Von Dr. med. Simon Langer
Methodik
Mehrere Primärarbeiten als auch bereits bestehende Reviews
der gesammelten Werke wurden analysiert und auf wissenschaftliche Korrektheit
geprüft. In der medizinischen Forschung werden Thesen angenommen, wenn mehrere,
methodisch korrekte Arbeiten unabhängig voneinander zu gleichen oder ähnlichen
Ergebnissen kommen. Im Folgenden werden solche Erkenntnisse unter Angabe der
Quellen vorgestellt.
Ergebnisse
Die wichtigste pathophysiologische Erkenntnis liegt darin,
dass zwischen Bleigehalt in der Raumluft, der Aufenthaltsdauer in einem
kontaminierten Bereich und dem Blutbleispiegel ein direkt proportionaler
Zusammenhand besteht [1-6]. Auf Deutsch: Die Bleibelastung für den Schützen ist
umso höher, je höher der Bleigehalt in der Luft des Schießstandes und je länger
die Aufenthaltsdauer in selbigen. „aerogen lead“ nennt der Amerikaner diese
lungengängigen Bleiverunreinigungen, welche leider effektiv vom Körper aufgenommen
werden [3]. Bereits 1989 wurden in den USA erhöhte Bleispiegel im Blut von
Rekruten des FBIs festgestellt, nachdem diese über Wochen hinweg mehrstündige
Trainingseinheiten auf dem Schießstand absolvierten [1]. Der Bleiwert im Blut
ist ein valider Parameter zur Identifikation von Bleiexposition und ein
prädiktiver Wert für mögliche gesundheitsschädliche Folgen [7].
Es konnten mehrere Wege der Freisetzung von Blei in die
Raumluft identifiziert werden. Zudem zeigten sich in mehreren Untersuchungen
wirksame Methoden, diese Freisetzung entweder zu minimieren oder aber die
Inkorporation des Bleis zu verhindern.
Empfehlungen
Raumluftanlage
Unbestritten ist, dass für geschlossene Schießanlagen eine
hochwertige Raumluftanlage unabdingbar ist. Hierdurch lässt sich die
Bleibelastung für den Schützen reduzieren bis annullieren [1-6, 8]. Die
Richtlinien für Schießstände des Innenministeriums in Deutschland dürfen als
ausreichend betrachtet werden [8]. Deren Umsetzung obliegt jedoch jeweils dem
Standbetreiber. Neben der reinen Einrichtung einer solchen Anlage ist auch
deren regelmäßige und sachgerechte Wartung für einen wirksamen
Expositionsschutz notwendig [2, 9]. Für Stände, welche zum Bewegungs- und
Verteidigungsschießen zugelassen sind, ist ein höheres Umwälzvolumen der
Raumluftanlage vorgeschrieben [8]. Hierauf kann bei Auswahl des Standes zum
regelmäßigen Training geachtet werden.
Damit die Raumluftanlage effektiv arbeiten kann, ist es
unerlässlich, das alle Türen und ggf. Fenster des Schießstandes geschlossen
sind! Ansonsten kommt es zu Luftverwirbelungen, die im schlimmsten Fall das
freigesetzte Blei sogar in Richtung Schützen transportieren [2, 6].
Schadstoffreduzierte
Munition
Alle Quellen, welche schadstoffreduzierte Munition
untersuchten, konnten unabhängig voneinander eine Reduktion der
Raumluftbelastung nachweisen [1-6]. Es existieren keine gegenteiligen Studien.
Der Nutzen solcher Munition ist somit bewiesen. Als besonders effektiv hat sich
der Einsatz schadstofffreier Zündhütchen gezeigt [3].
Schießstandreinigung
Eine ausgeprägte Belastung durch Blei entsteht auch bei
Reinigungsarbeiten am Schießstand [2, 9]. Diese ist logischerweise besonders
hoch beim Reinigen von Kugelfängen und Geschossblenden; jedoch entsteht auch
eine messbare Belastung beim einfachen Zusammenfegen von Patronenhülsen.
Hierbei werden mitunter auch Stäube aufgewirbelt, die Produkt von zahlreichen
vorherigen Schützen sind. Die Bleibelastung in der Luft kann somit weit über
die Grenzwerte ansteigen. Als wirksame Methoden zur Verhinderung des
Aufwirbelns belasteter Stäube haben sich Staubsauger mit HEPA-Filter oder
banales feuchtes Wischen etabliert [2, 8, 9]. Eine weitere Möglichkeit ist die
Verwendung von FFP2-Masken, welche zwar nicht das Aufwirbeln, wohl aber die
Inhalation effektiv verhindern [2, 5].
