Zuverlässigkeit durch einfache Mechanik und hohe
Trefferwahrscheinlichkeit auf kurze Entfernungen. Flinten sind auf der ganzen
Welt bei Behörden, Jägern und Sportschützen in Gebrauch. Waffenkultur zeigt wie
man seine Flinte richtig kennenlernt
Von Christian Väth
Viele Ausbilder und Anwender preisen die Flinte als
vielseitiges "Mehrzweckwerkzeug" an. Tatsächlich ist die Flinte eine
hochspezialisierte Waffe für kurze Entfernungen und somit ein Werkzeug für
bestimmte Situationen. Die Flexibilität eines Sturmgewehrs im
Entfernungsbereich zwischen null und 500 Metern fehlt ihr völlig. Wer jedoch
sowohl das Potential als auch die Grenzen seiner Flinte kennt, kann enorme
Wirkung erzielen.
Eine Flinte ist kein
Gewehr
Das große Potential dieser Langwaffe liegt in den
Möglichkeiten der Schrotmunition, hier vor allem des Postenschrots (engl.
"buckshot"). Mit jedem Schuss werden mehrere Geschosse in einer mit
der Zielentfernung steigenden Streuung beschleunigt. Während die penetrierende
Wirkung der einzelnen Schrotgeschosse hinter den üblichen Vollmantelgeschossen
für Pistolen und Gewehre weit zurückbleibt, ist das Alleinstellungsmerkmal der
Schrotmunition die enorme plötzliche Energieabgabe durch mehrere simultane
Treffer. Die dem Schrot ureigene Streuung ist ausdrücklich erwünscht. Im
Gegensatz zu anderen Waffen bedeutet Präzision beim Flintenschießen nicht das
Treffen eines bestimmten Punktzieles, sondern die bestmögliche Ausnutzung einer
Zielfläche. Daher ist es entscheidend die Wirkung der Flinte auf
unterschiedliche Entfernungen genau zu kennen.
Auf kurze Entfernung verstärken beschleunigte Verbrennungspartikel die Wirkung der Federal Tactical Buckshot |
Die Methode
Die Wirkungszonenmethode basiert auf dem sogenannten
"Patterning Test" von Gabriel Suarez und ermöglicht die Ermittlung
des Wirkungspotentials der eigenen Flinte und Munition. Die Wirkungsentfernung
einer Flinte teilt sich in drei Zonen (A,B und C). In der A-Zone bildet das
Streumuster der Schrotgeschosse eine dichte Gruppe, die mit der Faust abgedeckt
werden kann. In der B-Zone weitet sich dieses Muster bis auf die volle Zielbreite
aus. Die C-Zone beginnt schließlich wenn die Streuung größer als ein
DIN-A4-Blatt wird. Die Wirkungszonenmethode ermöglicht für die weitere
Ausbildung eine klare Bestandsaufnahme der eigenen Möglichkeiten und ist für
das Flintenschießen so elementar wie die 25-m-Methode am Gewehr. Die
Entfernungsbereiche der einzelnen Zonen hängen sehr stark von der verwendeten
Flinte und Munition ab. Wird eine neue Waffe beschafft oder die Munition
gewechselt, müssen die Zonen neu ermittelt werden. Exemplarisch wurde die
Ermittlung der Wirkungszonen mit einer Remington 870 und Postenschrotpatronen
der Marke Federal Tactical Buckshot (12/70) durchgeführt. Wie die Bilderserie
zeigt, konnten bis auf zehn Meter Entfernung Gruppen der A-Zone erzeugt werden.
Von der 20-Meter-Marke konnte die Streuung gerade eben auf das Blatt Papier
eingegrenzt werden, ein weiterer Schuss auf 22 Meter sprengte den Rahmen: die
B-Zone endet bei ca. 20 Metern. Die C-Zone bleibt dem Flintenlaufgeschoss
(engl. "slug") vorbehalten. Der Übergang in die C-Zone markiert damit
für den Flintenschützen den Wechsel der Munitionsart von Postenschrot auf
Flintenlaufgeschosse. Das Ende der C-Zone und damit die Grenze der
Einsatzmöglichkeit der eigenen Flinte ist erreicht, wenn ein DIN-A4-Blatt mit
einem Flintenlaufgeschoss nicht mehr sicher getroffen werden kann. Im Anschluss
wurde die Methode mit der gleichen Flinte, aber einer anderen Munition (Geco
Coated Competition Buckshot) wiederholt. Hier war bereits bei 15 Metern das
Ende der B-Zone erreicht.
