Mittwoch, 10. Juli 2019

Der Notfallrucksack (1)


Notfälle treten immer sehr plötzlich ein, weshalb man sie auch als Notfälle bezeichnet. Begleitet werden sie meistens von Kälte, Nässe, Dehydration, Hunger oder Schmerzen. Der Inhalt eines Notfallrucksacks sollte in erster Linie die Folgen dieser Begleiterscheinungen lindern


Not- oder Katastrophenfälle können derart unterschiedlich ausgeprägt sein, das eine detaillierte Vorbereitung auf den einen, bestimmten Fall unmöglich erscheint. Generalistisch und allgemeingültig zu bleiben und das Wesentliche nicht aus dem Blick zu verlieren, kann dabei grundsätzlich eine erfolgversprechende Maxime im Handeln sein. Das trifft auch auf die Zusammenstellung des Inhalts für einen Notfallrucksack zu.



Der kognitive Ansatz
Allein durch bloßes überlegen, was wesentlich wäre, wenn lediglich die folgenden 18 Stunden im Freien verbracht werden müssten, ließe sich ein Notfallrucksack schon zum großen Teil sinnvoll bestücken.
„Mir wird kalt.“, ein warmer Pullover und ein Paar Wechselsocken wären nicht schlecht.
„Jetzt fängt es auch noch an zu regnen.“, ich könnte eine Regenjacke gebrauchen.
„Irgendwie hab ich Durst und Hunger.“, ein warmer Tee oder das schnöde Fertiggericht aus dem Supermarkt würden meine Moral jetzt sicher stärken. Ebenso, wie ein Mindestausrüstungssatz an Artikeln zur persönlichen Hygiene.
Feuer machen, mit Karte und Kompass orientieren oder einen Unterschlupf für die Nacht bauen, wären hierbei schon das Fortgeschrittenenprogramm.

Der experimentelle Ansatz
Im Experiment ließen sich die so gewonnenen Erkenntnisse und die zusammengetragenen Ausrüstungsgegenstände leicht auf ihre Praxistauglichkeit prüfen. Die Erkenntnis, dass der menschliche Körper selbst bei moderater Belastung problemlos für ein oder zwei Tage ganz ohne feste Nahrung auskommen kann, hilft bei der Zusammenstellung eines Notfallrucksacks.

Der empirische Absatz
Liegen zum Untersuchungsgegenstand bereits Erfahrungen vor? Wie haben das Abermillionen Geflüchteter gemacht? Die empirische Datenbasis äußert sich dazu erschreckend deutlich: Das Mitführen von Ausweispapieren oder Reisepässen wird überbewertet. Ebenso Kleidung, Nahrung oder Kinderspielzeug. Wer sich im Notfall aber weder auf Bahnhofsklatscher noch auf inflationäre Identitätsüberprüfungen einer gleichgültigen, zerfallenden Staatsmacht verlassen möchte, geht noch einmal zurück auf den kognitiven Ansatz und überprüft seine daraus resultierenden Überlegungen im Experiment. Offenbaren sich beim Durchlaufen dieser Schleife Kompetenz- oder Fähigkeitslücken, sucht man sich die Unterstützung Dritter, bspw. privatwirtschaftlicher Anbieter themengleich gelagerter Seminare.

Die Lehrmanufaktur
Nach Prüfung der Kriterien Philosophie, Konzept, Methode und Didaktik, fiel die Wahl auf den Veranstalter Die Lehrmanufaktur. Mit dem Lehrkonzept der SCOUT-Kurse bietet dieser Seminarveranstalter eine ganzheitliche Ausbildung zur Krisenvorsorge für den unbedarften Bürger. (vgl. Waffenkultur Nr. 43, Seite 10)
Die theoretische Unterweisung, die während des Einstiegseminars SCOUT I stattfindet zielt u.a. auf die Notwendigkeit eines vorgepackten Rucksacks ab und endet mit einer Packplanempfehlung. In Teilen angelehnt an diesen Verpackungsplan wurde der hier vorgestellte Rucksack bestückt.

Low-Budget Gedanke
Soll ein Notfallrucksack fast ausschließlich mit hochwertigen und damit meistens auch hochpreisigen Ausrüstungsgegenständen bestückt werden, bleibt die Umsetzung der Idee vermutlich auf halben Wege stecken. Kaum jemand wird mehrere Hundert Euro in die Beschaffung neuer Ausrüstung investieren, um sie dann für einen unbekannten Zeitraum und ungenutzt in einem Notfallrucksack zu lagern. Auf dem SCOUT I Kurs werden neben der Lehrempfehlung auch preisgünstige Alternativen genannt, mit denen gearbeitet werden kann. Der Ansatz, auf preiswerte oder im Haushalt bereits vorhandene Ausrüstung und Bekleidung zurückzugreifen, ist wesentlich praktikabler. Mitunter lässt sich so ein kompletter Notfallrucksack für deutlich weniger als einhundert Euro bereitstellen.