Vermeiden einer
Kontaktexposition
Ein weiterer, bisher selten beachteter Expositionsweg ist
die „Mitnahme“ von abgelagertem Blei am Körper. Besonders beim Schießen in
liegender Position können größere Mengen an Blei an die Kleidung gebunden
werden [2, 3]. Untersuchungen zeigten dadurch sogar in der Wohnung von Schützen
erhöhte Bleiwerte in der Raumluft und eine Exposition auch bei
Familienmitgliedern. Das Nutzen einer Schießmatte wird daher dringend
empfohlen. Zudem sollte jeder Schütze nach dem Schießstandbesuch die Klamotten
wechseln und sich einer Dusche unterziehen [2, 3].
Zusammenfassung
Wer nur 1-2 Mal pro Jahr einen Schießstand besucht, darf die
Bleibelastung vermutlich vernachlässigen. Der Waffenbesitzer 2.0 aber, welcher
regelmäßig seine Fertigkeiten trainiert und verbessert, sollte den Eigenschutz
keinesfalls vernachlässigen. Während auf die technische Ausrüstung des
Schießstandes und deren Wartung in den meisten Fällen vermutlich kein Einfluss
genommen werden kann, kann jeder Schütze durch Auswahl der verwendeten
Munition, Schutzmaßnahmen bei der persönlichen Endreinigung sowie
Hygienemaßnahmen sein Expositionsrisiko minimieren. Wer sich beruflich oder als
Schießstandaufsicht regelmäßig für längere Zeit auf Schießständen aufhält, kann
sich seinen persönlichen Bleispiegel im Blut als Parameter für stattgehabte
Kontamination messen lassen.
Literatur
1. Valway, S.E., et al., Lead absorption in indoor firing
range users. Am J Public Health, 1989. 79(8): p. 1029-32
2. National Institute for occupational Safety and Health,
Preventing Occupational Exposures to Lead and Noise at Indoor Firing Ranges.
Departement of Health and Human Services Journal, 2009. 2009–136
3. Laidlaw, M.A., et al., Lead exposure at firing ranges-a
review. Environ Health, 2017. 16(1): p. 34
4. Gulson, B.L., J.M. Palmer, and A. Bryce, Changes in blood
lead of a recreational shooter. Sci Total Environ, 2002. 293(1-3): p. 143-50
5. Mühle, P., Untersuchung der Bleiaufnahme bei kurzzeitigen
Aufenthalten in Schießständen LMU München, 2010
6. National Academy of Siences, Potential Health Risks to
DOD Firing-Range Personnel from Recurrent Lead Exposure. 2013
7. Liu, K.S., et al., Neurotoxicity and biomarkers of lead
exposure: a review. Chin Med Sci J, 2013. 28(3): p. 178-88
8. Bundesministerium des Inneren, Schießstandrichtlinien.
Bundesanzeiger, 2012
9. Scott, E.E., N. Pavelchak, and R. DePersis, Impact of
housekeeping on lead exposure in indoor law enforcement shooting ranges. J
Occup Environ Hyg, 2012. 9(3): p. D45-51
Unangenehme
Wahrheiten
von Henning Hoffmann
Manchmal lässt es
sich nicht vermeiden, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Die Reaktionen auf
unseren Beitrag zur Bleiexposition bei Schützen hätten kontroverser nicht sein
können. Es besteht offensichtlich viel Informationsbedarf
Im Groben lassen sich die Wortmeldungen zum
Bleikontaminationsartikel in Ausgabe 40 in zwei Kategorien einteilen: Die Klugen
und die Ignoranten. Die Sichtweise der Ignoranten ist geprägt durch
Falschinformation und einer Indoktrination, wonach jeder der „bleifrei“ im
Sinne von schadstofffreier Munition fordert in die Ecke grüner Ideologen
geschoben wird, die dem Waidmann seine Traditionsjagd madig machen wollen.
Bei den Klugen führte der Artikel zu einem Nachdenken und
auch zu einem Umdenken, was eigene Verhaltensweisen angeht. Die Blutbleiwerte,
die uns von Lesern mitgeteilt wurden, liegen zwischen 150 und 300 µg pro Liter.
Also um gut das Doppelte bis Dreifache erhöht. Spätestens bei 300 µg besteht
ein Gesundheitsrisiko und damit Handlungsbedarf. Dieser Handlungsbedarf kann
bspw. sein, im Verein die Verwendung von schadstofffreier Munition anzustoßen
oder einfach das eifrige und beflissene Zusammenfegen von Patronenhülsen zu
unterlassen.
