taugliche Jagdlaborierung auch aus AR-15 Gewehren nutzen zu können, wurde vor einigen Jahren (etwa 2007) die Patrone .450 Bushmaster konstruiert.
Das jüngste Kind dieser Straight-wall Patronenfamilie ist die 360 Buckhammer von Remington. Nach Herstellerangaben vereint die Patrone alle Vorzüge bekannter Straight-wall ohne deren Nachteile aufzuweisen. Das .358-Projektil wiegt entweder 180 gr oder 200 gr und verlässt den Lauf mit einer Mündungsgeschwindigkeit etwa 730 Meter pro Sekunde. Es besitzt eine relativ flache Flugbahn. Die Einsatzdistanz sieht Remington bei etwa zweihundert Yards. Zum Zeitpunkt gibt es mindestens vier Gewehrmodelle des Herstellers Henry Repeating Arms, die für das neue Kaliber eingerichtet sind. Alle, mit einer Ausnahme, sind Lever Action Modelle. Die Ausnahme bildet ein Einzellader-Modell, das wiederum spezifischen Jagdgesetzen auf Bundesstaatenebene genügt.
Remington 360 Buckhammer (Foto: Hersteller) |
Speer reagiert mit dem 135-gr-Gold-Dot Geschoss auf die höheren Geschwindigkeiten aus den längeren Läufen der AR-15 Carbine Modelle (Foto: Hersteller) |
Speer Gold Dot Carbine
Die Gold-Dot-Projektile des US-Herstellers Speer haben wegen ihrer hohen Deformationsbereitschaft einen ausgezeichneten Ruf im Segment der Verteidigungsmunition für Kurzwaffen. Erst zu Beginn 2023 schloss Frankreich einen Vierjahresvertrag über die Lieferung von insgesamt zwanzig Millionen Schuss 9-mm-Munition ab. Französische Polizei, Gendarmerie, Zoll und Strafvollzug werden ab sofort mit Speer 124-gr-Gold-Dot Munition ausgerüstet.
Die zunehmende Verbreitung, insbesondere in den USA, von AR-15 Modellen im Kaliber 9mm Luger, veranlasste den Munitionshersteller aus Idaho zu einer Weiterentwicklung seiner 9mm Speer Gold Dot Serie. Die höheren Anfangsgeschwindigkeiten, die aus den längeren Carbine-Läufen entstehen, haben Einfluss auf das Deformationsverhalten der Projektile. Eine Geschosskonstruktion, die aus einem kürzeren Pistolenlauf eine optimale Zielballistik aufweist, kann aus einem längeren Lauf und einer höheren Vo drastisch an Wirkung verlieren. Speer reagiert mit einer Patrone, die ein 135-gr-Geschoss trägt. Die Laborierung heißt Gold Dot Carbine und soll nach Herstellerangaben sowohl beim Beschuss auf reine Gelatine als auch nach dem Durchdringen stärkerer Kleidungsschichten die gleiche zielballistische Wirkung haben.
Die neue OverWatch® Munitionslinie vom US-Hersteller Liberty Ammunition (Foto: Hersteller) |
Liberty Ammunition OverWatch
In den vergangenen Jahren haben immer mehr US-Bundesstaaten die Gesetzgebung zum verdeckten Führen von Kurzwaffen erleichtert. Das beschert nicht nur Waffenherstellern steigende Umsätze, sondern auch Munitionshersteller profitieren vom Concealed-Carry Boom. Mitunter entwickelt sich ein Markt so stark, dass auch neue Hersteller sehr gut Fuß fassen können.
Liberty Ammunition aus Florida beschreitet bei der Konstruktion von Hohlspitzgeschossen einen grundlegend anderen Weg, als andere Hersteller. In der Energieformel mv² ist Geschwindigkeit der exponentielle Faktor. Liberty Ammunition versorgt seine Projektile daher mit wesentlich mehr Vortrieb. Anfangsgeschwindigkeiten von 620 Meter pro Sekunde und mehr als 600 Joule Mündungsenergie im Kaliber 9mm Luger sind dabei keine Seltenheit. Erreicht werden diese Werte mit sehr leichten Geschossgewichten von teilweise 50 gr. Beschussversuche in ballistischer Gelatine zeigen beeindruckende Resultate. In der sog. Civil Defense Ultra-Lights Serie sind alle gängigen Kurzwaffenkaliber von .380 Auto bis 10mm Auto erhältlich; sowie die Langwaffenkaliber .223 Rem und die 300 Blackout. Im Kaliber 10mm Auto erreicht das 60-gr-Geschoss beachtliche 730 Meter pro Sekunde und mehr als eintausend Joule Mündungsenergie.
