Dienstag, 14. März 2023

Die Außenseiterin: Selbstladepistole Frommer-STOP (7,65 mm)

 

Die Pistole Frommer-STOP fällt aufgrund von Aufbau und Funktionsweise im Vergleich zu anderen Pistolen ihrer Epoche deutlich aus der Rolle. In manchen Details war sie ihrer Zeit voraus. Die nicht unkomplizierte Konstruktion führte jedoch zu einem frühen Produktionsende

Die Pistolenmodell Frommer-STOP und Frommer-BABY.
Beide im Kaliber 7,65 mm Frommer, was von den
Abmessungen einer 7,65 mm Browning entspricht


Zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts hatte sich der europäische Pistolenbau weitgehend auf das Funktionsprinzip des unverriegelten Masseverschlusses nach der Idee von John M. Browning geeinigt. Diese relativ einfache Konstruktion war ohne großen technologischen Aufwand zu fertigen, funktionierte zuverlässig mit den handelsüblichen Munitionssorten in den Kalibern 7,65 mm Browning, 6,35 mm Browning und 9 mm Kurz und war aus Anwendersicht einfach zu handhaben und zu warten.

Pistole Frommer-STOP mit Holzgriffschalen, wie
sie in der Kriegsfertigung aufgeliefert wurde



Modell STOP 1911
Einen komplett anderen Weg beschritt der 1868 in Pest geborene Rudolf Frommer. Schon seit 1899 konstruierte Frommer Pistolen, die schlicht als „System Frommer“ in die Geschichte des Waffenbaus eingegangen sind. Beworben wurden diese Frommer Pistolen mit dem Merkmal der größtmöglichen Sicherheit für den Schützen; da sie den gleichen Verschlussmechanismus besaßen, wie ein zeitgenössisches Infanteriegewehr. Gemeint war damit ein über Verschlusswarzen verriegelnder Verschlusskopf.
Ab 1910 überarbeitete Rudolf Frommer diese Konstruktion, was die Einführung der Modelle STOP 1911 zur Folge hatte.
Rudolf Frommer gab seinen Pistolen das so genannte Mantelgehäuse und verlegte die Vorholfeder für Lauf und Verschluss über den Lauf. Dieses Konstruktionsmerkmal gibt den Frommer-STOP Modellen auch ihr charakteristisches Aussehen. Was Frommer vom Browning-System übernahm, war das austauschbare Magazin und das Kaliber 7,65 mm Browning. Allerdings wurde diese Standardpatrone mit einer stärkeren Ladung versehen und in 7,65 mm Frommer umbenannt. Diese stärkere Ladung war erforderlich, um den verriegelten Verschlussmechanismus der Frommer-STOP funktionssicher in Gang zu setzen. Überhaupt verfügt die Frommer-STOP über eine nicht unkomplizierte und technisch aufwendige Konstruktion.

Das Magazin fasst sieben Patronen im Kaliber 7,65 mm
und sechs Patronen in 9 mm Kurz


Kriegsbedingter Erfolg
Der Maschinenbauingenieur Rudolf Frommer, der von 1905 bis 1935 die Budapester Metallwaren- Waffen- und Maschinenbaufabriks AG leitete, konstruierte die meisten seiner Pistolen in der Hoffnung, das Interesse des Militärs zu wecken. Wenngleich das Vorgängermodell der Frommer-STOP, die Frommer Modell 1910 bei der Ungarischen Gendarmerie eingeführt worden war, so war der wirtschaftliche Erfolg mit lediglich 11.000 gefertigten Stück jedoch überschaubar.
Erst das Modell 1911 Frommer-STOP bescherte dem Konstrukteur den Durchbruch. Bis in die 1920er Jahre hinein wurden schätzungsweise eine halbe Million Stück Frommer-STOP gefertigt.
Kriegsbedingt wurde die Pistole auch bei der ungarischen Landwehr und für das k.u.k. Heer beschafft. Offiziellen Angaben zufolge lieferte die Waffen- und Maschinenfabriks Actiengesellschaft in Budapest 133.000 Pistolen im Kaliber 7,65 mm und etwa 44.000 Pistolen im Kaliber 9 mm Kurz an die Donaumonarchie.

Ein Modell Frommer-BABY komplett zerlegt


System
Die Pistole Frommer-STOP wird beschrieben als Rückstoßlader mit langem Rohrrücklauf und dreifacher Warzenverriegelung. Sowohl im Pistolenbau allgemein als auch für das Kaliber 7,65 mm  insbesondere stellt dieses Verschlusssystem eine absolute Besonderheit dar. Eine Besonderheit auch deshalb, weil sich dieses System gegen die vergleichsweise deutlich einfacheren Masseverschlüsse letztlich nicht durchsetzen konnte.

