Die von J. Henry FitzGerald modifizierten Colt Revolver sind zu begehrten Sammlerobjekten avanciert. Vor einhundert Jahren gehörte es fast schon zum guten Ton, einen „Fitz Special“ zu führen. Der durchbrochene Abzugsbügel ist da nur das augenscheinlichste Merkmal
Ein Colt Official Police schätzungsweise aus dem Jahr 1937. Hammer und Abzugsbügel sind modifiziert (Foto: adalwulf.pranger) |
Der Revolver ist mit der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika so eng verwoben, wie mit kaum einen anderem Land. Er steht symbolisch gleichermaßen für Pioniergeist, Gebietsexpansion gen Westen und berüchtigte Räuberbanden sowie legendäre Gesetzeshüter. Er war bis weit in das Zwanzigste Jahrhundert hinein Dienstwaffe US-amerikanischer Polizisten. Und ist es vereinzelt dieser Tage vermutlich immer noch.
Die großen Hersteller des Neunzehnten Jahrhunderts waren Colt und Remington. Im Zwanzigsten Jahrhundert kamen Smith & Wesson und Ruger hinzu. Kaliber, Lauflängen, Rahmengrößen und Modellvarianten verlieren sich zahlenmäßig in der Unüberschaubarkeit.
Durch individuelle Modifikationen wird diese Variantenvielfalt zusätzlich noch erhöht. Eine dieser Umbauten stammt von J. Henry FitzGerald und erlangte in der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts eine beachtliche Reichweite.
Um das Hängenbleiben beim Ziehvorgang aus einer Jackentasche heraus zu reduzieren, wurde der Hammer fachmännisch gestutzt (Foto: Auktionshaus James D. Julia) |
J. Henry FitzGerald
Den im Jahre 1876 geborenen FitzGerald würde man heute als Schusswaffenexperten bezeichnen. Vermutlich hätte er seine eigene Doku-Serie im Discovery-Channel und mehrere Hunderttausend Follower in sozialen Medien.
J. Henry FitzGerald war ein begabter Büchsenmacher, erfolgreicher Wettkampfschütze und leistete zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts Pionierarbeit auf dem Gebiet der ballistischen Forensik. Außerdem soll der reckenhaft gewachsene J. Henry der Teilnahme an organisierten Faustkämpfen (sog. Bare Knuckle Fights) nicht abgeneigt gewesen sein.
Ab dem Jahr 1918 arbeitete er für den Waffenproduzenten Colt Firearms bis er 1944 in Ruhestand ging. J. Henry FitzGerald verstarb im Juli 1945.
Ein Colt New Service Revolver mit der Seriennummer 321184, wie er 1924 das Werk verließ (Foto: Winston Wolfe Collection) |
Modifikation:
Lauf, Korn und Hammer
Etwa ab dem Jahr 1924 begann „Fitz“ serienmäßige Colt Revolver zu modifizieren. Die ersten Umbauten galten dem Kürzen des Laufs auf zwei Zoll und dem Austausch des Korns. Nach seiner Ansicht sollte das Korn beim Schießen deutlich sichtbar sein. Entsprechend markant fielen die Kornvarianten von FitzGerald aus. Darüber hinaus wurde am Hammer so viel Material abgetragen, damit seine eigentliche Funktion gerade noch gewährleistet werden konnte. Ein Vorspannen mit dem Daumen war aber nicht mehr machbar und nach Meinung des Konstrukteurs auch nicht notwendig.
Diese Änderungen zielten offensichtlich auf eine bessere Führigkeit beim verdeckten Tragen ab. Die kleinen Snub-Nose-Revolver wurden nicht selten unmittelbar in der Manteltasche oder im Jackett geführt. Ein abgerundeter Hammer erleichterte den Ziehvorgang ohne die Gefahr des Hängenbleibens.
