Freitag, 24. Februar 2023

Neue Patronen: Straight-wall bis Hyper Velocity

 

Im Zuge der SHOT 2023 fanden auch neue Patronen oder Laborierungen den Weg an die Öffentlichkeit. Einige haben Verwendungszwecke, die ausschließlich für den US-Markt typisch sind. Andere könnten über kurz oder lang auch nach Europa und Deutschland kommen. Wir geben eine Übersicht


Von Arne Mühlenkamp

Straight-wall Patronen sind in einigen US-Bundesstaaten zur Jagd
auf Rotwild gesetzlich vorgeschrieben. Die 360 Buckhammer von
Remington ist das neuste Kind dieser Patronenfamilie
(Foto: Hersteller)


Remington 360 Buckhammer
Das Kaliber 360 Buckhammer gehört zu einer Munitionskategorie, die aufgrund von Besonderheiten im Jagdgesetz einzelner US-Bundesstaaten nur in den USA selbst eine nennenswerte Verbreitung finden wird.
Für die Jagd auf Rotwild ist in den USA staatenweise Gewehrmunition vorgeschrieben, die eine zylindrische Hülse hat; eine sog. Straight-wall Cartridge. In einigen Staaten der Ostküste war sogar lange Zeit die Verwendung von Flintenlaufgeschossen ausschließlich vorgeschrieben, um die Reichweite des Projektils bei etwaigen Fehlschüssen zu reduzieren. Staaten wie Ohio, Indiana, Iowa, and Michigan erlauben zwar Gewehrmunition, die darf für Jagd auf Rotwild aber keine Hülse mit einer Schulter haben. Typische Jagdkaliber sind unter dieser Gesetzeslage die .444 Marlin, .450 Marlin und die .45/70 Government, welche wiederum vorzugsweise aus Lever Action Gewehren verschossen werden. Um eine taugliche Jagdlaborierung auch aus AR-15 Gewehren nutzen zu können, wurde vor einigen Jahren (etwa 2007) die Patrone .450 Bushmaster konstruiert.
Das jüngste Kind dieser Straight-wall Patronenfamilie ist die 360 Buckhammer von Remington. Nach Herstellerangaben vereint die Patrone alle Vorzüge bekannter Straight-wall ohne deren Nachteile aufzuweisen. Das .358-Projektil wiegt entweder 180 gr oder 200 gr und verlässt den Lauf mit einer Mündungsgeschwindigkeit etwa 730 Meter pro Sekunde. Es besitzt eine relativ flache Flugbahn. Die Einsatzdistanz sieht Remington bei etwa zweihundert Yards. Zum Zeitpunkt gibt es mindestens vier Gewehrmodelle des Herstellers Henry Repeating Arms, die für das neue Kaliber eingerichtet sind. Alle, mit einer Ausnahme, sind Lever Action Modelle. Die Ausnahme bildet ein Einzellader-Modell, das wiederum spezifischen Jagdgesetzen auf Bundesstaatenebene genügt.

Remington 360 Buckhammer (Foto: Hersteller)

Speer reagiert mit dem 135-gr-Gold-Dot Geschoss auf die höheren
Geschwindigkeiten aus den längeren Läufen der AR-15 Carbine Modelle
(Foto: Hersteller)


Speer Gold Dot Carbine
Die Gold-Dot-Projektile des US-Herstellers Speer haben wegen ihrer hohen Deformationsbereitschaft einen ausgezeichneten Ruf im Segment der Verteidigungsmunition für Kurzwaffen. Erst zu Beginn 2023 schloss Frankreich einen Vierjahresvertrag über die Lieferung von insgesamt zwanzig Millionen Schuss 9-mm-Munition ab. Französische Polizei, Gendarmerie, Zoll und Strafvollzug werden ab sofort mit Speer 124-gr-Gold-Dot Munition ausgerüstet.
Die zunehmende Verbreitung, insbesondere in den USA, von AR-15 Modellen im Kaliber 9mm Luger, veranlasste den Munitionshersteller aus Idaho zu einer Weiterentwicklung seiner 9mm Speer Gold Dot Serie. Die höheren Anfangsgeschwindigkeiten, die aus den längeren Carbine-Läufen entstehen, haben Einfluss auf das Deformationsverhalten der Projektile. Eine Geschosskonstruktion, die aus einem kürzeren Pistolenlauf eine optimale Zielballistik aufweist, kann aus einem längeren Lauf und einer höheren Vo drastisch an Wirkung verlieren. Speer reagiert mit einer Patrone, die ein 135-gr-Geschoss trägt. Die Laborierung heißt Gold Dot Carbine und soll nach Herstellerangaben sowohl beim Beschuss auf reine Gelatine als auch nach dem Durchdringen stärkerer Kleidungsschichten die gleiche zielballistische Wirkung haben.

