Dienstag, 30. Mai 2023

Die Waffenkultur – Ausgabe 70 (Mai/Juni 2023)

 

Ausgabe 70 (Mai/Juni 2023)


Die Mai/Juni Ausgabe hat folgenden Inhalt:

Infanterieporträt (13): Slædepatruljen SIRIUS
Glock 20 in 10mm Auto: Top-Prädator
Bewaffnete Konfrontationen (2): Lektionen
„We travel in Style!“: Waffentaschen von Helikon-Tex
Kursvorbereitung: Kein Hexenwerk
Standardübung (32): The Devil Drill 6/6/6
Hüftgold: TT Modular Hip Bag 3
Das Kalenderblatt: South Armagh Sniper
Recht: Das Duell
Buchempfehlung: „The Four Pillars of Fighting“ von James Yeager
„Left of Bang“ von Patrick van Horne und Jason A. Riley

http://waffenkultur.com


Donnerstag, 25. Mai 2023

Langzeittest: WBP Mini-Jack Tactical (7,62x39)

 

Mit der Invasion in die Ukraine seit 2022 wurde die Einfuhr von Waffen aus russischer Fertigung für den europäischen Zivilmarkt vorerst gestoppt. Die Gewehre des Herstellers WBP könnten eine ebenbürtige Alternative darstellen. Wir haben eine Mini-Jack erworben und beginnen eine neue Testreihe



Von Christian Väth

Die hervorragend verarbeiteten Selbstlader der AK-100-Serie des Kalashnikov-Konzerns sind seit einigen Monaten nur noch vereinzelt als hochpreisige Restbestände erwerbbar. Da kommt es gerade recht, dass der AK-Hersteller Wytwornia Broni Jacek Popinski (WBP) mit Sitz im polnischen Rogów eine lieferfähige Deutschland-Vertretung betreibt. Das Unternehmen fertigt seit 2006 mit seinen 80 Mitarbeitern vorwiegend AK-Systeme in den Kalibern 7,62 x 39 Millimeter sowie .223 in verschiedenen Ausstattungskonfigurationen. Eine Verbindung zur Traditionsfertigung in Radom besteht weder hinsichtlich des Personals noch im eigens beschafften, modernen Maschinenpark.

Der Mini-Jack hat mit Festschaft eine
Gesamtlänge von 78 Zentimeter


Testwaffe
Die Produktpalette von WBP umfasst zwei Grundtypen: Eine AKM-ähnliche Konfiguration namens „Jack“ mit einer Lauflänge von 41,5 Zentimetern sowie eine Kompaktvariante mit 25,9 Zentimetern („Mini-Jack“). Beide Waffen können in drei verschiedenen Schaftvarianten bestellt werden. Neben dem klassischen Holz, stehen auch Polymer und Aluminium zur Verfügung. Die letzte Option bietet durch einen Quad-Rail-Handschutz (Picatinny-Standard) werksseitig die Option, ein Reflexvisier auf dem Handschutz anbringen zu können. Als Testwaffe wurde eine „Mini-Jack“ im Kaliber 7,62 x 39 Millimeter mit Quad-Rail-Handschutz gewählt. Zusätzlich wurde ein Handschutz-Unterteil aus Polymer geordert. Zum einen wird nur eine der vier Schienen benötigt, zum anderen ist von der Kunststoffvariante eine bessere Ergonomie für diesen Referenzpunkt zu erwarten.

Weißes Lithiumfett eigent sich zum
Schmieren der AK hervorragend


Fertigung in Rogów
Das Gehäuse wird wie bei praktisch allen modernen AK-Systemen im Blechprägeverfahren hergestellt. Die Oberflächenbehandlung besteht aus einer Phosphatierung, das heißt es wird eine Phosphat-Lösung auf den Stahl aufgebracht und durch eine chemische Reaktion entsteht eine sogenannte Konversionsschicht. So wird die Oberfläche korrosionsbeständig. Zusätzlich wird noch ein Schutzlack eingebrannt. Bei der Laufhaltebuchse und dem Verschlussträger handelt es sich um Schmiedeteile, welche mit einer Präzisionsfräse nachbearbeitet werden. Der Verschlussträger ist hartverchromt, deshalb die silberne Färbung. Frühere Gewehre von WBP erhielten ihre Läufe aus der Produktion in Radom, mittlerweile fertigt man in Rogów jedoch selbst. Dazu werden gehämmerte Rohlinge tieflochgebohrt und abschließend gehont (Glättung der Metalloberfläche im Lauf). Die Produktion ist durch den Einsatz moderner CNC-Maschinen (Computerized Numerical Control) weitestgehend automatisiert. Die Qualitätskontrolle der Baugruppen wird durch den Einsatz von dreidimensionaler Messtechnik sichergestellt.