Bis auf eine Entfernung von zehn Metern bleibt die Streuung faustgroß - die A-Zone |
Die gewollte Streuung
Anhand der Wirkungszonenmethode kann auch die für den
eigenen Zweck beste Munition gefunden werden. Grundsätzlich sollte der Übergang
von der B in die C-Zone möglichst spät erfolgen, um einen möglichst großen
Anwendungsbereich zu eröffnen. Ideal ist eine frühe Öffnung der Streuung (alle
Projektile sind als einzelne Treffer erkennbar) und eine möglichst späte
Ausweitung außerhalb des DIN-A4-Blattes. Diese "Idealzone" einer
kontrollierten Streuung bietet das größte wundballistische Potential und die
höchste Ersttrefferwahrscheinlichkeit. Nach weiteren Tests ließ sich der
Entfernungsbereich dieser Zone für die getestete Kombination (Remington 870 mit
Federal Tactical Buckshot) im Bereich neun bis 20 Meter - also gerade einmal
elf Meter - definieren. Ziel der Auswahl von Waffe und Munition muss es sein,
die Größe der "Idealzone" zu maximieren, ohne die höchste
Wirkungsentfernung zu gering ausfallen zu lassen. Die Kombination von Remington
870 und von Munition wie der Geco Coated Competition Buckshot könnte dabei
hinderlich sein, sind doch viele Postenschrotpatronen auf eine möglichst enge
Streuung ausgelegt.
Volle Ausnutzung der Zielbreite auf 15 Meter Entfernung - die B-Zone |
Die Würgebohrung
(Choke)
Ein weiteres Versuchsschießen mit einer herkömmlichen
Bockdoppelflinte (Miroku Mk 38 im Kaliber 12/70) bestätigte erneut die
gewonnenen Erfahrungswerte. Im praktischen Flintenschießen mit Postenschrot und
Flintenlaufgeschossen ist der Einfluss einer Würgebohrung vernachlässigbar. Die
Testwaffe verfügt über einen Lauf mit Vollchoke und einen mit einer
3/4-Bohrung. Die Trefferauswertung zeigte keine erkennbaren Unterschiede.
Besitzer von Jagdflinten müssen so bei der Umsetzung der Wirkungszonenmethode
keinen Gedanken an ihre Bohrungen verschwenden. Die abweichende Wirkung bei
Trap und Skeet muss dem Anwender jedoch bewusst sein. Wer sich jedoch von
Beginn an zumindest für eine Flinte der zweiten Generation (Repetierflinte mit
Röhrenmagazin) entscheidet, genießt erhebliche Vorteile.
Unterschiedlich große Würgebohrungen ohne relevante Abweichungen - A und B-Zone der beiden Läufe dieser Bockdoppelflinte in Kombination mit der Geco Competition Buckshot sind gleich groß |
Anwendung
Sind die Wirkungszonen ermittelt, verfügt der Schütze über
verifiziertes Wissen zum Potential seiner Waffe und seiner Munition. Diese
Kenntnisse ermöglichen ihm eine Einschätzung, wann seine Streuung so groß wird,
dass Geschosse auch außerhalb des ausgewählten Zieles einschlagen. Hier ist der
Punkt erreicht an dem der Schütze zu einer anderen Munition
(Flintenlaufgeschoss) oder einer anderen Waffe greifen muss, um
Sicherheitsregel Nummer vier (Positive Zielidentifikation) nicht zu verletzen.
Ohne die Durchführung der Wirkungszonenmethode ist ein handlungssicherer Umgang
mit der Flinte nicht möglich.
Fazit
Die Flinte wird von vielen Anwendern entweder völlig über-
oder unterschätzt. Am Ende ist sie die Waffe der Wahl für die ersten 30 Meter.
Keine andere Feuerwaffe kann hier eine ähnliche Wirkung entfalten. Wer sich für
den Besitz dieses Spezialwerkzeuges entscheidet oder bereits eine Flinte sein
Eigen nennt, sollte als verantwortungsvoller Waffenbesitzer sein Potential und
seine Grenzen kennen. Die Wirkungszonenmethode gehört zum Standardkursinhalt
bei Akademie 0/500.
Service
Der nächste Flintenkurs findet am 11. September 2021 in
Bocholt statt.
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