Donnerstag, 11. April 2024

38 Jahre Miami FBI Shootout

 

Am 11. April 1986 kam es in Miami bei einem missglückten Festnahmeversuch des FBI zu einem folgenschweren Schusswechsel. Der „Miami FBI Shootout“ gilt heute als eine der am gründlichsten analysierten Schießereien in der Historie zu Feuerwaffen. Gravierende Änderungen in Taktik und Bewaffnung waren die Folge

Oranger Hintergrund: Die Waffen der Täter. Darüber
blauer Hintergrund: Die verwendeten Waffen des FBI.
Links, rechts und darunter: Die Waffen, die dem FBI
am 11. April zur Verfügung gestanden hätten (Foto: FBI)


Der Miami FBI Shootout vom April 1986 ist das Lehrbeispiel schlechthin, wenn es um Analyse und Ableitungen einer nicht-militärischen Konfrontation mit Schusswaffen im Zwanzigsten Jahrhundert geht. Eine direkte Folge war die Einführung neuer und leistungsstärkerer Kurzwaffenkaliber und eine verbesserte Ausbildung im Bereich des „Kampfes um ein Fahrzeug herum“.
Aber auch im Ausbildungssegment des „Nachladens“ lässt der Miami Shootout mit teils frappierenden Resultaten aufhorchen.

Die Szenerie unmittelbar nach dem „FBI Miami Shootout“
am 11. April 1986. Dieses Ereignis führte zu einem
Paradigmenwechsel beim FBI und zur Einführung eines
stärkeren Kurzwaffenkalibers. Zuerst trat die 10mm Auto
in den Fokus, später die .40S&W (Foto: FBI)


Akteure und Bewaffnung
Beteiligte auf Seiten des FBI:
Ronald Risner (nicht verwundet), S&W Pistole M459, S&W M60 Back-Up Revolver
Richard Manauzzi (leicht verwundet), Waffe verloren, am Feuergefecht nicht beteiligt
Gordon McNeill (schwer verwundet), S&W Revolver M19
Edmundo Mireles (schwer verwundet), Remington Flinte 870, S&W Revolver M686
Gilbert Orrantia (schwer verwundet), S&W Revolver M13
John Hanlon (schwer verwundet), S&W Revolver M36
Benjamin Grogan (tot), S&W Pistole M459
Jerry Dove (tot), S&W Pistole M459
Verbrecher:
William Matix (tot), S&W Flinte M3000
Michael Platt (tot), Ruger Mini-14, S&W Revolver M586, Dan Wesson Revolver

Die blutverschmierte Smith & Wesson M 459 im Kaliber 9x19
von FBI Agent Dove bekam einen direkten Treffer aus
der Ruger Mini-14 in den Verschluss, welcher zur
Funktionsunfähigkeit der Waffe führte (Foto: FBI)


Miami 1986
Am Morgen des 11. April 1986 leitete ein Team des FBI eine Suche nach einem gestohlenen Fahrzeug Chevrolet Monte Carlo Modell 1979 ein. Die Identität der Verdächtigen war unbekannt. Jedoch gingen die FBI Beamten davon aus, dass das gestohlene Fahrzeug für einen Bankraub benutzt werden sollte.
Gegen 9:30 Uhr entdeckten die beiden FBI Beamten Grogan und Dove das verdächtige Fahrzeug und begannen die Verfolgung. Zwei weitere Fahrzeuge des FBI Teams schlossen sich an. Es wurde versucht, eine Verkehrskontrolle bei den Verdächtigen durchzuführen.
Schließlich wurde der Chevrolet Monte Carlo der Verdächtigen gerammt und abgedrängt. Die Kollisionen endete auf einem Parkplatz vor Haus Nummer 12201 Southwest 82nd Avenue.
Der Chevrolet der beiden Verdächtigen Matix und Platt wurde dabei auf der Beifahrerseite zwischen einem geparkten Auto und dem FBI Fahrzeug von Manauzzi Auto auf der Fahrerseite eingeklemmt. Richard Manauzzi verlor beim Aufprall der Fahrzeuge seinen Revolver.

Das Fluchtfahrzeug Chevrolet Monte Carlo eingeklemmt
zwischen dem zivilen Oldsmobile Cutlass (links) und
dem FBI Buick von Agent Manauzzi (rechts) (Foto: FBI)


Der Feuerkampf beginnt
Michael Platt eröffnete aus dem Chevrolet heraus mit seiner Ruger Mini-14 sofort das Feuer in Richtung Manauzzi.
FBI Agent John Hanlon verlor bei der Kollision ebenfalls seine Primärwaffe (S&W Revolver), konnte jedoch mit seiner Zweitwaffe S&W M36 am Feuergefecht teilnehmen.
FBI Agent Benjamin Grogan verlor beim Zusammenstoß seine Brille. Es wird gemutmaßt, dass sein Sehvermögen daraufhin derart beeinträchtigt war, dass er am Feuerkampf nicht effektiv teilnehmen konnte.

