Freitag, 23. Juli 2010

Lehrmeinungen (3): Modern Isosceles

Der Modern Isosceles ist die derzeit bestimmende Lehrmeinung im praxisorientierten Schusswaffeneinsatz. Er stellt eine Evolution der Modern Technique dar. Mancherorts wird er jedoch als reiner Kurzwaffenanschlag missverstanden und fälschlicherweise ausschließlich mit IPSC in Verbindung gebracht.


In den späten 1970er Jahren wurde das Schießen nach den Regeln der IPSC (International Practical Shooting Confederation) immer populärer. Anfangs benutzten die Teilnehmer ausschließlich Waffen und Ausrüstung, die sie ohnehin zum Zweck der Selbstverteidigung mit sich trugen oder zu Haus hatten. Viele Schützen investierten viel Zeit und Munition in ihr Training und suchten ständig nach Wegen, die Ziele schneller und präziser zu treffen als andere Wettkampfteilnehmer. Zügige Positionswechsel und eine schnelle Zielerfassung wurden ebenfalls als kritische Elemente erkannt. Rasch offenbarten sich hier die Nachteile des Weaver Stance und seiner Varianten. Mit seiner verriegelten Körperhaltung bot er für die dynamische Umgebung eines IPSC Wettkampfes nur ungenügende Lösungsansätze.

Die Evolution
Die beiden US-amerikanischen Sportschützen Rob Leatham und Brian Enos leisteten viel Entwicklungsarbeit hin zu einer Körperhaltung, welche dynamischen Erfordernissen besser gerecht wurde. Mit der Versuch-Irrtum Methode probierten sie viele neuen Elemente aus. Sie veränderten die Handhaltung an der Pistole, ihre Körperhaltung und auch die Fußstellung. Dabei war ihr Ziel keineswegs eine neue Schießhaltung zu kreieren, sondern einzig und allein, Wettkämpfe zu gewinnen. Dennoch ähnelte das Endresultat der Isosceles Körperhaltung frappierend. Im Jahr 1983 errangen beide Schützen mit dieser Technik die Plätze 1 und 2 bei den IPSC US-Nationals. Der Abstand zum Drittplatzierten war enorm.

Seit Mitte der 1980er Jahre entwickelten IPSC Wettkämpfe jedoch ein Eigenleben. Ein Trend weg vom Verteidigungsschießtraining war erkennbar, hin zu einem rein sportlichen Ansatz. Das war Wasser auf die Mühlen der Isosceles Kritiker. Die behaupteten jetzt, der Modern Isosceles sei zwar perfekt geeignet für das sportliche Schießen, aber für bewaffnete Konfrontationen sei der Weaver Stance nach wie vor das Maß aller Dinge. Diese Meinung wurde von vielen verantwortlichen Schießausbildern bei Militär und Polizei unreflektiert übernommen. Was von Kritikern gern übersehen wurde ist die Tatsache, dass die Körperhaltung des Isosceles sehr ähnlich der Grundstellung bei Kampfsportarten ist und den besten Kompromiss zwischen Stabilität und Mobilität darstellt. Natürliche Körperreaktionen können so besser genutzt werden als beim Weaver. Der Isosceles wird dadurch für dynamische Szenarien vorteilhafter.





Körperhaltung

Beim Modern Isosceles steht der Schütze relativ frontal zum Ziel. Die Füße schulterbreit, der rechte Fuß etwas zurückgesetzt. Alle körpereigenen Indexpunkte wie Füße, Knie, Hüfte, Oberkörper und Arme zeigen zum Ziel und erleichtern somit die Zielerfassung.
Durch die symmetrische Armhaltung kann der Rückstoß besser vom gesamten Körper absorbiert werden. Die im Vergleich zum Weaver Stance geringere Muskelanspannung im Körper führt eher zu einer Schießhaltung, welche das Herstellen des natürlichen Zielpunkt begünstigt. Mit etwas Training wird die Waffe nach dem Schuss fast automatisch wieder auf dem Ziel liegen. Gleichzeitig erhöht sich die Erstschusstrefferwahrscheinlichkeit. Zur Technik des Modern Isosceles gehören aber neben dem Element Körperhaltung auch eine >> Grifftechnik, die möglichst viel Handfläche an die Kurzwaffe bringt und ein standardisierter Ziehvorgang in vier Phasen. Auch darf der Modern Isosceles nicht nur als reiner Kurzwaffenanschlag betrachtet werden. Es ist ebenso möglich, ihn beim Schießen mit einer Langwaffe zu nutzen.





Was vermieden werden sollte

Die Vorteile des Modern Isosceles werden ad absurdum geführt sobald der Schütze der Doktrin folgt, beide Füße auf eine Linie zu stellen. Diese Fußstellung bringt weder Vorteile in der Stabilität des Anschlags noch in der Mobilität. Dafür wird insbesondere beim Langwaffenanschlag ein enormes Maß an Spannung im Oberkörper erzeugt. Was eine Aufgabe des Natürlichen Zielpunktes mit sich bringt.

Ausbildungseinrichtungen
Der ehemalige FBI-Agent Bill Rogers war Ende der 1980er Jahre einer der ersten Ausbilder, der mit seiner „Rogers Shooting School“ im US-Bundesstaat Georgia die Lehrmeinung des Modern Isosceles auch an behördliche Waffenträger vermittelte. Trainer wie beispielsweise Andy Stanford und Craig Douglas entwickelten den Isosceles weiter. Besonderes Augenmerk galt dabei der Problemstellung von Konfrontationen, die sich im extremen Nahbereich ereignen. Hier ist die Einnahme einer lehrbuchmäßigen Körperhaltung zum Schießen meist nicht möglich. Der Verteidiger muss seine Waffe entweder ganz nah am Körper halten, um sie abfeuern zu können oder er muss von Nahkampftechniken gebrauch machen. Das Resultat dieser Überlegungen könnte als „Fighting Isosceles“ bezeichnet werden. Für beide Fälle hat der Weaver Stance „bladed“ bzw. die Modern Technique keine Lösungen parat.

Fazit
Die beiden Systeme Weaver Stance und Isosceles sind nicht miteinander vereinbar. Wer seine Schießfertigkeiten verbessern will, sollte sich vorher erkundigen, nach welcher Lehrmeinung die gewählte Schule ausbildet. Heute bildet die Mehrzahl aller Ausbildungseinrichtungen nach der Lehrmeinung des Modern Isosceles aus. Die Liste ist lang. Um nur einige zu nennen: Craig Douglas (Southnarc), Andy Stanford (OPS), James Yeager (Tactical Response), Paul Howe (CSAT), Gabe Suarez (Suarez International), Bill Rogers (Rogers Shooting School), Steve Moses (Bluff Dale Firearms Academy), Greg Hamilton (Insights Training Center), Larry Vickers (Vickers Tactical), Ken Good (Strategos International), Akademie 0/500. Auch in die behördliche Schießausbildung hat der Isosceles auf breiter Front Einzug gehalten.

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