Wenn Stativhersteller dieser Tage auf unerwartet hohe Verkaufszahlen blicken, könnte die Ursache hierfür eine Zweitverwendung von Stativen durch Gewehrschützen sein. Anstatt einer Kamera wird ein Gewehr montiert. Die Schnittstelle ist der so genannte HOG Saddle
(Foto: Joshua Stabler) |
Die Verwendung von Foto-Stativen im Scharfschützenwesen geht mindestens bis ins Jahr 2000 zurück. Angehörige des US Marine Corps beschafften sich damals versuchsweise aus eigener Tasche relativ preisgünstige Stative. Schnell offenbarte sich, dass Billigstative zur Aufnahme einer Scharfschützenwaffe wenig geeignet waren. Als die Marine Scout Sniper kurze Zeit später mit hochwertiger Fotoausrüstung für Aufklärungsmissionen ausgerüstet wurden, gehörten zum Lieferumfang auch Kamerastative des Herstellers Manfrotto. Die jedem Marineinfanteristen innewohnende Gabe zur Improvisation führte schnell dazu, dass sich alsbald diese Manfrotto-Stative unter den Snipergewehren wiederfanden. Im Irakkrieg 2003 gehörten Stative schon zur Standardausstattung der Scout Sniper. Als Schnittstelle zur Waffe dienten damals noch verschiedene Aufnahmen aus Kunststoff und Kabelbindern gefertigt im Eigenbau. Joshua Stabler, selbst Scharfschütze während der Operation Iraqi Freedom, wollte diese Schnittstelle standardisieren. Im Jahr 2006 stellte er den HOG Saddle als Prototyp vor. Seit 2009 werden die Sättel in seiner Firma Shadow Tech LLC in Serie produziert, derzeit mit der aktuellsten Generation MOD7. Jedes M40 Scharfschützengewehr der US Marines ist heute mit einem HOG Saddle ausgestattet. Die Scout Sniper des 1st Recon Battalion in Camp Pendleton waren auch die ersten, die den HOG Saddle einführten; kurz darauf gefolgt vom SEAL Team 3.
Eine frühe Fertigung des HOG Saddle (MOD2)
neben der aktuellen Ausführung (MOD7)
(Foto: Joshua Stabler) |
Der Sattel
Die Bezeichnung HOG Saddle dürfte bei einem Jäger vor allem
die Vorstellung erzeugen, es handele sich hierbei um ein Zubehörteil speziell
für die Sauenjagd. HOG ist jedoch eine Abkürzung, die von den Marine Scout
Snipers verwendet wird und für „Hunter of Gunmen“ steht. Das Bauteil wird aus
Aluminium gefräst, wiegt 480 g und kann Vorderschäfte mit einer Breite von bis
zu 65 mm aufnehmen. Die Mindestbreite eines Schaftes sollte 40 mm betragen. Der
Kraftschluss erfolgt über zwei Backen und eine ausreichend große
Rändelschraube, die auch mit Handschuhen noch gut zu bedienen ist. Sechs
Millimeter dicke Kunststoffeinlagen sorgen für genügend Klemmwiderstand
zwischen Sattel und Waffe ohne den Gewehrschaft dabei zu beschädigen.
Für die Montage auf dem Stativ gibt es zwei Möglichkeiten:
Entweder wie jede Fotokamera auch über eine Adapterplatte, oder direkt auf dem
Stativ. In diesem Fall ist kein Stativkopf erforderlich. Der Anwender limitiert
sich dadurch aber selbst, da ihm kein dreidimensionaler Schwenkbereich mehr zur
Verfügung steht. Dennoch gibt es Schützen, welche diese Notlösung bevorzugen,
weil sich die Stabilität erhöht, das Gesamtgewicht aber reduziert.
Ein 055-Manfrottostativ mit dem Joystick-Kugelkopf und dem HOG Saddle |
Das Stativ
Für die Anwendung mit dem HOG Saddle fiel die Wahl auf ein Aluminiumstativ
der 055-Baureihe des Herstellers Manfrotto (Modell-Nr. MT055XPRO3).
Jedes Stativ kann grundsätzlich nach vier Kriterien
beurteilt werden: Die Tragfähigkeit, das Eigengewicht, maximale Höhe sowie das
Packmaß. Das Eigengewicht wird maßgeblich durch das verwendete Material
beeinflusst. Für unseren Verwendungszweck kommen zwei Materialien in Frage:
Aluminium oder Karbon. Fällt die Entscheidung auf ein Karbonstativ reduziert
sich das Gewicht zwar um etwas mehr als ein Kilogramm, die Anschaffungskosten
erreichen dabei aber schon einmal 450 Euro gegenüber etwa 240 Euro für ein Aluminiumstativ
gleicher Bauart. Ob ein Kilogramm Gewichtsersparnis mit +/- 200 Euro teuer
erkauft ist oder nicht, muss jeder Anwender für sich entscheiden.