Die neue OverWatch® Munitionslinie vom
US-Hersteller Liberty Ammunition
(Foto: Hersteller)


Liberty Ammunition OverWatch
In den vergangenen Jahren haben immer mehr US-Bundesstaaten die Gesetzgebung zum verdeckten Führen von Kurzwaffen erleichtert. Das beschert nicht nur Waffenherstellern steigende Umsätze, sondern auch Munitionshersteller profitieren vom Concealed-Carry Boom. Mitunter entwickelt sich ein Markt so stark, dass auch neue Hersteller sehr gut Fuß fassen können.
Liberty Ammunition aus Florida beschreitet bei der Konstruktion von Hohlspitzgeschossen einen grundlegend anderen Weg, als andere Hersteller. In der Energieformel mv² ist Geschwindigkeit der exponentielle Faktor. Liberty Ammunition versorgt seine Projektile daher mit wesentlich mehr Vortrieb. Anfangsgeschwindigkeiten von 620 Meter pro Sekunde und mehr als 600 Joule Mündungsenergie im Kaliber 9mm Luger sind dabei keine Seltenheit. Erreicht werden diese Werte mit sehr leichten Geschossgewichten von teilweise 50 gr. Beschussversuche in ballistischer Gelatine zeigen beeindruckende Resultate. In der sog. Civil Defense Ultra-Lights Serie sind alle gängigen Kurzwaffenkaliber von .380 Auto bis 10mm Auto erhältlich; sowie die Langwaffenkaliber .223 Rem und die 300 Blackout. Im Kaliber 10mm Auto erreicht das 60-gr-Geschoss beachtliche 730 Meter pro Sekunde und mehr als eintausend Joule Mündungsenergie.
In 2023 wird es neben der Ultra-Lights Linie die neue OverWatch-Linie geben. Die Anfangsgeschwindigkeiten der Liberty Ammo OverWatch-Projektile werden im Schnitt um achtzig Prozent höher liegen, als bei vergleichbarer Selbstverteidigungsmunition. Die zielballistische Wirkung wurde gem. Herstellerangaben nochmals gesteigert. Vorerst wird die OverWatch-Linie die Kaliber 9mm Luger, .45 ACP, .357 Magnum, 10mm Auto, .223 Rem und 300 Blackout umfassen. Die Munitionsreihe ist am nickelfarbigen Projektil und der schwarzen Hülse zu erkennen.

Für Kurzwaffenmunition ergibt sich
eine beeindruckende Terminalballistik
(Foto: Hersteller)


CCI Clean-22 Hyper Velocity
Kleinkaliber-Randfeuerpatronen mit polymerbeschichteten Geschossen gibt es schon seit einigen Jahren. Das hat für Anwender mit hohen Verbräuchen vor allem zwei Vorteile: Einer nachweislich gesundheitsschädigenden Bleiemission kann vorgebeugt werden und die deutlich geringere Bleiablagerung im Lauf erweitert notwendige Putzintervalle bei verminderter Putzintensität.
Neu an der Hyper Velocity von CCI ist im Gegensatz zur High Velocity desselben Herstellers das 31-gr-Geschoss (anstatt der 40 gr), was zu einer Anfangsgeschwindigkeit von 470 Meter pro Sekunde führt.

Hyper Velocity: polymerbeschichtetes 31-gr-Geschoss
mit 470 Meter pro Sekunde Vo
(Foto: Hersteller)

(Foto: Hersteller)