Der modernisierte Sicherungshebel lässt
sich mit dem Zeigefinger bedienen


Ersteindruck
An der Testwaffe wurden lediglich die notwendigen Schmierpunkte mit weißem Lithiumfett gesetzt und ein AK-Riemen von Blue Force Gear montiert. Danach konnte die sehr kompakte WBP „Mini-Jack“ (Gesamtlänge: 78 Zentimeter) innerhalb von fünf Minuten mit sechs Schuss und einer Zange nach der 23-Meter-Methode justiert werden. Im Anschluss absolvierte der Autor in zwei Trainingsterminen verschiedene Standardübungen wie den 5/1-Failure-Drill oder den Grid of Fire nur mit der mechanischen Visierung. Bisher wurden 74 Schüsse abgegeben, zu Störungen kam es nicht.
Die Schulterstütze ist zweckmäßig geformt und absolut ausreichend. Soll die Waffe im Transport noch kleiner ausfallen, wäre auch ein Austausch gegen einen Klappschaft möglich. In diesem Fall muss die WBP dann in Deutschland aber bereits als halbautomatische Pistole angemeldet werden. Der modernisierte Sicherungshebel lässt sich mit dem Zeigefinger bedienen. Die Formgebung des dafür notwendigen Zusatzbleches ist angenehmer als bei Kalashnikov. Die obligatorische Schiene auf der linken Gehäuseseite ist ebenfalls vorhanden und erlaubt das Anbringen russischer Original-Optiken und weiterer Anbauteile. Der Mündungsfeuerdämpfer im AKSU-Stil ist durch einen federgelagerten Stift gesichert und reduziert die sichtbare Signatur deutlich.

Die obere Picatinnyschiene erhält ein
Aimpoint T-1 mit flacher Montage


Ausblick
Die mechanische Standardvisierung muss durch die kurzen Gesamtabmessungen mit einer noch kürzeren Visierlinie als bei einer AKM auskommen. Reproduzierbare Treffer jenseits der 200 Meter sind in dieser Konfiguration und bei den üblichen Schwächen der AK-Eisenvisiere eher nicht zu erwarten. Daher soll auf der Picatinny-Schiene oberhalb des Gasrohres ein Aimpoint Micro T-1 mittels der niedrigsten Spuhr-Montage (QDM-2001) angebracht werden.

Der Mündungsfeuerdämpfer im AKSU-Stil ist
durch einen federgelagerten Stift gesichert
und reduziert die sichtbare Signatur deutlich


Service
https://wbprogow.de/

Technische Daten
Hersteller: WBP
Modell: Mini-Jack Tactical
Kaliber: 7,62 x 39 mm
Waffenart: Langhub-Gasdrucklader (AK)
Lauflänge: 259 mm
Gewicht: 3,3 kg (ohne Magazin)
Preis: UVP 1.270 Euro
Vertrieb: WBP Deutschland UG


Mittwoch, 10. Mai 2023

Langzeittest: OA-15 M5 (Nr. 09)

 

AK-Kurs

Gesamtschusszahl: 810 + 130 = 940
Davon mit SD: 0

Störungen Typ I: 0
Störungen Typ II: 0
Störungen Typ III: 0
Störungen Typ IV: 0


Vorteilhafte Konfiguration:
OA-15 M5 und ELCAN Specter



Gemeinsam mit ihren Sowjetschwestern erlebte das OA-15 M5 zwei Tage AK-Kurs bei bestem Frühlingswetter. Insgesamt absolvierte das M5 etwa 130 Schuss.
Ausgestattet mit dem ELCAN-Specter bewies das OA-15 in Sachen Präzision die Noch-Überlegenheit des parasitären Imperialismus gegenüber dem Sowjetsystem.

Die Übung Rifleman konnte
fehlerfrei geschossen werden


Archiv
Nr. 00 (Erstvorstellung)
Nr. 01 (Einschießen Offene Visierung)
Nr. 02 (Erster Gewehrkurs)
Nr. 03 (Gewehrkurs CCO mit ELCAN)
Nr. 04 (Rifleman mit ELCAN)
Nr. 05 (Das Präzisionswunder)
Nr. 06 (Neue Teile)
Nr. 07 (ZF-Montage)
Nr. 08 (660 Meter)
Nr. 09 (AK-Kurs)


Donnerstag, 4. Mai 2023

The Fitz Special: Colt Detective Special Fitz

 

