Freitag, 16. Juli 2010

Lehrmeinungen (2): Modern Technique

Die Modern Technique ist neben dem Modern Isosceles und dem wenig brauchbaren Deutschießen eine weitere große Lehrmeinung im praxisorientierten Schusswaffeneinsatz. Sie ist untrennbar mit Jeff Cooper und dem Weaver Stance verbunden.

Seit Ende der 1950er Jahre veranstaltet der ehemalige U.S. Marinecorps Offizier John D. „Jeff“ Cooper im südlichen Kalifornien freie Pistolenwettkämpfe, die schon bald in der „South West Pistol League“ (SWPL) zusammengefasst werden sollten. Bei diesen Veranstaltungen wurde schnell offensichtlich, dass gezieltes Schießen mit der Kurzwaffe auf Augenhöhe der beste Lösungsansatz für die meisten Problemstellungen war. Jeff Cooper analysierte in den 1960er Jahren die Techniken der Gewinner der Wettkämpfe und leitete daraus die Grundsätze seiner „Modern Technique of Pistol“ ab. Sportlich organisiertes Schießen hatte demnach einen großen Einfluss auf die Evolution des Weaver Stance.

Modern Technique
Die durch Jeff Cooper entwickelte Schießtechnik ging als „Modern Technique“ in die Geschichte ein und wurde von Beginn an auf der „Gunsite Academy“ gelehrt. Cooper gründete diese Schule 1976 unter dem Name „American Pistol Institute“ (API) in Arizona. Die Modern Technique besteht aus fünf Elementen:

- Einer großkalibrigen Dienstpistole, wie sie bei Militär und Polizei im Einsatz ist
- Einem standardisierten Ziehvorgang der Pistole
- Einer Schussabgabe, sobald der erstbeste Haltepunkt hergestellt wurde
- Einer Abzugsmanipulation, bei der sich der Schütze vom Schuss überraschen lässt
- und dem Weaver Stance

Wobei der Weaver Stance, wie er von Cooper auf der Gunsite Ranch vermittelt wurde nicht vollends der Körperhaltung entsprach, wie sie der kalifornische Sheriff Jack Weaver originär erdachte. Cooper entwickelte eine Abwandlung, bei der die Füße annähernd auf gleicher Höhe stehen und der Oberkörper somit wesentlich mehr dem Ziel zugewandt ist. Dennoch ist diese Schießhaltung als Weaver Stance definiert. Ein Charakteristikum des Weaver ist der abgewinkelte Unterstützungsarm bei einem ausgestreckten und verriegelten Schussarm. Die gesamte Rückstoßenergie wird somit unmittelbar in den Schussarm übertragen. Ein weiteres Weaver Stance Merkmal ist das nach vorn Drücken der Schusshand bei gleichzeitigem Zurückziehen der Unterstützungshand. Der Anwender verspricht sich hierdurch eine bessere Kontrolle über den Hochschlag der Kurzwaffe.



Gunsite war die erste private Schießschule in den USA. Die Modern Technique und damit auch der Weaver Stance erlangten durch den großen Zulauf von trainingswilligen Schützen eine doktrinartige Verbreitung. Viele Gunsite Absolventen gründeten in den 1980er Jahren ihre eigenen Schulen und trugen somit ebenfalls zur Verbreitung der Modern Technique bei. Heute wird die Modern Technique nur noch bei wenigen Schulen gelehrt.

Weaver Stance bladed
Ebenso großen Einfluss auf die Schießausbildung für Militär, Polizei aber auch zivile Waffenträger hatte Chuck Taylor. Chuck Taylor erkannte während seiner Zeit als Unteroffizier im Vietnamkrieg den akuten Mangel an einer ganzheitlichen Schießausbildung in den US-amerikanischen Streitkräften. Im Jahr 1980 gründete er die ASAA (American Small Arms Academy). Auch er favorisiert die Lehrmeinung des Weaver Stance. Seine Körperhaltung kommt dem Ursprung sehr nahe. Der Schütze steht dabei deutlich eingedreht vom Ziel weg. Seine Fußspitzen, Hüften und der Oberkörper zeigen etwa nach zwei Uhr. Weshalb diese Variante auch als „bladed“ bezeichnet wird. Lediglich die Waffe und der Schussarm sind in Richtung Ziel positioniert. Auch hier ist das charakteristische Merkmal des Weaver Stance mit gebeugtem Unterstützungsarm anzutreffen. Der Ellenbogen zeigt senkrecht nach unten.



Von ihren Anhängern wird diese Körperhaltung gern als besonders stabil beschrieben. Sie hat jedoch eine Reihe von Nachteilen. Was sich als stabil anfühlt wird mit einem enormen Maß an Muskelspannung erreicht. Nahezu der gesamte Oberkörper steht unter Spannung. Durch das Drücken und Ziehen von Schuss- bzw. Unterstützungshand wird ebenfalls eine permanente Muskelspannung erzeugt. Beim Rückstoß bewegt sich die Waffe in dieselbe Richtung, in welche der Unterstützungsarm zieht. Der Schussarm muss zur Rückstoßbewältigung daher doppelte Kraft aufwenden. Diese Kraft kann einzig durch Muskelspannung erzeugt werden. Außerdem steht der Schütze asymmetrisch. Der Körper ist nicht in der Lage, den Rückstoß auf natürliche Weise zu absorbieren.

Ebenso gibt der Schütze seinen Natürlichen Zielpunkt auf. Und das ist entscheidend: Der Hochschlag der Waffe im Allgemeinen ist kein ausschlaggebender Faktor für schnelle, präzise Schussfolgen. Von Bedeutung ist viel mehr, wie schnell und vor allem reproduzierbar die Mündung nach Rückstoßverarbeitung wieder auf dem Ziel zum Liegen kommt. Das ist jedoch nur erreichbar durch eine Körperhaltung die automatisch im natürlichen Zielpunkt resultiert.

Ein weiterer Nachteil von Weaver Stance Körperhaltungen ist, dass es anatomisch kaum möglich ist, einen stabilen Waffengriff wie beim Isosceles herzustellen. Die Grifftechnik mündet immer in einem Kompromiss. Entweder in einer Körbchenhaltung der Pistole oder in anderen Varianten, welche als nicht akzeptabel verworfen werden sollten.



Dennoch gilt das Chuck Taylor System als erstes ganzheitliches Schießausbildungssystem weltweit. Der Weaver Stance wird dabei nicht nur als reiner Kurzwaffenanschlag betrachtet, sondern wird auch als Plattform für das Schießen mit Gewehr und Flinte verwendet. Die Lehrmeinung des Weaver Stance bladed ist zumindest für den taktischen Schusswaffengebrauch überholt und nur noch sehr wenige Schulen bilden sie aus.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.