Dienstag, 6. Juni 2023

Glock 20 Gen. 5 in 10mm Auto

 

Die Glock 20 im Kaliber 10mm Auto ist das leistungsstärkste Modell unter den Glock-Geschwistern. Trotz ihrer eintausend Joule Mündungsenergie schießt sie sich relativ angenehm. Seit Anfang 2023 ist auch die Glock 20 als neue Generation 5 Ausführung lieferbar

Das Holosun Elite SCS erzeugt einen Co-Witness mit der offenen
Visierung der Glock. Das mitgelieferte Werkzeug dient sowohl
zum Befestigen als auch zum Justieren des Holosun



Glock 20 Gen.5 in 10mm Auto: Die leistungsstärkste Glock.
Dennoch wird der Verriegelungsblock nur durch die Abzugsachse fixiert


Je nach Interpretation geht die Geschichte des Kalibers 10mm Auto auf zwei Begebenheiten zurück: Zum einen auf die Idee der US-amerikanischen Schusswaffen-Ikone Jeff Cooper und zum anderen auf den so genannten Miami FBI Shootout vom April 1986.


1983
Der fortwährend umtriebige Jeff Cooper suchte Anfang der 1980er Jahre nach einem neuen Kaliber, dessen Ballistik jenseits der .45 ACP angesiedelt sein sollte, das sich aber dennoch aus handelsüblichen Selbstladepistolen verschießen ließe. In Zahlen ausgedrückt, sollte es ein zweihundert Grain Geschoss auf eine Mündungsgeschwindigkeit von mindestens 365 Meter pro Sekunde beschleunigen können, um auch für Pistolenschüsse bis fünfzig Meter ausreichend Energie ins Ziel zu bringen. Dass allein dieser Präzisionsanspruch für annähernd 95 Prozent aller Schützen unerreichbar war, dürfte auch einem Jeff Cooper klar gewesen sein.
Die Mutterhülse für die 10mm Auto soll demnach die Hülse des Gewehrkalibers .30 Remington gewesen sein. Wofür die 52 Millimeter lange Gewehrhülse auf 25 Millimeter gekürzt wurde.
Als Fußnote der Geschichte: Die .30 Remington war Remingtons Antwort auf die weitaus populärere .30-30 von Winchester, welche wiederum die Mutterhülse der 6.8mm Remington SPC ist.

Die fehlenden Fingerrillen am Griffstück sind
ein deutliches Wesensmerkmal der Gen.5


1986
Am Vormittag des 11. April 1986 kam es bei einem Festnahmeversuch des FBI zu einem folgenschweren Schusswechsel mit zwei ebenfalls bewaffneten und darüber hinaus militärisch ausgebildeten Kriminellen. Die als „Miami Shootout“ in die Geschichte eingegangene Schießerei dauerte etwa fünf Minuten, in denen nach offizieller Darstellung 145 Schuss abgefeuert wurden. Am Ende waren beide Tatverdächtige und zwei FBI-Agenten tot. Auf Seiten des FBI gab es des Weiteren vier, zum Teil schwer, Verwundete. Für das US-amerikanische FBI war der „Miami Shootout“ ein desaströses Feuergefecht. Die beiden Kriminellen erreichten mit ihren Langwaffen (Flinte Kaliber 12 und Ruger Mini-14 in .223 Rem) von Beginn an Feuerüberlegenheit und hatten aufgrund ihrer militärischen Vergangenheit bei den U.S. Marines und der 101st Airborne Division vermutlich auch den Combat-Mindset Vorteil auf ihrer Seite. Die Verwundungen der FBI-Agenten wurden ausnahmslos durch Einzel- oder Zweifachtreffer der Langwaffen verursacht. Während die beiden Verbrecher erst nach sechs bzw. zwölf Treffern aus den Handwaffen des FBI gestoppt werden konnten. Auf Seiten des FBI waren im Einsatz: Drei Selbstladepistolen S&W 459 im Kaliber 9x19, aus denen gesamt etwa 44 Schuss abgefeuert wurden und fünf S&W Revolver aus denen 30 Schuss der Laborierung .38 Special +P abgegeben wurden sowie eine Repetierflinte Remington 870. Einer der acht FBI-Leute verlor seine Waffe beim Ausbooten aus dem Fahrzeug und nahm am Feuergefecht überhaupt nicht teil.