Hornady 7 mm PRC
Es gibt immer eine Lücke. In der Welt der Munitionssorten muss man sie nur finden. Branchenprimus Hornady findet diese Lücke zwischen der 6.5PRC und der 300PRC. Mit dem Design der Kaliberserie der Precision Rifle Cartridge (PRC) vor etwa zehn Jahren erlebte die Welt der Long Range Schützen eine Zeitenwende. Erstmals wurden auf Grundlage sowohl wissenschaftlicher als auch praktischer Erfahrungen Patronen explizit für den Einsatz über weite Distanzen konzipiert. Das erste Kind dieser Serie war die 6.5PRC (2013/2018), die vornehmlich unter Wettkampfbedingungen eingesetzt wurde. Die 300PRC folgte in 2018/2019 und sollte vorwiegend zur Jagd auf 4-beinige oder 2-beinige Beute eingesetzt werden. Schnell zeigte sich die Austauschbarkeit beider Kaliber in der jeweiligen Rolle. Um Spannung aus der Debatte, welche Patrone die bessere sei, zu nehmen und Langdistanzgrabenkämpfe zu vermeiden, entschied sich Hornady zur Markteinführung eines Mittelwegs: Die 7 mm PRC stellt nach Herstellerangaben die ideale Mehrzweck Long-Range-Patrone dar. Mit der Ersteinführung wird die neue PRC-Ladung in drei verschiedenen Laborierungen kommen: Als 175 gr Precision Hunter, einer 180 gr Match Ladung und einer 160 gr so genannten CX Outfitter Ladung. Die ersten Hersteller bieten bereits Gewehre für 7 mm PRC an, bspw. die auf der SHOT neu vorgestellte Mossberg Patriot Predator™.
Die Anfangsgeschwindigkeit soll bei etwa 910 Meter pro Sekunde liegen. Die Restenergie soll nach fünfhundert Metern immer noch beachtliche 2.800 Joule betragen. Das Ganze bei einer deutlich flacheren Flugbahn und gefühlt weniger Rückstoß als im direkten Vergleich zur ballistisch sehr ähnlichen 7mm Rem Magnum.

Schließt die Lücke zwischen der 6.5PRC
und der 300PRC: Die neue 7 mm PRC
(Foto: Hersteller)


(Foto: Hersteller)


5,7x28 Millimeter
Die 5,7x28 ist nicht neu. Seit ihrer Entwicklung in den 1980er Jahren und der Markteinführung in den 1990er Jahren war das Nischenkaliber; abseits der ihr angedachten behördlichen Verwendung als Patrone für „personal defense weapons“ (PDW); im Zivilmarkt lediglich eine Randerscheinung. Mit dem Auftauchen neuer Waffen im Kaliber 5,7x28 anlässlich der SHOT 2023 dürfte die Patrone zumindest in den USA eine Renaissance erleben. Smith & Wesson präsentierte die Selbstladepistole M&P5.7. Ruger legt eine Carbine-Variante seiner Ruger-57™ mit 16,75-Zoll-Lauf auf und die Bastler von Kel-Tec scheinen ihre P50 noch einmal überarbeitet zu haben.

Mit neuen Waffenmodellen auf dem Markt könnte auch
die 5,7x28 wieder stärker nachgefragt werden
(Foto: Hersteller)



Dienstag, 21. Februar 2023

Oberland Arms G96c

 

G96c: Das Oberklasse-Flaggschiff aus Huglfing in Bayern verspricht neben einem Custom Shop Design auch eine Topausstattung mit allem, was Oberland Arms an Extras und Anbauteilen zu bieten hat. Die Waffenkultur hat ein Gewehr aus laufender Produktion angekauft und über zweckdienliche 2.500 Schuss getestet



Von Jan Oettgen

Das in Bayern neben Premium-Autos auch Waffen von absoluter Premium-Qualität gefertigt werden, ist dem Oberland Arms Kenner und Kunden nicht neu. Neben der sehr guten Black Label und den exzellenten Premium-PR-Modelle ist mit dem G96c ein Flaggschiff-Modell oberhalb der PR-Serie entstanden. Verrückt? – Nicht wirklich!

Beim OA-15 G96c sind viele Extras, die Oberland Arms zu bieten
hat, inkludiert. (Das LPV EO-Tech ist nicht inklusive)

Spannschieber und die 60-Grad-Sicherung
funktionieren ambidexter


Die Vergleichswaffen

In einem über zwei Monate andauernden Test musste das G96c sich gegenüber einer OA-15 M4 Black Label und einer OA-15 Premium M8 behaupten. Die Ergebnisse waren teilweise überraschend.

