Ein Zielfernrohr sollte grundsätzlich so tief wie möglich auf der Waffe montiert werden. Was nach einer einfachen Daumenregel klingt, verursacht beim schützenvereinsgeprägten Sniperdarsteller Angst, Panik und Verwirrung bis hin zur totalen Verweigerungshaltung gegenüber Sachargumenten
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Korrekte Montage eines Kahles 525i auf einer Tikka T3 im German Gun Stock Schaft „Reaper“. Konstruktionsbedingt wäre aufgrund der vorgeneigten 20-MOA-Picatinnyschiene jede Blockmontage zu hoch. Deshalb wurden hier die Montageringe SR-4000 von SPUHR verbaut. Die stufenlos höhenverstellbare Schaftbacke muss lediglich um einen Zentimeter erhöht werden |
Von Arne Mühlenkamp
„Stell sicher, dass Deine Ausrüstung für Dich arbeitet und nicht gegen Dich!“ Obwohl die Schützenszene durch allerhand Ausrüstungsaberglaube und anderen Klamauk geprägt ist, erhält dieser Leitsatz spätestens beim Schießen über die Langdistanz deutlich mehr Gewichtung, als bei anderen Arten des Schießens.
Sieht man sich die mitgeführte Ausrüstung, insbesondere die Bewaffnung, auf Long-Range-Veranstaltungen an, sind bemerkenswerte Stil-Blüten erkennbar. Ausrüstungsaberglaube ist dabei noch die am ehesten zumutbare Blüte. Der Rest kann verortet werden irgendwo zwischen: Halbwissen, erworben durch Internetvideos und kompletter Inkompetenz des renommierten Büchsenmachers.
Dieser Beitrag stellt richtige und sinnvolle Konfigurationen an Zielfernrohr-Gewehren vor; zeigt aber auch Konglomerate aus der Rubrik: „Konzeptlose Resterampe“.
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Korrekte Montage eines Kahles 624i auf einer Ruger Presicion Rifle in 300PRC. Das 56er-Objektiv hat noch ausreichend Abstand zum Vorderschaft der Waffe. Die Ruger kann geschossen werden, ohne die Schaftbacke in der Höhe zu verstellen |
So tief wie möglichEin Zielfernrohr sollte so tief wie möglich montiert werden. Ein „zu tief“ gibt es dabei nicht. Die Determinante ist der Objektivdurchmesser des ZF bzw. dessen Abstand zum Lauf oder dem Vorderschaft der Waffe. Das Objektiv darf eben gerade keinen Kontakt zu Lauf oder Vorderschaft haben.
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Korrekte Montage eines Kahles 318i auf einer Savage AR-10. Mit einer SPUHR Blockmontage QDP-4006 so tief wie möglich und dennoch hat eine sinnvolle Klappvisierung Platz. Das Kahles hat den Seitenverstellturm links, was sich insbesondere beim Schießen mit Selbstladegewehren anbietet |
FalschmontageIst zwischen dem ZF und dem Lauf so viel Platz, dass die flache Hand zwischengeschoben werden kann, wurde schlicht und ergreifend die falsche ZF-Montage beschafft. Meist unbeabsichtigt und in Unkenntnis der Tatsache, dass ZF-Montagen verschiedene Bauhöhen haben.
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Die Einzelkomponenten dieser Konfiguration sind von Gewehr über die ZF-Montage bis hin zum ZF sehr hochwertig. Allerdings baut diese Blockmontage das ZF zu hoch. Zwischen Objektiv und Lauf würde die flache Hand passen. Diese Montage sollte zwingend ausgetauscht werden |
GründeAuf die Frage „Weshalb so tief wie möglich?“, lassen sich drei Gründe anführen: Logik, Kopfposition, Abgangswinkel.
LogikFür das Befestigen eines Gegenstandes auf einem anderen Gegenstand gibt es drei Handlungsdirektiven: So tief wie möglich, so hoch wie möglich oder irgendwie.
„So hoch wie möglich“, ist im Falle einer ZF-Montage offenkundiger Unsinn.