Modifikation:
Abzugsbügel, Zylinderachse
Eine weitere Änderung betrifft den Abzugsbügel der Fitz-Revolver. Bare Knuckle Fighter mit grobschlächtigen Händen und überhaupt alle Menschen mit langen Gliedmaßen haben mitunter Probleme, ihren Abzugsfinger in den Abzugsbügel von kleinen Taschenpistolen und Snub-Nose-Revolver zu bekommen. Vermutlich gehörte auch J. Henry FitzGerald zu diesem Personenkreis.
Die Lösung bestand für ihn darin, die vordere Hälfte des Abzugsbügels zu entfernen.
Sicherheitsaspekte
Die Idee, den vorderen Teil des Abzugsbügels zu entfernen, löst zumindest bei Schießausbildern der Neuzeit ein Gefühl der inneren Anspannung aus.
Einen Revolver mit einem derart modifizierten Abzugsbügel in der Jackett- oder Manteltasche zu führen, erfordert eine gewisse Kaltblütigkeit. Die Gefahr einer ungewollten Schussabgabe steigt, insbesondere auch beim Holstern der Waffe. Da sich vor achtzig oder neunzig Jahren die Sicherheitsregeln für den Umgang mit Schusswaffen noch nicht manifestiert hatten, dürften ungewollte Schussabgaben mehr oder minder an der Tagesordnung gewesen sein. Weswegen auch keine Dokumentation selbiger erfolgte. Erst ein gutes Viertel Jahrhundert nach FitzGerald brachte Jeff Cooper grundlegende Sicherheitsregeln ins Spiel.
Stückzahl
Eine genaue Stückzahl der original Fitz-Umbauten ist nicht dokumentiert. Als relativ genau wird die Zahl von fünfzig Fitz Revolvern der Modelle New Service, Bankers und Detective Special angenommen. Das erste von FitzGerald modifizierte New Service Modell soll im Nummernkreis um die Seriennummer 332.000 zu verorten sein. Darüber hinaus, so die Schätzung, soll es nicht mehr als weitere fünfzig Colt Revolver geben, die eindeutig J. Henry FitzGerald zuzuordnen seien.
Eine nicht zu benennende Anzahl an Umbauten soll erst nach dem Tod von J. Henry FitzGerald entstanden sein.
In der Fernsehserie „Blue Bloods“ nutzt Schauspieler Tom Selleck einen Fitz-Revolver aus seiner eigenen Sammlung |
Anwender
Die Benutzer von Fitz-Revolvern sind mitunter prominent oder Personen von historische Bedeutung.
Colonel Rex Applegate und William E. Fairbairn nutzten Fitz Revolver. Beide sollen mit Henry FitzGerald befreundet gewesen sein und erhielten ihre Modelle persönlich von FitzGerald. Fairbairn besaß einen Fitz Revolver im Kaliber .455 Webley. Die Waffe soll nach seinem Tod in den 1960er Jahren von britischen Behörden zerstört worden sein.
Flugpionier Charles Lindbergh erwarb im Jahr 1934 einen Fitz Detective Special, welchen er auch führte.
Staatsanwalt Maurice Milligan aus Kansas erwarb einen Fitz Special um 1933. Bekannt wurde Milligan als Chefankläger in zahlreichen Anti-Mafia Prozessen.
Das Verbrecherpärchen Bonnie und Clyde soll mindestens einen Fitz Revolver bei ihren Raubzügen erbeutet haben.
US-Schauspieler Tom Selleck besitzt in seiner eigenen Sammlung einen Fitz Special, den er bspw. in der Fernsehserie „Blue Bloods“ nutzt.
J. Henry FitzGerald etwa um 1930 |
Fazit
Für einen Original Fitz Special, der anhand seiner Seriennummer auch noch einer zeitgenössischen oder gar prominenten Person zugeordnet werden kann, sind Sammlerpreise von fünfzigtausend US-Dollar durchaus denkbar.
Mehr dazu in "Die Waffenkultur" Nr. 66
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