Geschmiedetes Gehäuse in 7075T6 Aluminium,
harteloxiert und mit höchstem Qualitätsanspruch


Das System
Das OA G96c ist, OA-Typisch, ein direct-impingement System. Die Ausstattung ist üppig. Die Waffen besitzen geschmiedete Gehäuse mit engen Passungen nach Mil-Spec in 7075T6 Aluminium, harteloxiert in Cerakote Battleship Grey. In der Testwaffe arbeitet ein 12,5 Zoll langer Lothar Walther LW50 Stainless Steel Matchlauf mit exklusivem OA-Design ebenfalls in Cerakote Battleship Grey.
Die Dralllänge beträgt 1/7 und das Patronenlager ist als 5.56-Lager ausgeführt. Das Mündungsgewinde hat die Dimension ½-28 und ist ab Werk mit dem hauseigenen OA-KDA Mündungsfeuerdämpfer bestückt.
Die Verschlussbaugruppe und der KDA-Mündungsfeuerdämpfer sind verschleißmindernd kupferfarben PVD beschichtet. Der Vorderschaft ist ein 11,5 OA MDR light mit M-LOK Schnittstellen und durchgehender Picatinny Top-Rail sowie einer kurzen Picatinny-Schiene vorn rechts. Die Beschichtung ist im Farbton Cerakote Coyote Tan ausgeführt.
Die Abzugseinheit ist eine Geissele G2S Druckpunkt Matchabzug.
Der Spannschieber und die 60-Grad-Sicherung sind beidseitig bedienbar. Die offene Visierung ist ein Eratac Klappvisier aus Stahl. Die Mil-Spec Buffertube ist ebenfalls in Cerakote Coyote Tan beschichtet. Der OA M4 Schubschaft ist wie gewohnt in sechs Positionen verstellbar. Er besitzt das aktualisierte Golfball-Design in Coyote.
Darüber hinaus sind im Lieferumfang enthalten: Zwei OA Griffe New-Generation 15° in den Größen L und M. Drei Stück OA Active Mag 10-Schuss-Magazin (in Coyote). Drei Stück OA M-LOK Rail-Abdeckungen auch in Coyote sowie ein Waffenkoffer.

Der hauseigene OA-KDA Feuerdämpfer besitzt ein
Außengewinde zur Aufnahme des OA Blast Deflector oder des
Knalldruckabweisers in Stahl- oder Titanausführung


Weitere Extras
Das sehr hochwertige System überrascht noch mit weiteren durchdachten Bauteilen. Die Gasentnahme ist verstiftet und damit gegen Verdrehung gesichert. Das bedeutet eine einfache und automatisch korrekte Montage. Weiterer Pluspunkt: Die Gasentnahme besteht nur noch aus einem Teil zzgl. Splint. Echter durchdachter Minimalismus. Dieser Minimalismus zieht sich durch das ganze System der Waffe. Ein weiteres Beispiel stellt der Handschutz dar. Neben der üblichen durchgehenden Picatinny Top-Rail gibt es ausschließlich eine kleine Picatinny-Schiene vorne rechts, z.B. für den Anbau eines Lichtmoduls.
Unnötige Spielerrein sind am G96 keine zu finden. Diese Konsequenz spiegelt sich schlussendlich im Gesamtgewicht des Gewehrs wieder. Leichte 2,9 Kilogramm zeigt die Waage. Durchaus beindruckend für ein robustes AR-15.
Optische Highlights sind der mit Golfballmuster versehene Laufmantel, die neuen Magazine und der leichtere Schiebeschaft, ohne außenliegende Riemenöse. Gut gefallen hat im Test die Möglichkeit, zwischen zwei Griffgrößen zu wählen. Die Griffe liegen somit auch in kleinen Händen wie maßgefertigt.
Die Mündungskomponente des G96 ist der hauseigene OA-KDA Feuerdämpfer, der aufgrund seines Außengewindes zur Aufnahme des OA Blast Deflector oder des Knalldruckabweisers in Stahl- oder Titanausführung dient. In seiner Wirkweise entspricht er grundsätzlich einem Standard-A2-Feuerdämpfer. Jedes AR ließe sich mit dieser Schalldämpfer-Schnittstelle nachrüsten. Die Kosten für Bauteil und fachgerechtes Anbringen summieren sich auf über einhundert Euro. Gleiches gilt für die wertige Metall-Klappvisierung und den Geissele 2-Stage Matchabzug, die bei nachträglicher Einzelbeschaffung mit über fünfhundert Euro zu Buche schlage würden. Ohne Einbau. Beim G96 ist das sowie die anderen Extras inklusive, was den nicht ganz unerheblichen Kaufpreis von 3.500 Euro erklärt und auch relativiert.

