Freitag, 17. April 2020

Schießausbildung bei den U.S. Marines


Die U.S. Marines ändern ihre Schießausbildung. Während die Schießgrundausbildung der Rekruten unverändert beibehalten wird, versucht man Aufbaumodule sowie das jährliche Qualifikations- schießen näher an die Realität des Kampfgeschehens anzupassen

(Foto: Lance Cpl. Kerstin Roberts / Marine Corps)


Von Arne Mühlenkamp

Ende 2019 überraschte das U.S. Marine Corps mit einer Meldung: Die Schießausbildung wird strukturell und vom Gesamtumfang her geändert. Experten zufolge ist es die drastischste Änderung der letzten einhundert Jahre. Dabei gilt die Schießausbildung der U.S. Marines seit jeher als besonders anspruchsvoll. Vor allem betroffen sind die jährlichen Qualifikationsübungen, die jeder Marine schießen muss.
Angekündigte hatte sich diese Entwicklung schon Anfang 2019, als das U.S. Marine Corps auf einigen Großschießständen, die zur Ausbildung genutzt werden, ein neues Auswertungssystem implementierte. Das System zur elektronischen Trefferaufnahme heißt intern KDAS (known distance automated scoring) und beruht auf dem bekannten System des Herstellers Silver Mountain Target (SMT). KDAS wird vor allem für das Marksmanship Training genutzt und soll die Auswertezeiten deutlich reduzieren. Gleichwohl betont das Corps, dass die Schießgrundausbildung für Rekruten unverändert bleiben wird.

Die Zeiten, in denen Marines auf die Auswertung der Schießergebnisse warten mussten sind vorbei. In 2019 wurde das KDAS System eingeführt. (Lance Cpl. Kerstin Roberts / Marine Corps)


Änderungen im Überblick
Qualifikationsübungen sind in kompletter Gefechtsbekleidung zu schießen. Jeder Marine nutzt nur noch seine Standardwaffe; entweder M4 oder M16 oder M27. Es gibt nur noch ein Zielmedium; keine 10er-Ringscheiben, keine anderen Match-ähnlichen Scheiben. Mehr Realitätsnähe durch bewegliche Ziele. Wirkungstreffer und Kopftreffer bekommen höhere Priorität. Kein sitzender Anschlag mehr. Es gibt nur noch die Anschlagsarten Stehend, Kniend und Liegend.
Eine Auswertung mit dem Zählen der erreichten Ringe entfällt. Es entscheidet nur noch „Ziel bekämpft“ oder „Ziel nicht bekämpft“. Kürzere Zeitlimits beim Schießen.

Es gibt nur eine Scheibe für alle Qualifikationsübungen


Die jährliche Qualifikation
Die jährliche Qualifikation, die jeder U.S. Marine durchlaufen muss, verkürzt sich auf drei Tage. Die zu erfüllenden Standards werden angehoben. Die kämpfende Truppe begrüßt diese Änderungen. Übungen des bisherigen Qualifikationsparcours hatten kaum mehr Praxisbezug zu den Anforderungen des Gefechtsfeldes. Der Gesamtablauf erschien insbesondere den Kampfveteranen veraltet. Das Auswertesystem ließ es mitunter zu, dass ein Marine sich als „Expert“ qualifizieren konnte, ohne auch nur einen Wirkungstreffer auf dem 500-Yard-Ziel platziert zu haben.
Im neuen Ablauf werden an Tag 1 die Waffen eingeschossen und Anschlagsvarianten wiederholend geübt. Alle Schießübungen werden von „Nah“ nach „Weit“ zu Trainingszwecken geschossen, inklusive Nachtschießen.
An Tag 2 absolvieren die Marines die komplette Übungsabfolge. Dabei (und das ist neu) beginnen Sie auf weite Distanz (500 Yard) und nähern sich mit jeder Schießübung dem Ziel weiter an; bis zur Nahdistanz auf 15 Yard. Diese Abfolge ist logisch und entspricht auch der Kampfweise.
Am dritten Tag wiederholt sich dieser Ablauf mit dem eigentlichen Qualifikationsschießen.
Geschossen wird nur noch aus den Anschlägen Stehend, Kniend und Liegend. Aber; und das ist ebenfalls neu; der Marine darf nach eigenem Ermessen eine Anschlags-Unterstützung wählen. Entweder mit Schießriemen, Zweibein oder Rucksack. Auch das Aufstützen der Waffe auf das Magazin ist zulässig. Der Anschlag Sitzend wird wohl noch im Marksmanship Development Programm des Marine Corps gelehrt; im jährlichen Qualifikationsschießen findet er nicht mehr statt.
Neu ist auch, es gibt keine vorgeschriebenen Positionen mehr für das Schießen hinter Barrikaden.

Der Sitzendanschlag findet im Qualifikationsschießen nicht mehr statt. (Photo by Pfc. Carlin Warren / Marine Corps)


Vereinfachung
Im Qualifikationsschießen wird es nur noch ein einziges Zielmedium geben: Eine Mannscheibe in schwarzer Kleidung mit Sonnenbrille, Bart und Kalaschnikow. Eine Auswertung im Sinne von „Ringe zählen“ findet nicht mehr statt. Obwohl es noch die Treffervarianten destroy /  neutralize /  suppress und miss gibt, ist für das Bestehen der Schießübung ein „destroy“ erforderlich.
Mit dieser Neuerung will das Marine Corps nicht nur die Auswertezeiten verkürzen, sondern seine Marines auch dazu erziehen, bessere Wirkungstreffer anzubringen.
Bspw. ist der zu erfüllende Standard: Fünf Schuss über 500 Yard innerhalb von 45 Sekunden. Oder auf 15 Yard ein Kopfschuss innerhalb von drei Sekunden.

U.S. Marine Pfc. Dustin Miller, a low altitude air defense gunner with 3rd Low Altitude Air Defense Battalion, 3rd Marine Aircraft Wing, fires his M16A4 service rifle during his annual rifle qualification on Marine Corps Base Camp Pendleton, California, Oct. 10 2019 (Lance Cpl. Alison Dostie / Marine Corps)


Fazit
Die Rückmeldungen aus der Truppe seien bisher durchweg positiv, so die Marine Corps Time. Die U.S. Marines sehen sich mit dem ARQ (jährliches Qualifikationsschießen) und dem damit verbundenen Training besser auf Kampfeinsätze vorbereitet. Dennoch sind sich die Marines darüber im Klaren, dass die Schießgrundausbildung im Corps zu den besten weltweit gehört.

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