Donnerstag, 20. Januar 2011

PTSD – Post Traumatic Stress Disorder

Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann das Resultat von nicht verarbeiteten Gewalterfahrungen sein. Kriegerische Konflikte bringen immer ein hohes Maß an Gewalt mit sich. Körperlich als auch psychisch. Jeden heimkehrenden Soldaten aber eine Stressverarbeitungsstörung andichten zu wollen, ist unseriös und kontraproduktiv.


Als deutsche Übersetzung des englischen Fachterminus Post Traumatic Stress Disorder (PTSD) hat sich die Bezeichnung Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) eingebürgert. Dieser Begriff ist jedoch nicht immer differenziert genug und birgt wortsemantische Missverständnisse. Treffender wäre die Bezeichnung Posttraumatische Stressverarbeitungsstörung. Oder noch besser: Eine Verarbeitungsstörung von posttraumatischem Stress.

Posttraumatischer Stress ist auf ein belastendes Lebensereignis zurückzuführen, dass mitunter schon mehrere Monate oder gar Jahre zurück liegt. Deshalb „post“-traumatisch. Dieser posttraumatische Stress ist aber weder ungewöhnlich noch Krankheitsbild. Vielmehr ist er eine normale Reaktion des Körpers, eine wie auch immer geartete Gewalterfahrung zu verarbeiten. Erst wenn die Selbstheilungskräfte des menschlichen Körpers nicht mehr ausreichen, um diesem Stress Herr zu werden, liegt eine „disorder“, eine Verarbeitungsstörung vor, die zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen kann und zurecht als Krankheitsbild anerkannt ist.

Aber nicht jede Gewalterfahrung führt zu einem Trauma. Und nicht jedes Trauma mündet zwangsläufig in einer Stressverarbeitungsstörung.


Die Ursachen: Wahrnehmungsentkopplung
Ein breiter Konsens in der Psychotraumatologie herrscht bei der Ursachenforschung zum Entstehen von Stressverarbeitungsstörungen. Demnach führen Gewalterfahrungen im körperlichen aber auch emotionalen Sinne im Zusammenhang mit einem Wahrnehmungsabriss zu einer Traumatisierung. Ein Wahrnehmungsabriss tritt immer dann auf, wenn Ängste so groß werden, dass sie das bewusste Erleben einer Situation unmöglich machen und dabei nicht selten in Todesangst gipfeln. Es ist dabei unerheblich, ob das Ereignis zeitlich punktuell oder über einen bestimmten Zeitraum abläuft. Eine Wahrnehmungsentkopplung findet auf dem Höhepunkt des Stresserlebens statt und mündet meist in einem Schock. Die Forschung ist sich darüber einig, dass eine Wahrnehmungsentkopplung zwangsläufig zu einer Traumatisierung führen muss. Weniger klar definiert ist hingegen, in welchem Ausmaß Gewalteinwirkung stattgefunden haben muss, um eine Traumatisierung hervorzurufen.

Die Auswirkungen
Die Medizin unterscheidet in drei Traumatisierungsgrade:
Die einfache Posttraumatische Belastungsstörung, die chronisch-komplexe und als dritter Grad die dissoziative Identitätsstörung. Im Jahr 1940 beschrieb Charles Myers erstmals, wie sich die Persönlichkeit von Soldaten im ersten Weltkrieg durch die Kriegstraumatisierungen in eine „Anscheinend Normale Persönlichkeit“ (ANP) und eine „Emotionale Persönlichkeit“ (EP) aufspaltet. Diese Aufspaltung einer Persönlichkeit ist Kriterium, um den Schweregrad der traumatischen Belastungsstörung zu definieren und eine Erfolg versprechende Therapie zu organisieren.

Einfache Posttraumatische Belastungsstörung
Der Komplexitätsgrad I, die einfache PTBS, besteht aus einer ANP und einer EP. „Einfach“ bedeutet in diesem Fall, das Trauma welches die Verarbeitungsstörung hervorgerufen hat, ist nur einmal und zeitlich eng begrenzt aufgetreten. Diesem Schweregrad werden sehr gute Heilungschancen zugesprochen.

Chronisch-komplexe Belastungsstörung
Wenn es sich um mehrere Traumata handelt, die länger andauern und/oder von brutaler Natur sind, kann sich die Persönlichkeit des Opfers aufspalten in eine „Anscheinend Normale Persönlichkeit“ ANP, welche den Alltag regeln muss und mehrere „Emotionale Persönlichkeiten“ EP’s. So kann zum Beispiel eine EP den größten Teil der Angst und der Schmerzen aus der traumatischen Erfahrung enthalten, eine andere EP die Wut des Täters und wieder eine anderer Teil eine depersonalisierte Beobachterhaltung.