Die Verschlussbaugruppe ist ebenso wie der Feuerdämpfer
PVD-beschichtet. Wodurch die Reinigung erleichtert wird


2.500 Schuss Vergleichstest
Ergänzt um ein EoTech EXPS 3.0 konnte der Test ohne Probleme und störende Vorkommnisse starten. Geschossen wurden je Waffe 2.300 Schuss GECO .223 Remington 4,1 Gramm (63grs. FMJ) und 200 Schuss Federal .223 Remington Vital-Shok Barnes TSX 3,6 Gramm (55grs.) Deformationsgeschosse.
Das Einschießen erfolgte nach bewährtem Muster. Mit der Anschussscheibe von Akademie 0/500® war nach drei Durchgängen mit je drei Schuss das Gewehr auf fünfzig Meter eingeschossen.
Zum Standardprozedere im Testverfahren gehört ein Intervall von eintausend Schuss ohne Reinigung, mit Übungen wie dem Delta-Drill, dem Grid of Fire sowie Light the Fuse und dem ½ & ½ Drill.
Von Beginn an auffallend war die gute Balance des G96c. Das Gewehr ermöglicht eine schnelle wiederholgenaue Herstellung von Visierbild und Haltepunkt. Gepaart mit dem Weltklasse Geissele Abzug und der durchdachten Ergonomie wurden bei Standardübungen wie Light the Fuse und ½ & ½ neue Bestzeiten geschossen.

Der Geissele 2-Stage Matchabzug arbeitet „digital“
und ist jeden Euro wert


Hohe Schussfolgen und Trefferbild
Bei hohen Schussfolgen und dynamischen Übungen zeigten sich zum Teil Unterschiede zu den Vergleichswaffen. So konnte das Black Label bei dieser Kadenz nur noch unter Verwendung von Handschuhen weiterbetrieben werden. Wohingegen Design und Form des G96c Handschutz die Abwärme nicht direkt an die Hände des Schützen weitergeben. Balance und Abzug tun ihr Übriges für schnellere und präzisiere Arbeit. Der Abzug kann als absolut gleichmäßig und gleichbleibend bezeichnet werden, der Ausdruck „digital“ beschreibt die Arbeitsweise wohl am besten. Der Abzugsfinger bekommt immer eine perfekte Rückmeldung über Weg, Druckpunkt und Reset.
Das Trefferbild lag von Beginn an auf dem Niveau eines Repetiergewehrs. Liegend, auf dem Rucksack aufgelegt, lassen sich auf der Anschussscheibe und der Rifleman-Standardübung Streukreise von unter zehn Millimeter realisieren. Abhängig von der Leistung des Schützen, vermag die Waffe höchste Ansprüche zu bedienen. Die Schwestermodelle sind, ehrlicherweise, auf einem ähnlichen Level.
Der Weg zurück zu einer OA-15 M4 und OA-15 Premium M8 fällt dagegen schwer. Viel zu schnell gewöhnt sich der Anwender an Verarbeitung, Ergonomie, Balance und Abzugsverhalten des G96c. So hatte in allen dynamischen Übungen das neue G96c, in Bezug auf Trefferbild und Zeit, einen erkennbaren Vorteil. Dieser Vorteil summiert sich auf und fällt über den Zeitraum der Nutzung immer größer aus.

Die Anbauteile in Golfballoptik sind relativ
neu und in drei Farben verfügbar


Bestandsaufnahme
Alle drei Oberland Arms Gewehre blieben über den Testverlauf komplett störungsfrei. Die Reinigung des PVD-beschichteten Verschluss war erwartungsgemäß etwas leichter. Verschleiß war nicht erkennbar. Für 2.500 Schuss sind lediglich leichte bzw. übliche Gebrauchspuren sichtbar. Das Abzugsverhalten blieb ebenfalls komplett konstant. Der Handschutz und die Cerakote-Beschichtung stellten sich als großer Wurf heraus. Der Handschutz hat eine angenehme Haptik und ein sehr gutes Temperaturverhalten. Neben den hauseigenen OA Active Magazinen verdauen alle OA Gewehre auch handelsüblichen AR-15 Magazine von Drittherstellern.

Die Mündungskomponente des G96 ist zur Aufnahme eines
Signaturverzerrers oder Blast Deflectors vorgesehen
(Foto: Hersteller)


Fazit
Ein qualitativ sehr gut verarbeitetes Gewehr mit vielen inkludierten Extras. Weswegen es die Schwestermodelle übertrifft. Überrascht hat der nochmals gesteigerte Qualitäts- und Leistungs-Aspekt gegenüber der Premium-Serie. Das Oberland Arms G96c ist aktuell die Benchmark der direct-impingement Gasdrucklader. Der bedürfnisgegeißelte deutsche Waffenbesitzer kauft in seinem Waffenbesitzerleben vermutlich nur eine AR. Dabei hat er ab jetzt die Wahl zwischen einem Low-Budget-Modell (Black Label) oder dem All-Inclusive-Modell G96c.