Die von J. Henry FitzGerald modifizierten Colt Revolver sind zu begehrten Sammlerobjekten avanciert. Vor einhundert Jahren gehörte es fast schon zum guten Ton, einen „Fitz Special“ zu führen. Der durchbrochene Abzugsbügel ist da nur das augenscheinlichste Merkmal

Ein Colt Official Police schätzungsweise aus dem
Jahr 1937. Hammer und Abzugsbügel sind modifiziert
(Foto: adalwulf.pranger)


Der Revolver ist mit der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika so eng verwoben, wie mit kaum einen anderem Land. Er steht symbolisch gleichermaßen für Pioniergeist, Gebietsexpansion gen Westen und berüchtigte Räuberbanden sowie legendäre Gesetzeshüter. Er war bis weit in das Zwanzigste Jahrhundert hinein Dienstwaffe US-amerikanischer Polizisten. Und ist es vereinzelt dieser Tage vermutlich immer noch.
Die großen Hersteller des Neunzehnten Jahrhunderts waren Colt und Remington. Im Zwanzigsten Jahrhundert kamen Smith & Wesson und Ruger hinzu. Kaliber, Lauflängen, Rahmengrößen und Modellvarianten verlieren sich zahlenmäßig in der Unüberschaubarkeit.
Durch individuelle Modifikationen wird diese Variantenvielfalt zusätzlich noch erhöht. Eine dieser Umbauten stammt von J. Henry FitzGerald und erlangte in der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts eine beachtliche Reichweite.

Um das Hängenbleiben beim Ziehvorgang aus einer Jackentasche
heraus zu reduzieren, wurde der Hammer fachmännisch gestutzt
(Foto: Auktionshaus James D. Julia)


J. Henry FitzGerald
Den im Jahre 1876 geborenen FitzGerald würde man heute als Schusswaffenexperten bezeichnen. Vermutlich hätte er seine eigene Doku-Serie im Discovery-Channel und mehrere Hunderttausend Follower in sozialen Medien.
J. Henry FitzGerald war ein begabter Büchsenmacher, erfolgreicher Wettkampfschütze und leistete zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts Pionierarbeit auf dem Gebiet der ballistischen Forensik. Außerdem soll der reckenhaft gewachsene J. Henry der Teilnahme an organisierten Faustkämpfen (sog. Bare Knuckle Fights) nicht abgeneigt gewesen sein.
Ab dem Jahr 1918 arbeitete er für den Waffenproduzenten Colt Firearms bis er 1944 in Ruhestand ging. J. Henry FitzGerald verstarb im Juli 1945.

Ein Colt New Service Revolver mit der Seriennummer 321184,
wie er 1924 das Werk verließ (Foto: Winston Wolfe Collection)


Modifikation:
Lauf, Korn und Hammer

Etwa ab dem Jahr 1924 begann „Fitz“ serienmäßige Colt Revolver zu modifizieren. Die ersten Umbauten galten dem Kürzen des Laufs auf zwei Zoll und dem Austausch des Korns. Nach seiner Ansicht sollte das Korn beim Schießen deutlich sichtbar sein. Entsprechend markant fielen die Kornvarianten von FitzGerald aus. Darüber hinaus wurde am Hammer so viel Material abgetragen, damit seine eigentliche Funktion gerade noch gewährleistet werden konnte. Ein Vorspannen mit dem Daumen war aber nicht mehr machbar und nach Meinung des Konstrukteurs auch nicht notwendig.
Diese Änderungen zielten offensichtlich auf eine bessere Führigkeit beim verdeckten Tragen ab. Die kleinen Snub-Nose-Revolver wurden nicht selten unmittelbar in der Manteltasche oder im Jackett geführt. Ein abgerundeter Hammer erleichterte den Ziehvorgang ohne die Gefahr des Hängenbleibens.

Ein Colt New Service Fitz aus dem Jahr 1930 (Seriennummer 332029)
mit den typischen Fitz-Modifikationen. Das Korn ist modifiziert,
der Hammer abgerundet und der Abzugsbügel frontseitig entfernt
(Foto: Winston Wolfe Collection)


Modifikation:
Abzugsbügel, Zylinderachse

Eine weitere Änderung betrifft den Abzugsbügel der Fitz-Revolver. Bare Knuckle Fighter mit grobschlächtigen Händen und überhaupt alle Menschen mit langen Gliedmaßen haben mitunter Probleme, ihren Abzugsfinger in den Abzugsbügel von kleinen Taschenpistolen und Snub-Nose-Revolver zu bekommen. Vermutlich gehörte auch J. Henry FitzGerald zu diesem Personenkreis.
Die Lösung bestand für ihn darin, die vordere Hälfte des Abzugsbügels zu entfernen.


