Mittwoch, 27. Oktober 2021

Mentalität und das fette Ego

 

Es ist eine Unsitte, die auf Schießkursen oder im Training immer mal wieder zu beobachten ist: „Ich mache es mir leicht“, anstatt „Ich trainiere ehrlich, um besser zu werden und im Ernstfall zu bestehen.“ Denn Üben ist nicht gleich Üben. Ein paar kontroverse Gedanken wider dem fetten Ego

 

AKADEMIE 0/500:
Harte Jungs haben harte Abzüge


Von Arne Mühlenkamp und Henning Hoffmann

Im US-amerikanischen Sprachraum wird unterschieden zwischen „Training“ und „Practice“. Ersteres bedeutet im Deutschen am ehesten „an einer Ausbildungsveranstaltung teilnehmen“. Practice ist im Deutschen gleichzusetzen mit dem „Üben des Erlernten“. In der Welt der privaten Schießausbildung zählt beides vermutlich für die meisten Menschen zur Freizeitgestaltung ganz allgemein. Einige Wenige verfolgen dabei aber dennoch einen professionellen oder semi-professionellen Ansatz. Besser zu werden ist das Ziel. Beim Schusswaffengebrauch lässt sich das Besserwerden darauf reduzieren, den präzisen Einzelschuss sicher anbringen zu können und dafür möglichst wenig Zeit zu benötigen. Also wird geübt, was das Zeug hält. Ob sinnstiftend oder nicht; Hauptsache es wurde irgendetwas geübt. Der eigentliche Zweck des Übens, nämlich eine Positiv-Konditionierung zu erzeugen, wird dabei oft aus den Augen verloren.

Ressourcenknappheit
Was allen Anwendern gemein ist, unabhängig von privat oder dienstlich, ist eine allgemeine Ressourcenknappheit in Bezug auf Budget; vor allem aber Zeit. Budget und Zeit müssen nutzenbringend eingesetzt werden. Das Entwickeln einer positiven Trainingsmentalität ist dabei mindestens genauso wichtig, wie ein fachlich fundierter Trainingsplan. Üben sollte sich an drei Adjektiven ausrichten: Richtig, ehrlich, regelmäßig.

Selbstbetrug (01): Holsterverschlüsse werden
im Training nicht mehr benutzt, um schneller zu sein



Richtig Üben
Etwas richtig üben meint vor allem, falsche Bewegungsabläufe zu minimieren oder gar ganz auszuschließen. Wie beim Trockentraining auch, bedeutet „richtig“ eine einhundert Prozent korrekte Wiederholung eines einhundert Prozent korrekten Bewegungsablaufs. Und das beliebig oft und zu jedem beliebigen Zeitpunkt. Ein Mindestmaß an Schulung durch einen kompetenten Ausbilder sollte hier vorausgegangen sein. Bevor das Üben beginnt, sollte verstanden worden sein, was geübt werden soll. Beispielsweise sollte der Sinn einer Standardübung verstanden worden sein; welche Elemente sie anspricht und in welchen Bereichen ein „Besserwerden“ zu erwarten ist. Wird ein Standard Drill nur absolviert, weil es Ausbilderidol XY im Internet auch so macht, ist zweifelhaft, ob der Sinn verstanden wurde.

Selbstbetrug (02): Die Waffe wird nur noch halb
ins Holster geschoben, um einen Zeitvorteil beim
Ziehvorgang zu erreichen



Ehrlich Üben
Im ehrlichen Üben zeigt sich die Mentalität am deutlichsten. Training oder Üben sind kein Wettkampf. Nimmt beim Üben der Wettkampfgedanke überhand, führt das zwangsläufig zu unehrlichem Üben und zum „Mogeln“. Die Idee „Ich mache es mir leicht“ ist deutlicher Ausdruck dieser Mentalität; führt aber nur zum Selbstbetrug. Typische und oft zu beobachtende Elemente sind: Bei Ziehübungen aus dem Holster wird der Holsterverschluss nicht mehr benutzt, um sich einen Zeitvorteil beim Ziehvorgang zu verschaffen. In dieselbe Kategorie fällt, die Waffe nicht mehr komplett ins Holster zu stecken. Die Waffe wird nur „halb“ ins Holster geschoben. Auch für dieses Fehlverhalten ist wohl der zu erwartende Zeitgewinn beim Ziehen die Motivation. Im Grunde zeigt sich genau hier ein wesentlicher Punkt des Übens: Nämlich der Erkenntnisgewinn, dass das gewählte Holster schlichtweg ein Fehlkauf war. Es passt entweder nicht zur Waffe oder ist für den Einsatzzweck nicht geeignet. Um sich diesen Fehlkauf einzugestehen, muss das fette Ego eben Mal über Bord geworfen werden.

New York Trigger: Der Einbau eines härteren Abzugs kann eine
vorhandene Fehlkonditionierung (Abzugsfehler) beseitigen helfen



In seine Pistole einen leichteren Abzug einzubauen, ist ebenfalls Selbstbetrug. Leichtere Abzüge erzeugen keinen Zusatznutzen und machen nichts besser. Ganz im Gegenteil: Sie kaschieren bis zu einem gewissen Grad nur einen vorhanden Abzugsfehler; beseitigen ihn aber nicht. Das Training mit härteren, schwereren Abzügen hingegen lenkt den Fokus beim Üben auf den Bewegungsablauf des Abkrümmens, wodurch eine Positiv-Konditionierung erzeugt wird. Was wiederum dem eigentlichen Sinn und Zweck von „Üben“ entspricht.




Regelmäßig Üben
Regelmäßigkeit ist der Schlüssel zum Erfolg. Regelmäßig ein Kleinwenig zu machen, trägt mehr zur Steigerung der Lernkurve bei, als ausufernde Trainingssitzungen ohne zeitlichen Zusammenhang. Der zeitliche Zusammenhang geht verloren, wenn lediglich einmal pro Monat geübt wird. Von Regelmäßigkeit hingegen kann gesprochen werden, wenn zweimal pro Woche eine konzentrierte Trockentrainingseinheit von etwa 15 Minuten durchgeführt wird, ergänzt von einem einstündigen Schießstandbesuch aller zwei bis drei Wochen.

Fazit
Trainings- und Übungseinheiten sollten immer dafür genutzt werden, Fähigkeitslücken und Ausrüstungsmängel zu identifizieren. Das funktioniert aber nur, wenn das fette Ego abgelegt wird.

Service
Schießkurse bei Akademie 0/500
https://0-500.org/



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.