Die Szenerie unmittelbar nach dem „FBI Miami Shootout“ am 11. April 1986.
Dieses Ereignis führte zu einem Paradigmenwechsel beim FBI und zur Einführung
eines stärkeren Kurzwaffenkalibers. Zuerst trat die 10mm Auto in den Fokus,
später die .40S&W (Foto: FBI)


Nachgang
In der sehr umfassenden Analyse des Miami FBI Shootout wurde u.a. festgestellt, dass die beiden Täter mit mehr Eindringtiefe; also höherer zielballistischer Wirkung; wesentlich eher hätten gestoppt werden können. Die von den FBI-Beamten verwendete 9x19 Munition bzw. die Patrone .38 Special +P (zum Teil verschossen aus kurzläufigen Back-Up Revolvern) erwiesen sich als zu schwach für diese Art eines Feuergefechts.
Mit der typisch US-amerikanischen Herangehensweise einer rein ausrüstungsorientierten Fehleranalyse, rückte die drei Jahre zuvor ins Leben gerufene Idee Jeff Coopers nach einem besonders leistungsstarken Pistolenkaliber in den Fokus der FBI-Beschaffer. Als Resultat wurde eine Double Action / Single Action (!) Pistole S&W 1076 im Kaliber 10mm Auto beim FBI eingeführt. Sehr bald zeigten sich beim täglichen Training und im Einsatz die Nachteile dieses kraftvollen Kalibers. Für die meisten FBI-Beamten war der Rückstoß beim Schießen nicht zu handhaben. Etwa nur ein Viertel der georderten S&W 1076 Pistolen wurden auch an das FBI ausgeliefert.
Smith & Wesson kürzte im Auftrag des FBI die 25-mm-Hülse der 10mm-Auto-Patrone auf 22 Millimeter. Das Kaliber .40 S&W war geboren und führte in den 1990er Jahren zur Beschaffung der Modelle Glock 22 und 23 beim FBI.

Feldmäßig zerlegt. Der trichterförmige Magazinschacht und die
sog. „front serrations“ sind Merkmale, die man nicht vermissen
würde, wären sie nicht vorhanden


Glock 20
Die erste Glock Pistole im Kaliber 10mm Auto wurde schon 1991 vorgestellt. Gemäß der Glock-Nomenklatur wurde sie sogar noch vor der Glock 21 (Kaliber .45 ACP) und den .40 S&W Modellen 22 und 23 entwickelt.
Es existieren darüber hinaus noch eine subkompakte Version (Glock 29) sowie eine Long-Slide Variante als Glock 40. Sowohl die Glock 20 als auch die 29 sind außerdem mit einem so genannten Short-Frame (SF) Griffstück verfügbar. Bei den SF-Griffstücken wurde der Abstand zwischen Griffrücken und Abzug reduziert, wodurch sich die Handhabbarkeit für Schützen mit kleineren Händen verbessert.
In der aktuellen Fertigungsserie der Generation 5 ist derzeit nur die Glock 20 als 10mm-Auto-Option erhältlich.

Der Verschluss einer ausgewachsenen Glock 17 sieht neben dem
Glock-20-Verschluss fast schon miniaturhaft aus. Ebenso der Lauf


Mehr Waffe
Erfahrene Glock 17 Nutzer sehen und spüren die Unterschiede bei einer Glock 20 sofort. Die Waffe ist schwerer, das Griffstück umfangreicher und der Verschluss drei Millimeter breiter. Die Außenmaße geben eine vage Vorahnung auf die beim Schuss freiwerdende brachiale Energie.
Die im Bestand zahlreich vorhandenen Glock 17 Holster passen nicht. Die größeren Dimensionen der Glock 20 erfordern die Beschaffung eines neuen Holsters. Kompatibel sind jedoch Holster der .45 ACP Glock 21. Und Dank der relativ weiten Verbreitung beider Modelle, ist der Holsterkauf für eine Glock 20 kein alptraumhaftes Unterfangen.