Service
Direktlink zum Hersteller


Technische Daten
Hersteller: Oberland Arms
Modell: OA-15 G96c 12,5“
Kaliber: .223 Remington
Waffenart: DI-Gasdrucklader
Lauflänge: 12,5“ (317,5 mm)
Visierung: ERATAC Klappvisier aus Stahl
Gewicht: 2,9 kg
Preis: UVP 3.500 Euro
Vertrieb: Oberland Arms KG


Montag, 13. Februar 2023

Plattenträger 2.0 Slick von SR Tactical

 

Es gibt Dinge, die braucht man eigentlich nicht. Eigentlich. Tritt allerdings eine Lage ein, in der man sie braucht, braucht man sie dringend. Meist sind sie dann unbezahlbar teuer geworden oder nicht mehr lieferbar. Ein Plattenträger könnte vermutlich zu diesen Gütern gehören



Die Entscheidung, seinen Ausrüstungsbestand um einen Plattenträger zu ergänzen, kann verschiedene Beweggründe haben. Mil-Sim Spieler wollen so realitätsnah wie möglich sein, manch anderer nutzt seinen Plate Carrier auch als Zusatzgewicht für Klimmzugsübungen oder beim Joggen. Natürlich darf auch der reine Sicherheitsgedanke nicht in Abrede gestellt werden. Ausgestattet mit entsprechenden Ballistikeinlagen kann ein Plattenträger eine Lebensversicherung sein.

Durch die ROC-Schnallen erhält der
2.0 Slick ein Schnelltrennsystem

Mit einer standardisierten Handbewegung
kann die Schnalle geöffnet werden


SR Tactical

SR Tactical aus Kaiserslautern sind für den Waffenkultur-Stammleser keine Unbekannten. Der kleine 10-Liter-Mehrzweckrucksack „Banger Bag“ veranlasste uns mit seinen positiven Nutzungseigenschaften schon in Ausgabe 52 zu einer Produktempfehlung.
Dipl.-Ing. Stefan Roth gründete SR Tactical im Jahr 2011. Die Firmenphilosophie stützt sich auf durchdachte Nischenlösungen von hoher Qualität und Modularität. Verwendet werden nur hochwertigste Materialien. Mit Ausnahme von Einzelkomponenten, die nur international beschafft werden können, findet die Produktion Made in Germany statt. Trotz des gestiegenen Absatzvolumens, legt SR Tactical nach wie vor Wert darauf, auch flexibel für Einzelanfertigungen zu bleiben. Ein weiterer Aspekt der Philosophie ist die Idee von Einfachheit und Minimalismus, die bei aller Modularität und Detailliebe nicht aus den Augen verloren wird.

Auch die Schultergurte sind mit den
Rapid Opening Connectors bestückt


Aufbau
Der Plattenträger 2.0 Slick verfügt über ein Schnelltrennsystem und gehört damit in die Kategorie „abwerfbar“. Im Notfall könnte der Plate Carrier also mit zwei standardisierten Handgriffen geöffnet und vom Körper abgeworfen werden.
In der Grundkonfiguration besteht der Slick 2.0 aus lediglich sechs Einzelteilen: Front- und Rückenmodul, zwei Schultergurte und zwei Seitenteile (elastischer Kummerbund). Einfachheit und Minimalismus in der Konstruktionsidee spielen hier ihren Vorteil aus. Der Zusammenbau ist auch für Nicht-Fachleute ohne Schulungsvideo möglich und dauert knappe zehn Minuten.

Das keineswegs geräuscharme Öffnen des
Plattenträgers über den Kummerbund-Klett entfällt


ROC Quick-Release
Die ROC-Schnallen (Rapid Opening Connector) vom Hersteller DueEmme sind die europäische Antwort auf die sog. „Tubes“ des US-Herstellers FirstSpear®. Die Seitenteile des Kummerbunds sind mit 80 Millimeter ROCs versehen. Am Schultergurt sind 40 Millimeter ROCs verarbeitet. Das Öffnen der Verschlüsse passiert über eine standardisierte Handbewegung, die schnell intuitiv wird. Der Plattenträger kann so relativ schnell an- oder abgelegt werden.