Umsetzung
Als Rucksack dient ein seit über 15 Jahren vorhandener und bereits ausrangierter Deuter TransAlpine mit 30 Liter Stauraum. Der Deuter kommt mit einem unauffälligen Alltags-Erscheinungsbild und hatte sich mit sehr ordentlichem Tragekomfort bewährt. Er besitzt sogar eine integrierte Regenschutzhülle.
Der Inhalt wird in Fähigkeitsbereiche unterteilt. Diese können bspw. gegliedert sein nach: Überleben, Witterungsschutz, Hygiene & Erste Hilfe sowie (Not-)Verpflegung.

Packeinheit Überleben
Es ist erstaunlich, wie schnell sich diese Packeinheit füllt, greift man nur auf vorhandene Dinge zurück, die zum Teil sogar Werbegeschenke waren. Ein Multi-Tool inklusive Kleinkompass, Feuerzeug, ein Messer mit feststehender Klinge, Taschenlampe und Rettungsdecke konnten so zusammengetragen werden. Die Fenix-Kopflampe war vorhanden ein ultrakompakter Wasserfilter der Marke Sawyer Mini (etwa 30 Euro) wird noch beschafft.


Packeinheit Wetter
Hierzu gehört vor allem ein Satz Wechselwäsche. Ein Griff in die Schrankabteilung „halbausrangiert“ füllte die Packeinheit fast vollständig: Ein Langarm-Merinohemd von Woolpower, eine Hose von Helikon (Ripstop Gewebe) sowie Socken, Unterhose, Mütze und Sturmhaube.
Verpackt wird das Ganze in einem ebenfalls vorhandenen Packsack mit Schnürung.
Eine zweite Packeinheit „Wetterzusatzbekleidung“ enthält Handschuhe, eine weitere Mütze, Regenjacke und eine Berghaus Isolationsjacke VapourLight.


Packeinheit Hygiene
Das minimalistische Schminkköfferchen sollte vorrangig enthalten: Zahnpflege, Handtuch und Waschlappen, einen Kamm, Zeckenzange sowie eine Kleinpackung Sonnencreme und Toilettenpapier. Eine Kaufempfehlung sind bspw. die „Bubbel Towel“ Reisehandtücher von N-rit. Es bindet dreimal mehr Wasser als sein Eigengewicht. Das Polyester-Nylon-Gestrick trocknet sehr schnell und ist nach dem Auswringen direkt wieder einsatzbereit.
Ergänzt wird dieser Teil durch einen standardmäßig gepackten IFAK.


Packeinheit Verpflegung
Vorrangig sollte Trinkwasser mitgeführt werden, bzw. ein ultrakompakter Wasserfilter zur provisorischen Wasseraufbereitung. Der menschliche Körper bleibt auch nach 24 oder 48 Stunden ohne feste Nahrung erstaunlich leistungsfähig. Länger haltbare Energieriegel oder eine Tüte mit (ungesalzenen) Nüssen dienen weniger der Energiezufuhr sondern eher dazu, Motivationslöcher zu überbrücken.


Gewicht und Investition
Das Gewicht des Tagesrucksacks beträgt mit allen o.g. Ausrüstungsgegenständen etwa sechs Kilogramm.
Die teuersten Sachen im Rucksack sind die Regenjacke Minimus von Montane (180 Euro), der VapourLight HyperTherm Smock von Berghaus (etwa 100 Euro) sowie der IFAK. Das N-rit Reisehandtuch ist im Outdoor-Handel je nach Größe für etwa 20 Euro zu haben.


Optionaler Inhalt
Ein zusätzlicher Fähigkeitsbereiche könnte sein: Übernachten im Freien. Praktische Erfahrungswerte und ein minimalistischer Denkansatz sind hier besonders wichtig. Anderenfalls ist das Packvolumen eines 30-Liter-Rucksacks schnell ausgereizt. Ob es wirklich eines Schlafsacks bedarf ist eine individuelle Abwägung. Ebenso der Wunsch nach einer Iso-Matte oder einem Kleinzelt. Jeder dieser Gegenstände muss beschafft, im Rucksack für den Notfall vorgehalten und am Ende auch getragen werden. Je größer und schwerer ein Rucksack ist, desto eingeschränkter ist man in seiner Beweglichkeit.


Was nicht zum Inhalt gehört
Nicht in einen Notfallrucksack gehören alle Gegenstände, die einer Erwerbsgenehmigung und Aufbewahrungspflichten unterliegen, wie z.B. Schusswaffen und Munition. Ebenso grobes Werkzeug, wie Spaten, Axt oder Sägen, das den Rucksack übermäßig schwer und sperrig machen würde.

Service

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