Die 10mm Auto (Mitte) wurde um drei Millimeter gekürzt.
Es entstand die .40S&W (rechts).
Im direkten Vergleich eine 9x19 (links)


Mehr Energie
Die wenigsten 10mm-Auto-Laborierungen erreichen tatsächlich die magischen eintausend Joule Mündungsenergie. Viele Ladungen, insbesondere zum Training oder Scheibenschießen, bringen es auf moderate 600 bis 800 Joule. (Zum Vergleich: Das Kaliber 9x19 mit acht Gramm Vollmantelgeschoss und 370 Meter pro Sekunde erreicht etwa 550 Joule)
Für eintausend Joule sind bei der 10mm Auto Mündungsgeschwindigkeiten von etwa vierhundert Meter pro Sekunde erforderlich.
Was bei der Recherche zur Patrone 10mm Auto auffällt, sind die zahlreichen XTP (Extreme Terminal Performance) Geschosskonstruktionen, die ihren Anwendungsbereich eindeutig in der Jagd oder zur Selbstverteidigung sehen.
Bei der Federal-Patrone, die zum allgemeinen Training beschafft wurde, handelt es sich um ein 180 Grain Vollmantelgeschoss, das den Lauf der Glock 20 mit gerade einmal 320 Meter pro Sekunde verlässt. Was zu einer Mündungsenergie von etwa 600 Joule führt.

Die Glock MOS (Modular Optic System) kommt mit einer vorbereiteten
Aussparung im Verschluss, die mit LPV-Modellen verschiedener Hersteller
korrespondiert, wie bspw. dem Holosun SCS (Solar Charging Sight)


Generation 5
Natürlich besitzt die Glock 20 alle Merkmale der Generation 5. Die fehlenden Fingerrillen am Griffstück dürften das deutlichste Erkennungsmerkmal der Gen. 5 darstellen. Der Locking Block Pin, der bis zur Generation 4 dem Verriegelungsblock etwas mehr Stabilität im Griffstück verlieh, ist in der Generation 5 nicht mehr vorhanden. Der Verriegelungsblock wird wie bei Gen. 2 wieder nur durch die Abzugsachse fixiert. Des Weiteren ist der Verschlussfanghebel natürlich ebenfalls beidseitig ausgeführt.
Die Frontkontur des Schlittens besitzt die typische Gen. 5 Fase. Zündstiftsicherung und Abzugsfeder sind ebenfalls Gen. 5 typisch.

Das SCS verfügt über drei Absehen-Varianten: Einen 2-MOA-Punkt,
einen 32-MOA-Kreis und beides in Kombination (Foto: Hersteller)


Lauf
Die mit Abstand bedeutsamste Neuerung in der Generation 5 ist der Glock Marksman Barrel (GMB). Der Hersteller versichert hier aufgrund einer neuen Fertigungstechnologie erhöhte Präzision. Die gesammelten Erfahrungen der bisher etwa zehntausend Schuss mit den 9-mm-Modellen Glock 17 und Glock 19X bestätigen dieses Herstellerversprechen vollumfänglich. Spätestens mit dieser neuen Fertigungsqualität dürfte die Eigenpräzision jeder Glock Pistole der Generation 5 der einer überarbeiteten Sportpistole in nichts mehr nachstehen.

Das Wappen der dänischen Hundeschlitten-Fernaufklärer.
Diese 14-Mann starke Spezialeinheit ist für den Grenzschutz und
die Verteidigung der autonomen Region Grönland zuständig und
derzeit weltweit die einzige Einheit, die offiziell eine Glock 20 führt


Verwendung
Ein oft kolportierter Verwendungszweck ist das Führen einer Glock 20 bei Rucksackwanderungen in der nordamerikanischen Wildnis zur Bärenabwehr. Ein Fall, bei dem die Pistole dafür wirklich benutzt worden wäre, ist nicht dokumentiert. Das kann zwei Gründe haben: Entweder gab es keinen Bärenangriff oder der Bär blieb Sieger und irgendwo in Nordamerikas Wäldern liegt jetzt eine herrenlose Glock 20.
Derzeit ist weltweit nur eine Behörde bekannt, die eine Glock 20 offiziell im Bestand hat. Die Slædepatruljen Sirius: Eine 14 Mann starke Einheit der Royal Danish Navy. Diese Hundeschlitten-Fernspäh-Patrouille ist gem. dänischer Verfassung für den Grenzschutz und die Verteidigung der autonomen Region Grönland zuständig. Auch hier stand die Idee des Selbstschutzes gegen (Eis-) Bären bei der Beschaffung Pate.