Das Fluchtfahrzeug wurde von Projektilen durchsiebt.
Beide Täter mussten durch die Seitenfenster ausbooten,
da die Türen blockiert waren (Foto: FBI)


FBI Mann Gordon McNeill wurde durch das Gewehrfeuer von Platt schwer verwundet. Platt feuerte dann mit seiner Mini-14 auf Mireles, der über die Straße rannte, um sich dem Kampf anzuschließen. Mireles wurde am linken Unterarm getroffen und schwer verwundet.

Michael Platt begann unter dem Deckungsfeuer von William Matix auszuweichen. Der bereits schwer verwundete Gordon McNeill feuerte sechs Schüsse aus seinem Revolver auf Matix ab, wovon zwei in Kopf und Hals trafen. Matix wurde vorübergehend bewusstlos. FBI Mann Gordon McNeill war aufgrund seiner Verletzungen nicht mehr in der Lage, seinen Revolver nachzuladen.

Die Position der Fahrzeuge am 11. April 1986
(Edmundo Mireles)


Michael Platt verließ das Fluchtfahrzeug durch das Fenster der Beifahrerseite. Er wurde dabei von einem Projektil aus der Dienstwaffe von Jerry Dove (9x19) in den Oberarm getroffen. Das Projektil durchschlug die Brust und kam laut Autopsie nur einen Zentimeter vor dem Herzen zum Stehen. Die Autopsie ergab des Weiteren, dass Platts rechte Lunge kollabiert war und seine Brusthöhle mehr als einen Liter Blut enthielt. Von den insgesamt zwölf Schusswunden, die Platt davontrug, war diese Wunde die Hauptursache für den Tod.
Michael Platt musste beim Ausbooten aus seinem Chevrolet über die Motorhaube eines anderen Fahrzeugs, eines Oldsmobile Cutlass, klettern. Dabei wurde er ein zweites und drittes Mal in den rechten Oberschenkel und den linken Fuß getroffen. Diese Schüsse wurden vermutlich von FBI Agent Dove abgefeuert.
Platt führte den Feuerkampf aus einer gedeckten Stellung hinter der Motorhaube des Oldsmobile Cutlass fort. Er feuerte mit seiner Mini-14 mehrfach auf die FBI Beamten Ronald Risner, Gilbert Orrantia sowie John Hanlon, Jerry Dove, Gilbert Orrantia und Benjamin Grogan. Währenddessen erlitt Platt mehrere weitere Schusswunden.

Michael Platt verließ seine Deckung und ging direkt auf die FBI Beamten zu, die entweder mit Nachladen oder ihren zahlreichen Schusswunden beschäftigt waren. Er umrundete, selbst schwer verwundet, das Heck des weißen FBI Buick und tötete die FBI Männer Grogan und Dove mit Schüssen seiner Mini-14 aus Nahdistanz. Dann versuchte er in das Fahrzeug der beiden zu steigen und den Tatort zu verlassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sein Komplize Matix das Bewusstsein wiedererlangt und stieg ebenfalls in das FBI Fahrzeug.
FBI Agent Edmundo Mireles feuerte insgesamt fünf Schüsse aus seiner Remington 870 auf Platt und Matix ab. Wegen seiner schweren Verwundungen musste er das einhändig tun und traf keinen von beiden.

Schematische Darstellung des Treffers aus Jerry Dove‘s
S&W M459 als Michael Platt durch die Seitenscheibe
des Chevrolets klettert (Foto: FBI)


Das Ende des Feuerkampfes
Platt versuchte, das FBI Fahrzeug zu starten. Mireles bewegte sich parallel zur Straße und dann direkt auf Platt und Matix zu. Er feuerte mit seinem S&W M686 sechs Schüsse auf die Verdächtigen ab. Der erste und zweite Schuss verfehlten ihr Ziel. Der dritte traf Matix im Gesicht und zersplitterte in zwei Teile, ohne ernsthafte Verletzungen zu verursachen. Der vierte traf Matix im Gesicht neben seiner rechten Augenhöhle, wanderte durch die Gesichtsknochen nach unten in den Hals, wo er in die Wirbelsäule eindrang und das Rückenmark durchtrennte. Der fünfte traf Matix ins Gesicht, durchschlug den Kieferknochen und den Hals und blieb an der Wirbelsäule stecken. Mireles erreichte die Fahrertür, streckte seinen Revolver durch das Fenster und feuerte seinen sechsten Schuss auf Platt ab. Das Projektil durchschlug Platts Brust, verletzte das Rückenmark und beendete die Schießerei.