Dissoziative Identitätsstörung
Der dritte Schweregrad beschreibt eine strukturelle Dissoziation, die auftritt wenn es für das Opfer aufgrund von langjährigen und schweren traumatischen Erfahrungen notwendig war mehrere alltagstaugliche Persönlichkeiten (ANP) zu entwickeln und mehrere emotionale Persönlichkeiten (EP). In diesem Fall liegt eine dissoziative Identitätsstörung vor. Die beiden wichtigsten Symptom-Cluster der PTBS sind das Wiedererleben des Traumas und die dauerhafte Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma zu tun haben.

Die Symptome
Erkannt wurde, dass Ignoranz des gesamten Krankheitsbildes regelmäßig eine Quelle der Retraumatisierung für die Opfer sein kann oder gar als Multiplikator wirkt. Moderne Traumatherapie ist heute gut strukturiert und folgt einem konsequenten und überprüfbaren Behandlungsmodell.

Symptome von PTSD sind unter anderem:
- Depressionen, Angst, Panikstörungen
- Psychotische Entgleisungen
- Chronische, psychosomatische Schmerzstörungen
- Ausgeprägte körperliche Beschwerden, wie z.B. Entzündungsherde im Körper
- Selbstverletzendes Verhalten
- Impulskontrollstörungen
- Fremdaggression und Autoaggression
- Abnorme Sexualität
- aber auch Überwachheit und seismographische Fähigkeiten, Situationen vorwegzunehmen

Insbesondere in populärwissenschaftlichen Abhandlungen wird gern suggeriert, jedes der genannten Merkmale hätte Alleinstellungscharakter und jeder Mensch, der ein oder mehrere Symptome aufweist sei an Stressbewältigungsstörung erkrankt. Was grundsätzlich falsch ist. Alle aufgeführten Symptome können, einzeln und in Kombination, ebenso bei gesunden, nicht traumatisierten Menschen auftreten. Selbst der vorübergehende Verlust von Konzentration, Wechsel im Aufmerksamkeitsfokus oder andere Bewusstseinszustände wie Tagträumen, Imagination, verändertes Zeitgefühl und tranceartiges Verhalten sind per se keine Anzeichen für PTSD und Dissoziation. Konzentrations- und Schlafstörungen sowie Alpträume können auch Symptome für die Selbstheilungskräfte des Körpers sein, der versucht ein belastendes Lebensereignis zu verarbeiten.

Eine Frage die auch von der aktuellen Forschung nur unzureichend beantwortet werden kann, ist die Tatsache, weshalb ein und dasselbe Ereignis bei mehreren Personen unterschiedlich stark ausgeprägte Traumata hervorrufen kann. Ein Anschlag auf einen Fahrzeugkonvoi beispielsweise, der von allen Beteiligten mit gleicher Intensität wahrgenommen werden sollte, bewirkt bei der einen Person eine Stressverarbeitungsstörung, die zur Arbeitsunfähigkeit führt und auch weitestgehend ein normales Leben unmöglich macht. Bei einer anderen Person löst sie lediglich eine einfache Posttraumatische Belastungsstörung aus. Eine dritte Person leidet zwar zeitlich begrenzt unter posttraumatischen Stress, bleibt jedoch von Krankheitssymptomen verschont.
Die Forschung vermutet, dass unterschiedliche Grade der Vortraumatisierung zu unterschiedlichen Graden der Stressverarbeitungsstörung führen. Eine Vortraumatisierung kann entweder gezielt herbeigeführt werden oder sie tritt willkürlich durch bestimmte Lebensumstände teilweise auch vom Betroffenen unbemerkt ein.


Quellen:

Onno van der Hart, Michaela Huber, „Die Phobie vor dem Trauma überwinden“, Trauma und Gewalt, 1/2007

Michaela Huber, Strukturelle Dissoziation, 2006

Dave Grossman, On killing, Back Bay Books, New York, 1996

Henning Hoffmann, Feuerkampf & Taktik, dwj Verlags-GmbH, Blaufelden, 2008

1 Kommentar:

  1. Toll geschriebener und sehr informativer Artikel. Besser hab ich das noch nie im Internet gelesen! Wow!

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