In 2023 wird es neben der Ultra-Lights Linie die neue OverWatch-Linie geben. Die Anfangsgeschwindigkeiten der Liberty Ammo OverWatch-Projektile werden im Schnitt um achtzig Prozent höher liegen, als bei vergleichbarer Selbstverteidigungsmunition. Die zielballistische Wirkung wurde gem. Herstellerangaben nochmals gesteigert. Vorerst wird die OverWatch-Linie die Kaliber 9mm Luger, .45 ACP, .357 Magnum, 10mm Auto, .223 Rem und 300 Blackout umfassen. Die Munitionsreihe ist am nickelfarbigen Projektil und der schwarzen Hülse zu erkennen.
Für Kurzwaffenmunition ergibt sich eine beeindruckende Terminalballistik (Foto: Hersteller) |
CCI Clean-22 Hyper Velocity
Kleinkaliber-Randfeuerpatronen mit polymerbeschichteten Geschossen gibt es schon seit einigen Jahren. Das hat für Anwender mit hohen Verbräuchen vor allem zwei Vorteile: Einer nachweislich gesundheitsschädigenden Bleiemission kann vorgebeugt werden und die deutlich geringere Bleiablagerung im Lauf erweitert notwendige Putzintervalle bei verminderter Putzintensität.
Neu an der Hyper Velocity von CCI ist im Gegensatz zur High Velocity desselben Herstellers das 31-gr-Geschoss (anstatt der 40 gr), was zu einer Anfangsgeschwindigkeit von 470 Meter pro Sekunde führt.
Hyper Velocity: polymerbeschichtetes 31-gr-Geschoss mit 470 Meter pro Sekunde Vo (Foto: Hersteller) |
(Foto: Hersteller) |
Hornady 7 mm PRC
Es gibt immer eine Lücke. In der Welt der Munitionssorten muss man sie nur finden. Branchenprimus Hornady findet diese Lücke zwischen der 6.5PRC und der 300PRC. Mit dem Design der Kaliberserie der Precision Rifle Cartridge (PRC) vor etwa zehn Jahren erlebte die Welt der Long Range Schützen eine Zeitenwende. Erstmals wurden auf Grundlage sowohl wissenschaftlicher als auch praktischer Erfahrungen Patronen explizit für den Einsatz über weite Distanzen konzipiert. Das erste Kind dieser Serie war die 6.5PRC (2013/2018), die vornehmlich unter Wettkampfbedingungen eingesetzt wurde. Die 300PRC folgte in 2018/2019 und sollte vorwiegend zur Jagd auf 4-beinige oder 2-beinige Beute eingesetzt werden. Schnell zeigte sich die Austauschbarkeit beider Kaliber in der jeweiligen Rolle. Um Spannung aus der Debatte, welche Patrone die bessere sei, zu nehmen und Langdistanzgrabenkämpfe zu vermeiden, entschied sich Hornady zur Markteinführung eines Mittelwegs: Die 7 mm PRC stellt nach Herstellerangaben die ideale Mehrzweck Long-Range-Patrone dar. Mit der Ersteinführung wird die neue PRC-Ladung in drei verschiedenen Laborierungen kommen: Als 175 gr Precision Hunter, einer 180 gr Match Ladung und einer 160 gr so genannten CX Outfitter Ladung. Die ersten Hersteller bieten bereits Gewehre für 7 mm PRC an, bspw. die auf der SHOT neu vorgestellte Mossberg Patriot Predator™.
Die Anfangsgeschwindigkeit soll bei etwa 910 Meter pro Sekunde liegen. Die Restenergie soll nach fünfhundert Metern immer noch beachtliche 2.800 Joule betragen. Das Ganze bei einer deutlich flacheren Flugbahn und gefühlt weniger Rückstoß als im direkten Vergleich zur ballistisch sehr ähnlichen 7mm Rem Magnum.
Schließt die Lücke zwischen der 6.5PRC und der 300PRC: Die neue 7 mm PRC (Foto: Hersteller) |
(Foto: Hersteller) |
5,7x28 Millimeter
Die 5,7x28 ist nicht neu. Seit ihrer Entwicklung in den 1980er Jahren und der Markteinführung in den 1990er Jahren war das Nischenkaliber; abseits der ihr angedachten behördlichen Verwendung als Patrone für „personal defense weapons“ (PDW); im Zivilmarkt lediglich eine Randerscheinung. Mit dem Auftauchen neuer Waffen im Kaliber 5,7x28 anlässlich der SHOT 2023 dürfte die Patrone zumindest in den USA eine Renaissance erleben. Smith & Wesson präsentierte die Selbstladepistole M&P5.7. Ruger legt eine Carbine-Variante seiner Ruger-57™ mit 16,75-Zoll-Lauf auf und die Bastler von Kel-Tec scheinen ihre P50 noch einmal überarbeitet zu haben.
Mit neuen Waffenmodellen auf dem Markt könnte auch die 5,7x28 wieder stärker nachgefragt werden (Foto: Hersteller) |
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