Wer jetzt hoffnungsvoll sein Munitionskontingent auf
schadstofffrei umgestellt hat, aber dennoch an einer Schießveranstaltung
teilnimmt, bei der der Veranstalter weiterhin zulässt, dass jeder jeden Dreck
schießen darf, dem nützt sein Nontox-Bestreben überhaupt nichts. Er atmet
weiterhin den Bleidampf aller anderen Teilnehmer ein, wie eine Beispielrechnung
zeigt.
Rechenbeispiel
Das Zündelement (ZE) einer Patrone im Kaliber 9 mm Luger
enthält eine Nettoexplosivmasse von 25 Milligramm. Eine durchschnittliche
Bleikonzentration darin von 20% ist bei Billigmunition nicht unüblich.
Insbesondere sind das die Verbindungen Bleidioxid und Bleistyphnat.
Bleistyphnat gilt dabei als zuverlässiger Initialsprengstoff im ZE. Bei einem
Schießkurs mit zehn Teilnehmern und einem Munitionsverbrauch von etwa 300
Schuss pro Schütze und Tag, ließe sich folgendes Rechenbeispiel zu Grunde
legen: 25 mg x 20% x 300 Schuss x 10 TN = eine Emission von 15 Gramm Bleidampf
pro Tag in einer Raumschießanlage. Typischerweise findet diese Emission
unmittelbar beim Schütze statt. Zuzüglich der Bleidampfemission, die durch
nicht verkapselte Geschosse (offener Geschossboden) erzeugt wird. Was grob
geschätzt vielleicht noch einmal 5 Gramm Bleidampf entstehen lässt. Je nach
Wertigkeit der Schießstandlüftung werden von den insgesamt 20 Gramm Bleidampf
etwa 50% abgesaugt. Das bedeutet, die verbleibenden zehn Gramm Bleidampf teilen
sich die zehn Teilnehmer durch Inhalation.
In diese Rechnung ist die Bleistaubbelastung noch nicht mit
eingeflossen, die entweder grundsätzlich in Raumschießanlagen vorhanden ist
oder aufgrund eines Lamellenkugelfangs durch zerplatzende Geschosse entsteht.
Das Zündelement einer Gewehrpatrone im Kaliber .30 (.308 Win
oder 7,62x39) hat eine Nettoexplosivmasse von 40 Milligramm. Die
Bleidampfbelastung durch Bleistyphnat unmittelbar beim Schütze erhöht sich um
den Faktor von etwa 1,5.
Die ersten Kurse
Akademie 0/500 hat seit der Umstellung auf schadstofffreie
Munition bisher mehr als zwölf Kurstage in Raumschießanlagen absolviert. Der
Unterschied ist frappierend. Beim Schießen findet kaum eine Rauchentwicklung
statt. Die Ablagerungen auf dem Schießstandboden durch unverbranntes
Treibladungspulver und sonstigen Staub am Ende des Kurstages sind deutlich
geringer und eigentlich kaum erwähnenswert. Die Patronenhülsen der Sintox®-
oder Nontox-Munition sind innen fast spiegelblank. Kurzum: Teilnehmer auf
unseren Kursen sehen die Forderung nach schadstofffreier Munition mittlerweile
als eine besondere Form der Fürsorge. Und dafür nehme ich die Verbalattacken
der Ignoranten gern in Kauf.
Militärmunition
Sowohl die AD60 der Bundeswehr als auch die AA59 (Weichkern)
und AA61 (Doppelkern) werden von RUAG und MEN mit verkapseltem Geschoss und
schadstoffarmen Anzündelementen ohne Bleianteil gefertigt. Laut MEN standen
diese Eigenschaften sogar bei der Ausschreibung in den 1990er Jahren auf der
Forderungsliste der Bundeswehr, um dem Arbeitsschutz in Raumschießanlagen
gerecht zu werden.
Die GP90 der Schweizer Armee hat ein Geschoss mit
Heckabdeckung und ein schadstoffarmes Zündelement mit stark reduziertem
Bleianteil. Das trifft im zivilen Bereich ebenfalls auf die .223 Rem von GECO
mit dem 62 gr Geschoss zu.
Eine Zusammenfassung der Artikelreihe zu Bleiexposition (1)
bis (4) kann hier herunter geladen werden: https://0-500.org/page.php?al=sonstige-Informationen
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