Zwei von insgesamt etwa fünfzig überarbeiteten New Service Colt
Revolvern mit den Seriennummern 349064 und 352371 aus den
Jahren 1940 und 1941. Beide Fitz-Gerald Specials Revolver haben
Kaliber .45 Colt und gehören heut zur Robert Q. Sutherland Sammlung.
Die vergrößerten Griffstücke sind Tyler T-Grip Extensions. Erfunden
von Melvin Tyler im Jahr 1940. (Quelle: The Book of Colt Firearms,
R.Q. Sutherland und R.L. Wilson, Verlag: Robert Q Sutherland 400 Main
Kansas City, 1. Auflage 1971, S. 361)


Sicherheitsaspekte
Die Idee, den vorderen Teil des Abzugsbügels zu entfernen, löst zumindest bei Schießausbildern der Neuzeit ein Gefühl der inneren Anspannung aus.
Einen Revolver mit einem derart modifizierten Abzugsbügel in der Jackett- oder Manteltasche zu führen, erfordert eine gewisse Kaltblütigkeit. Die Gefahr einer ungewollten Schussabgabe steigt, insbesondere auch beim Holstern der Waffe. Da sich vor achtzig oder neunzig Jahren die Sicherheitsregeln für den Umgang mit Schusswaffen noch nicht manifestiert hatten, dürften ungewollte Schussabgaben mehr oder minder an der Tagesordnung gewesen sein. Weswegen auch keine Dokumentation selbiger erfolgte. Erst ein gutes Viertel Jahrhundert nach FitzGerald brachte Jeff Cooper grundlegende Sicherheitsregeln ins Spiel.


Links ein Colt Bankers Special (Kaliber .22) mit der Seriennummer 366169,
rechts ein Colt New Service im Kaliber .45 Colt mit der Seriennummer 329255.
Beide Waffen tragen die Inschrift „Fitz“ und wurden nach dem Tod des
Konstrukteurs von seiner Witwe weiterverkauft und gehören heute zur
Robert Q. Sutherland Sammlung. (Quelle: The Book of Colt Firearms,
R.Q. Sutherland und R.L. Wilson, Verlag: Robert Q Sutherland 400 Main
Kansas City, 1. Auflage 1971, S. 385)


Stückzahl
Eine genaue Stückzahl der original Fitz-Umbauten ist nicht dokumentiert. Als relativ genau wird die Zahl von fünfzig Fitz Revolvern der Modelle New Service, Bankers und Detective Special angenommen. Das erste von FitzGerald modifizierte New Service Modell soll im Nummernkreis um die Seriennummer 332.000 zu verorten sein. Darüber hinaus, so die Schätzung, soll es nicht mehr als weitere fünfzig Colt Revolver geben, die eindeutig J. Henry FitzGerald zuzuordnen seien.
Eine nicht zu benennende Anzahl an Umbauten soll erst nach dem Tod von J. Henry FitzGerald entstanden sein.

In der Fernsehserie „Blue Bloods“ nutzt Schauspieler Tom Selleck
einen Fitz-Revolver aus seiner eigenen Sammlung


Anwender
Die Benutzer von Fitz-Revolvern sind mitunter prominent oder Personen von historische Bedeutung.
Colonel Rex Applegate und William E. Fairbairn nutzten Fitz Revolver. Beide sollen mit Henry FitzGerald befreundet gewesen sein und erhielten ihre Modelle persönlich von FitzGerald. Fairbairn besaß einen Fitz Revolver im Kaliber .455 Webley. Die Waffe soll nach seinem Tod in den 1960er Jahren von britischen Behörden zerstört worden sein.
Flugpionier Charles Lindbergh erwarb im Jahr 1934 einen Fitz Detective Special, welchen er auch führte.
Staatsanwalt Maurice Milligan aus Kansas erwarb einen Fitz Special um 1933. Bekannt wurde Milligan als Chefankläger in zahlreichen Anti-Mafia Prozessen.
Das Verbrecherpärchen Bonnie und Clyde soll mindestens einen Fitz Revolver bei ihren Raubzügen erbeutet haben.
US-Schauspieler Tom Selleck besitzt in seiner eigenen Sammlung einen Fitz Special, den er bspw. in der Fernsehserie „Blue Bloods“ nutzt.

J. Henry FitzGerald etwa um 1930



Fazit
Für einen Original Fitz Special, der anhand seiner Seriennummer auch noch einer zeitgenössischen oder gar prominenten Person zugeordnet werden kann, sind Sammlerpreise von fünfzigtausend US-Dollar durchaus denkbar.

Mehr dazu in "Die Waffenkultur" Nr. 66