Das Heck des FBI Buick, welches vom schwer verwundeten
Michael Platt umrundet wurde. Im Anschluss tötete er die
FBI Männer Grogan und Dove mit Schüssen seiner Mini-14
aus Nahdistanz (Foto: FBI)


Nachgang
In der sehr umfassenden Analyse des Miami FBI Shootout wurde u.a. festgestellt, dass die beiden Täter mit mehr Eindringtiefe; also höherer zielballistischer Wirkung; wesentlich eher hätten gestoppt werden können. Die von den FBI-Beamten verwendete 9x19 Munition bzw. die Patrone .38 Special +P (zum Teil verschossen aus kurzläufigen Back-Up Revolvern) erwiesen sich als zu schwach für diese Art eines Feuergefechts. Selbst aus Revolvern im Kaliber .357 Magnum verschossen die FBI Männer lediglich die weitaus schwächer Patrone .38 Special +P.
Mit der typisch US-amerikanischen Herangehensweise einer rein ausrüstungsorientierten Fehleranalyse, rückte die drei Jahre zuvor ins Leben gerufene Idee Jeff Coopers nach einem besonders leistungsstarken Pistolenkaliber in den Fokus der FBI-Beschaffer. Als Resultat wurde eine Double Action / Single Action (!) Pistole S&W 1076 im Kaliber 10mm Auto beim FBI eingeführt. Sehr bald zeigten sich beim täglichen Training und im Einsatz die Nachteile dieses kraftvollen Kalibers. Für die meisten FBI-Beamten war der Rückstoß beim Schießen nicht zu handhaben. Etwa nur ein Viertel der georderten S&W 1076 Pistolen wurden auch an das FBI ausgeliefert.
Smith & Wesson kürzte im Auftrag des FBI die 25-mm-Hülse der 10mm-Auto-Patrone auf 22 Millimeter. Das Kaliber .40 S&W war geboren und führte in den 1990er Jahren zur Beschaffung der Modelle Glock 22 und 23 beim FBI.

Die Position von Edmondo Mireles, der seine Flinte
Remington 870 einhändig leerschoss und dann die beiden
Täter mit seinem S&W M686 aus Nahdistanz tötete (Foto: FBI)


Zusammenfassung
Die als „Miami Shootout“ in die Geschichte eingegangene Schießerei war für das US-amerikanische FBI ein desaströses Feuergefecht. Die beiden Kriminellen erreichten mit ihren Langwaffen (Flinte Kaliber 12 und Ruger Mini-14 in .223 Rem) von Beginn an Feuerüberlegenheit und hatten aufgrund ihrer militärischen Vergangenheit bei den U.S. Marines und der 101st Airborne Division vermutlich auch den Combat-Mindset Vorteil auf ihrer Seite. Die Verwundungen der FBI-Agenten wurden ausnahmslos durch Einzel- oder Zweifachtreffer der Langwaffen verursacht. Während die beiden Verbrecher erst nach sechs bzw. zwölf Treffern aus den Handwaffen des FBI gestoppt werden konnten.

Fünf Minuten Feuergefecht – Dreißig Jahre Auswertung.
„FBI Miami Shootout“ ist eines der am tiefsten analysierten
Feuergefechte des Zwanzigsten Jahrhunderts (Foto: FBI)


Kritische Würdigung
Am „Miami Shootout“ waren zehn Personen beteiligt, er dauerte fünf Minuten und es wurden 145 Schüsse abgefeuert. Am Ende waren vier der zehn Beteiligten tot, vier schwer verwundet, einer leicht verwundet und nur ein Beteiligter blieb unverletzt. Ein Beteiligter, der leicht Verwundete, nahm am Feuergefecht überhaupt nicht teil, weil er seine Waffe verloren hatte.
Bezogen auf die weit verbreiteten Ausbildungsinhalte „schnelles Nachladen“ oder „taktisches Nachladen“ gibt der „Miami Shootout“ eine frappierende Antwort: Nachweislich haben von den zehn Beteiligten nur zwei überhaupt ihre Waffen nachgeladen: Platt seine Mini-14 und Dove seine Pistole S&W M459. Beide sind tot. Die taktische Ableitung „Wer nachlädt ist tot“ scheint sicherlich überzogen. Dennoch zeigt der „Miami Shootout“, dass „schnelles“ oder „taktisches“ Nachladen in einem realen Feuergefecht nur eine geringe Relevanz haben und daher keine prioritären Ausbildungsinhalte sein sollten.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.