Die Solarzellen versorgen das batterielose SCS mit Energie


MOS und LPV
Um die Montage eines Leuchtpunktvisiers (LPV) zu vereinfachen, wurde das Modular Optic System (MOS) entwickelt. Der Verschluss der Pistole kommt mit einer vorbereiteten Aussparung, die mit den LPV-Modellen verschiedener Hersteller korrespondiert. Die Glock 20 wurde mit der batterielosen Holosun-Optik Elite SCS bestückt.

Holosun Elite SCS
Das Holosun Elite Solar Charging Sight (SCS) verfügt über keine Batterie, wodurch es sehr leicht bleibt und auf der Waffe sehr tief baut. Die niedrige Bauhöhe erlaubt einen so genannten Co-Witness mit der Standardvisierung der Glock Pistole. Zur Wahl stehen drei verschiedene Absehenvarianten: Ein 2-MOA-Punkt oder ein 32-MOA-Kreis oder beides in Kombination. Die Ausgabefarbe im Absehen ist grün. Die Inbetriebnahme sowie die Wahl des Absehens erfolgt über einen Tastschalter an der linken Seite des LPV.
Die Montage ist denkbar einfach. Im Lieferumfang des Holosun ist ein Werkzeug enthalten, dass sowohl zur Befestigung als auch zum Justieren der Optik benutzt werden kann.

Da wo Punkt auch Treffer?
Ein Vorteil von Leuchtpunktvisieren (LPV), ist der vereinfachte Zielvorgang. Anstelle von Kimme und Korn auszurichten und mit dem hergestellten Visierbild einen Haltepunkt auf dem Ziel zu finden, reicht es beim LPV aus, den Leuchtpunkt auf das Ziel zu legen. Da wo Punkt, auch Treffer – so die landläufige Meinung. Zielfehler des Schützen werden bis zu einem gewissen Grad kompensiert.
Im Praxistest funktionierte das mit der Holosun bestückten 10mm-Auto-Glock außerordentlich gut.
Die Glock 20 trat mit dem Holosun SCS auf fünfzig Meter gegen ein Stahlziel von 25 Zentimeter Breite und 30 Zentimeter Höhe an. Mit offener Visierung wurde dieses Ziel reproduzierbar und hinreichend schnell getroffen.
Mit dem LPV konnte der Zielvorgang zumindest gefühlt schneller bewältigt werden. Während mit Kimme und Korn die Trefferwahrscheinlichkeit in diesem Grenzbereich des Präzisionsanspruchs bei 75 Prozent lag, gab es mit dem LPV nicht einen Fehlschuss. Die Trefferwahrscheinlichkeit lag also bei einhundert Prozent. Ein beachtliches Ergebnis. Die Theorie „Da wo Punkt auch Treffer“ bestätigte sich.

Fazit
Die Glock 20 mit ihrem sprichwörtlich bärenstarken Kaliber ist eine zu wenig geschätzte Option im Handwaffensektor. Je nach Anwendungszweck stehen Laborierungen zwischen moderaten sechshundert und brachialen eintausend Joule zur Wahl. Der Marksman Barrel der Gen. 5 Ausführung dürfte die Eigenpräzision der Waffe noch einmal messbar gesteigert haben.


Technische Daten
Modell: Glock 20
Hersteller: Glock Ges.m.b.H., Österreich
Waffenart: Selbstladepistole
Kaliber: 10 mm Auto (10x25)
L x B x H: 193 x 33 x 139 mm
Lauflänge: 117 mm
Visierlinie: 175 mm
Abzugssystem: Glock Safe Action®
Abzugsgewicht: 2,6 kg
Gewicht: 808 Gramm (mit Magazin, leer)
Mit Magazin, gefüllt: 1.150 Gramm
Magazinkapazität: 15

Mehr dazu in "Die Waffenkultur" Nr. 70

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