Die Frontseite kann individuell bestückt werden.
Hier mit dem SR Tactical Klett-Organizer und dem Magazinpanel 2.0


Material
Der Plattenträger besteht aus Polyamid 6.6 Cordura 500D Gewebe. Das Material besitzt eine Infrarot-Remission (IRR). Durch die Einlagerung von IR-Partikeln im Farbstoff wird das Remissions-Spektrum so beeinflusst, dass das jeweilige Gewebe mit einer Nachtsichtkamera nur noch schwer bzw. gar nicht mehr zu entdecken ist. Das ist beim Joggen oder für Mil-Sim von weniger Relevanz. Besteht bei der Gegenseite jedoch ein ernsthafter Jagdwille, kann die IRR-Appretur zu einer zusätzlichen Lebensversicherung werden.
Den 2.0 Slick gibt es bei SR Tactical in den Farben MultiCam (abgebildet), 3-Farb- und 5-Farb-Flecktarn sowie schwarz und Steingrau-Oliv (RAL7013).

Bestückt mit Hanuman Admin Panel und MOLLE Panel

Das Hanuman Admin Panel geöffnet


Ballistik
Im Front- und Rückenteil finden Schutzplatten der Standardgröße SAPI (250 x 300 Millimeter) Platz. Der 2.0 Slick ist grds. nur für so genannte Stand-alone Platten konzipiert; also Schutzplatten ohne zusätzliche Weichballistik. Besteht anwenderseitig der Wunsch, auch Weichballistik mit in den Plate Carrier zu integrieren, sind nach Absprache mit dem Hersteller SR Tactical auch Sonderanfertigungen machbar. Die elastischen Seitenteile, die den Kummerbund bilden, sind nicht zur Aufnahme von Ballistikeinlagen vorgesehen.
Im vorgestellten Modell befinden sich die OPS-AL03 Platten des Herstellers Andres Defence mit der Schutzklasse NIJ Level-IV. Mit einer Dicke von 22,5 Millimetern passen die Schutzplatten perfekt in die Schubfächer des Slick 2.0.

Der Plattenträger 2.0 Slick ist für Stand-alone Platten
konzipiert. Hier die OPS-AL03 Platten des Herstellers
Andres Defence im Trageversuch


Bestückung
Gemeinhin gilt, Ausrüstung sollte vorhanden sein, zuverlässig sein und ihrem Zweck einigermaßen entsprechen. Spätestens ab einem semi-professionellen Einsatzgedanken treten darüber hinaus noch weitere Gesichtspunkte ins Rampenlicht. Beispielsweise sollte Ausrüstung auch leicht und vor allem modular sein, um sie auf einen bestimmten Einsatzzweck hin abstimmen zu können. Auch, wenn der Umbau eines Plattenträgers in der Praxis nicht täglich erfolgt, sollte eine Taschenkonfiguration zumindest einmalig einsatzbezogen zusammengestellt werden können.
SR Tactical bietet hierfür verschiedene Panels und Organizer. Im Gegensatz zu vielen anderen Plattenträgern kommt der SR Tactical 2.0 Slick ohne fest vernähte Frontklappe. Der Nutzer hat hier selbst die Wahl, ob er seinen Plattenträger mit dem AR-15 Magazinpanel 2.0 bestückt oder mit einem Klettpanel, an dessen Oberfläche über MOLLE die Konfiguration sinnvoll erweitert werden kann. Die Panels können individuell über einen Haken und Fast-Tex-Schnalle angebracht werden.
Oberhalb der Frontklappe ist ein relativ großes Stück Flauschklett angebracht. Der Anwender hat hier wiederum die Wahl, entweder den SR Tactical Klett-Organizer oder das Hanuman Admin Panel zu positionieren. Oder auch jedes andere Klett-kompatible Ausrüstungsteil.

Das Magazinpanel 2.0 kann um weitere Taschen ergänzt werden.
Hier zusätzlich aufgeklettet drei Magazintaschen „Pistole“
und die Rauchgranatentasche 60mm

Der Kummerbund ist elastisch und verfügt über weitere
Taschen, bspw. für zweimal Pistolenmagazin und einmal Gewehrmagazin.
Die zusätzliche Aufnahme von Ballistik ist nicht vorgesehen


fusion-t vs. fusion-e
Im Portfolio von SR Tactical gibt es zwei Produktlinien: fusion-t vs. fusion-e. fusion steht für die perfekte Verbindung hochwertigster Materialien, innovative Ingenieursleistung und Liebe zum Detail. t steht für tactical und damit für höchste Anforderungen im Einsatz. fusion-t hat seinen Preis und dürfte in den meisten Fällen zu kostspielig sein für alle, die nur in der Kategorie Outdoor denken. Für Anwender, die nur gelegentlich taktische Ausrüstung benötigen und ökonomischer denken müssen, bietet SR Tactical die Produktlinie fusion-e (economy).