„Irgendwie“: Dinge nur irgendwie umzusetzen, kann ein Lebensmotto sein. Methodisch ist es jedoch keinesfalls. Bleibt also nur „So tief wie möglich“.
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Auch dieses ZF sitzt zu hoch. Darüber hinaus sind Blockmontage mit Schnellspannsystem auf ZF-Waffen nicht notwendig |
KopfpositionIm günstigsten Fall erreicht der Schütze mit dieser Montagevariante eine stabile Kopfposition hinter dem ZF, die er ohne Höhenverstellung der Schaftbacke einnehmen kann. Nur weil Gewehrschäfte die Option einer „höhenverstellbaren Schaftbacke“ bieten, bedeutet ja nicht, dass man diese Option unbedingt nutzen muss, wenn es auch ohne geht.
Das führt unter anderem auch dazu, dass am Gewehr vor dem Schießen eine Einstellungsvariante weniger zu überprüfen ist. Oder der unerwartete Ausfall der Höhenverstellung keinen Einfluss auf die (sehr wesentliche) Kopfposition und damit auf das Schießen hat.
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Im direkten Vergleich zum Savage AR-10 (Bild 3) sind die Defizite offensichtlich: Die Blockmontage baut zu hoch. Bei einem AR-typischen Schaftsystem erhält der Schütze keine stabile Kopfposition. Präzisionsverluste sind die Folge |
AbgangswinkelDer Abgangswinkel meint den Winkel, den das Projektil beim Verlassen des Laufes darstellt, um bei einer gegebenen Einschussdistanz (bspw. einhundert Meter) den ersten Schnittpunkt zwischen Geschossflugbahn und Visierlinie herzustellen. Bei einer nicht notwendigen (und ebenso unsinnigen) hohen Montage des ZF, erhöht sich der Abgangswinkel signifikant, da das Projektil bis zum Fleckschuss mehr Visierlinienhöhe überbrücken muss. Was auf der weiteren Flugbahn zu mehr Scheitelhöhe führt. Unter Umständen werden deswegen ballistische Absehen oder ballistische Tabellen insbesondere im Scharfschützenwesen ungenau oder gar unbrauchbar.
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Rubrik: Resterampe. „Ich habe da noch ein ZF rumliegen. Das klatsch ich mit irgendeiner Montage auf ein Gewehr… Passt scho‘…“ Das ZF scheiterte außerdem am Tracking Test |
KonsequenzWird bei der Zielfernrohrmontage der einfache Leitsatz „So tief wie möglich“ befolgt, erhöht sich für den Schützen die Wahrscheinlichkeit einer reproduzierbaren und stabilen, vor allem aber einer korrekten Kopfposition an der Waffe. Die Konsequenz werden schnellere Treffer und eine allgemein höhere Präzision sein.
Falsch verstandener Sparzwang ist gleichwohl unangebracht. Man kann entweder sparen oder erfolgreich Langdistanzschießen. Es sollte grundsätzlich nur hochwertiges Material beschafft werden. Erfahrungswerte aus den vergangenen zwölf Jahren zeigen, dass ZF-Montagen von SPUHR konkurrenzlos sind. Im Marktsegment der Zielfernrohre kommt man an Kahles nicht vorbei. Bzw. entsteht nach den PM II Modellen von Schmidt & Bender oder Razor HD Serie von Vortex eine deutliche Lücke zu allen anderen Anbietern.
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Rubrik: „Mein Büchsenmacher hat gesagt…“ Dieses ZF ist zu weit nach hinten montiert. Der Schütze wird niemals eine stabile Kopfposition aufbauen können. Ein grober Fehler, der jedem Gewehrschützen sofort auffallen muss |
FazitDie Fehler, welche beim Schuss über die weite Distanz gemacht werden, ähneln sich, koalieren sehr oft miteinander und lassen sich in folgende Kategorien einteilen: Konzeptlosigkeit, Indoktrination mit Halbwissen, Detailverliebtheit sowie Technikaberglaube.
Mehr dazu in "Die Waffenkultur" Nr. 77