Ein Stativ mit drei Segmenten hat ausgefahren eine maximale
Höhe von etwa 170 cm. Was im Normalfall auch für einen Schuss im Stehen
ausreichend sein sollte. Verpackt bleibt aber dennoch eine Länge von 76 cm
übrig, bei einem Durchmesser von ca. 13 cm. Das Manfrotto 055 ist damit alles
andere als „klein“.
Die Tragfähigkeit spielt beim angedachten Einsatzzweck eine
wesentliche Rolle. Alle Stativhersteller geben die Tragfähigkeit als
Qualitätskriterium mit an. Als Faustregel hat sich bewährt, dass die Angabe des
Herstellers das Doppelte des Waffengesamtgewichts betragen sollte. Das 055XPRO3
ist mit neun Kilogramm maximaler Traglast ausgewiesen; für eine
Scharfschützenwaffe von 4,5 oder 5 kg also genügend.
Beim Stativkauf zu versuchen, ein Schnäppchen zu machen,
wird sich in der Anwendung als grober Fehler entpuppen. Für ein Stativ sollten
mindestens 240 Euro budgetiert. Das Manfrotto 055XPRO3 ist eine Kaufempfehlung.
Eine Tikka T3 TAC im HOG Saddle.
Die Waffe sitzt ausreichend fest und kann
über den Joystick manövriert werden |
Der Stativkopf
Der Stativkopf sollte es dem Schützen erlauben, die Waffe
dreidimensional und zügig zu manövrieren. Die Industrie bietet dafür so
genannte Kugelköpfe an. Beschafft wurde hier der Magnesium Kugelkopf „Joystick Premium“
ebenfalls vom Hersteller Manfrotto (Modell-Nr. 327RC2) mit einer ausgewiesenen
Tragfähigkeit von 5,5 kg. Diese Tragfähigkeit ist für relativ leichte
Scharfschützenwaffen bis zu fünf Kilogramm ausreichend. Soll der HOG Saddle
jedoch mit Waffen bestückt werden, die ein höheres Eigengewicht von neun oder
zehn Kilogramm haben, muss ein anderer Kugelkopf beschafft werden; bspw. der
057 TOP LOCK, mit einer Traglast von bis zu 15 kg. Dieser Kugelkopf wiederrum
erfordert auch ein stabileres Stativ der 057-Baureihe. Höhere Stabilität hat
ihren Preis: Die Anschaffungskosten für Kopf und Stativ liegen hier bei min.
1.000 Euro. Von Nachteil ist außerdem, dass der TOP LOCK nicht den
Joystick-artigen Bediengriff hat.
Der „Joystick Premium“ Kugelkopf hingegen lässt sich mittels
diesen Bediengriffs sehr leicht manövrieren. Im Auslieferzustand befindet sich
der Griff auf der rechten Seite des Kugelkopfes. Er lässt sich allerdings über
zwei Schrauben lösen und vice versa montieren. Das ist für Rechtsschützen
sinnvoll, da somit die Waffe mit der linken Hand ausgerichtet werden kann.
Der Manfrotto Joystick Stativkopf 327RC2
(Foto: Hersteller) |
Zur besseren Handhabbarkeit wurde der Bediengriff am Stativkopf vice versa montiert |
Preise
HOG Saddle (Direktimport) ca. 300 €
Manfrotto Stativ 055XPRO3 ca. 240 €
Manfrotto Stativkopf 327RC2 ca. 200 €
2 Dosen Sprühfarbe ca. 40 €
Für schwergewichtige Scharfschützenwaffen sollte
der 057-TOP-LOCK Stativkopf mit einer Traglast von
bis zu 15 kg beschafft werden. (Foto: Hersteller) |
Anwendung
In der praktischen Anwendung gibt es zwei Tricks, welche sowohl
den Anschlag verbessern als auch die Stabilität während der Schussabgabe
erhöhen.
Zum einen: Beim Schießen aus Sitzender oder Kniender
Position sollte der Ellenbogen des Schussarms (beim Rechtsschützen der rechte
Arm) aufgestützt werden. Im Kniendanschlag kann hier entgegen der Gewohnheit
der rechte Ellenbogen Kontakt zum rechten Knie aufnehmen. Im Sitzendanschlag
kann ein Rucksack, ein Bean-Bag oder ähnliches in die Hüfte gelegt werden, um
ein Widerlager für den rechten Arm herzustellen.
Zum anderen: Der Gewehrriemen kann während des Schussen
unter Spannung gehalten werden. Entweder, indem er um ein Stativbein
geschlungen wird oder indem er bspw. über einen Karabinerhaken im Hosengürtel
des Schützen gesichert wird.
Das leuchtende Schwarz von Stativ als auch Stativkopf wurde mit Sprühfarbe neutralisiert |
Technische Daten
Gewicht HOG Saddle: 480 g
Gewicht Aluminiumstativ inkl. Kugelkopf: 3.100 g
Packmaßhöhe Gesamt: 73 cm
Durchmesser: 13 cm
Service
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