Optional gibt es das Frontteil auch ohne ROC-Schnallen.
Die Schultergurte müssen dann eingeschlauft werden.
Die Schnelltrenneigenschaft geht verloren    


Fazit
Trotz Made in Germany und höchster Materialqualität ist der Plattenträger 2.0 Slick zu einem moderaten Preis erhältlich. Die Grundkonfiguration wechselt für etwa 240 Euro den Besitzer (in MultiCam Ausführung geringfügig teurer). Die Anschaffungskosten Gesamt richten sich darüber hinaus nach dem Zubehör, mit dem der Plate Carrier bestückt wird. Und natürlich nach den Ballistikeinlagen.

Service
SR Tactical GmbH
67657 Kaiserslautern
www.sr-tactical.de

Donnerstag, 9. Februar 2023

Buchempfehlung: Reinhard Heydrich - Biographie

 

Reinhard Heydrich: Biographie
von Robert Gerwarth



Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
Verlag: Pantheon Verlag (4. Auflage April 2013)
Format: DIN A5 hoch
ISBN-13: 978-357055206-3
Preis: 18 Euro
Originaltitel‏: Hitler's Hangman: The Life and Death of Reinhard Heydrich

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Die Wannseekonferenz im Januar 1942 ist untrennbar mit dem Name Reinhard Heydrich verbunden. Der damalige Chef des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) verkörpert wie kaum ein anderer die für den nationalsozialistischen Terrorapparat charakteristische Kombination aus beflissener Effizienz, fanatischer Ideologie und kaltem Verbrechertum. Obwohl Reinhard Heydrich zum Zeitpunkt des Attentats auf ihn erst 38 Jahre alt war, spielte er eine zentrale Rolle innerhalb des komplexen Machsystems des Dritten Reiches.

Lange Zeit, fast siebzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, gab es keine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende, empirisch gesättigte Studie, die mehr bietet als die gängigen Klischees vom „junge, bösen Todesgott“ oder das irreführende Bild des ideologisch gleichgültigen, allein karriereorientierten Manager des Massenmordes.
Der deutsche Historiker Robert Gerwarth liefert mit seinem Werk daher nicht nur die erste umfassende Biographie zu Reinhard Heydrich ab, sondern überhaupt die erste.
Der Inhalt gliedert sich in neun Kapitel und beginnt mit einer kompletten Beschreibung des Attentats in Prag am 27. Mai 1942 seiner Vorbereitungsmaßnahmen sowie den weitreichenden Auswirkungen.

Im weiteren Verlauf gliedern sich die Kapitel chronologisch und beleuchten die einzelnen Lebensabschnitte Heydrichs: Kindheit und Jugend in Halle (Saale) und Heydrichs Zeit in der Kriegsmarine, Begegnung mit Himmler und Machtergreifung, Bekämpfung der „Reichsfeinde“, Proben für den Krieg, erste Experimente mit Massenmorden im Osten, Im Krieg mit der Welt und schließlich der Reichsprotektor.

Dem Autor Robert Gerwarth gelingt nicht nur eine umfassende, sondern auch eine außerordentlich informative und kurzweilige Darstellung Reinhard Heydrichs. Dessen Strahlungsfelder zeitlebens vielfältig waren und mit seinem gewaltsamen Tod keineswegs endeten. Historisch erwiesen ist, dass erst aufgrund des Attentats eine besonders aggressive Welle der Vergeltung mit enormen Zahlen an Verhaftungen, Deportationen und Massenmorden einsetzte.

Auf die immer wiederkehrende Frage, „wie es soweit kommen konnte“, liefert Gerwarth überaus plausible und im historischen Kontext logische Antworten. Die grundlegenden Merkmale sind eine ideologische Festigkeit und Gewissheit der Protagonisten, der so genannte kumulative Radikalisierungsprozess über die Jahre 1933 bis 1942/43 und nicht zuletzt die Fähigkeit der beiden Männer Reinhard Heydrich und Heinrich Himmler, immer wieder neue fiktive Bedrohungsszenarien zu erschaffen, um die Gefahrabwehr durch neuerliche präventive Gewaltmaßnahmen gegen vermeintliche „Reichsfeinde“ zu rechtfertigten. (hh)