Grafische Darstellung der Frommer-BABY mit zurückgezogenem Verschluss
(Quelle: Vom Ursprung der Selbstladepistole, Mötz / Schuy, S. 649)


Zerlegen der Frommer-STOP
Das Zerlegen einer Frommer-STOP ist alles andere als Infanteristen-tauglich. Die Original Bedienungsanleitung äußert sich wie folgt:
„Der über der Laufmündung befindliche Sperrknopf wird hineingedrückt und die auf die Laufmündung geschraubte Mutter vom Laufe abgedreht. Darauf wird das 8-förmige Grenzstück herausgenommen, sowie die an dasselbe sich lehnende Schraubenfeder. Der am Scheitel des Grenzstücks befindliche Einschnitt wird auf die kleine Leiste am Ende der nun ober dem Lauf sichtbar werdenden Zugstange gelegt, die Zugstange auf diese Weise nach rückwärts gedrückt und dann in der rückwärtigen Stellung eine Viertel-Umdrehung ausgeführt, worauf die Zugstange sich aus dem Verschluss entkuppelt und der Verschluss sowohl, als auch der Lauf nach rückwärts herausgezogen werden können. Das Zusammenstellen der Pistole erfolgt in umgekehrter Reihenfolge.“ Viel Erfolg!

Grafische Darstellung der Frommer-STOP. Die Waffe ist mit 7+1 Patronen
geladen (Quelle: Vom Ursprung der Selbstladepistole, Mötz / Schuy, S. 638)


Frommer BABY
Neben der Frommer-STOP, die als Taschenpistole klassifiziert war, entwickelte Rudolf Frommer auch eine Westentaschenpistole mit der Bezeichnung Frommer BABY-Pistole in den Kalibern 7,65 mm und 9 mm Kurz (.380 Auto). Die Frommer-BABY war konstruktiv identisch zur Frommer-STOP. Es gilt als sicher, dass die Frommer-BABY weltweit die einzige Westentaschenpistole mit einem verriegelten Verschluss ist. Die Gesamtproduktionszahl wird auf etwa 40.000 Stück geschätzt.

Trotz der komplizierten Konstruktion besteht die Frommer-STOP aus nur 34 Einzelteilen
(Quelle: Die Weiterentwicklung der Selbstladepistole, Mötz / Schuy, S. 134)


Zwischen den Weltkriegen
Ab 1915 wurden Frommer-STOP Pistolen auch nach Deutschland geliefert. Die Waffen- und Maschinenfabriks AG in Budapest schrieb dafür sogar vorhandene Bedienungsanleitungen um. Typisch-altösterreichische Teilebezeichnungen, wie „Züngel“ oder „Verschluss“ wurden durch zeitgenössisch-reichsdeutsche Begriffe wie „Abzug“ und „Kammer“ ersetzt. Die Liefermenge wird auf etwa 45.000 Frommer-STOP Pistolen geschätzt. Die Zuweisung an die deutschen Verbände erfolgte nach Versorgungslage. Überliefert ist, dass das neu aufgestellte Sturmbataillon des I. bayerischen Armeekorps einhundertzwanzig Stück Frommer-STOP zugewiesen bekommen haben soll.
Im praktischen Einsatz im Feld zeigte sich der große Nachteil dieser Neubeschaffung. Wurden die Frommer Pistolen mit der normalen 7,65 mm Browning Munition geladen, verursachten sie Waffenstörungen. Die Frommer funktionierten nur mit den stärker geladenen Frommer-Patronen störungsfrei. Rein äußerlich war den verschiedenen Patronen aber kein Unterschied anzusehen.
Eine offizielle Einführung in die Bestände der Wehrmacht ist nicht dokumentiert. Frommer-STOP Pistolen mit einem WaA-Abnahmestempel der deutschen Wehrmacht haben sich im Nachhinein als Fälschungen erwiesen.

Das fast 900 Seiten umfassende Buch
von Mötz / Schuy gilt als Standardwerk zum Thema


Fazit
Als Außenseiterin konnte die Pistole Frommer-STOP in ihrer Epoche dennoch einen beachtlichen wirtschaftlichen Erfolg verbuchen. Das Mantelgehäuse und die Drei-Warzen-Verriegelung lassen die Waffe zu einem Meilenstein im Pistolenbau werden. Zeitgenössisch wurde die Frommer-STOP als elegant und formschön beschrieben; ohne vorstehende Ecken und Kanten und mit ausgezeichneter Handlage.

Band 2 behandelt auf fast 700 Seiten
Selbstladepistolen von 1914 bis heute


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Josef Mötz und Joschi Schuy
Vom Ursprung der Selbstladepistole
Band 1: ISBN 978-3-9502342-0-6
Die Weiterentwicklung der Selbstladepistole
Band 2: ISBN 978-3-9502342-2-0
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Technische Daten

Modell: Selbstladepistole Frommer-Stop
Hersteller: Ungarische Waffen- und Maschinenfabriks-AG, Budapest
Produktionszeitraum: 1911 bis 1930 (?)
Stückzahl: etwa 500.000
Waffenart: Rückstoßlader mit langem Rohrrücklauf und dreifacher Warzenverriegelung
Kaliber: 7,65 mm Frommer und 9 mm Kurz
Länge: 165 Millimeter
Lauflänge: 96 Millimeter
Gewicht: 600 Gramm
Magazinkapazität: 7 Patronen

Mehr dazu in "Die Waffenkultur" Nr. 64 

 

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