Die SIG 516 war eine der großen Neuheiten auf der IWA 2011. Seit letztem Sommer ist sie erhältlich. Das Besondere an diesem AR-15 von SIG Sauer ist das Kurzhubgassystem. Im Gegensatz zum traditionellen Stoner-System werden hier keine Pulvergase in den Verschluss geleitet.
direct gas impingement
Alle AR-15 Selbstladegewehre haben ihren Ursprung im so genannten Stoner-System. Eugen Stoner, US-amerikanischer Waffenkonstrukteur, entwickelte in den 1950er Jahren das „direct gas impingement“ System weiter. Diese Art den Nachladevorgang einer automatischen Waffe in Gang zu setzen, basiert auf einer Gasentnahmebohrung im Lauf und der Weiterleitung der Gase über ein Gasrohr auf den Verschlussträger. Dort verrichten die Pulvergase ihre Arbeit, indem sie den Verschlussträger über die Entriegelungssteuerkurve zurückschleudern. Die Entwicklung Stoners wurde in den 1960er Jahren unter der Bezeichnung M16 als Standardwaffe bei den US-amerikanischen Streitkräften eingeführt. Stoner war keineswegs Erfinder dieses Systems, er hat es nur weiterentwickelt. Bereits im Jahr 1942 führte die schwedische Armee das Ljungman-Selbstladegewehr AG-42B ein, welches nach demselben Prinzip funktionierte. Auch bei den französischen MAS-49 Selbstladern werden die Gase direkt auf den Verschluss geleitet. Die Vorteile dieses kolbenlosen Systems liegen im geringeren Waffengesamtgewicht und insbesondere bei der geringeren bewegten Masse in der Waffe während des Schusses. Als Nachteil wird von Kritikern gern der höhere Verschmutzungsgrad angeführt, der durch die Ablagerung von Pulverschmauch im Verschluss entsteht.
Gaskolbensystem
Neben dem „direct gas impingement“ System kennt der Waffenbau bei Gasdruckladern noch das Gaskolbensystem. Bekannte Waffenmodelle, die mit diesem System arbeiten sind beispielsweise das amerikanische M1 Garand, die Kalaschnikow AK-47, AKM und ihre Varianten und das Schweizer Sturmgewehr 90 bzw. die Baureihe SIG 550 aber auch das G36 der Bundeswehr. Bei diesem System werden die Pulvergase nicht bis in den Verschlussträger geleitet, sondern auf einen Kolben (auch Piston genannt). Der Kolben drückt über ein Gestänge auf den Verschlussträger. Die SIG 516 ist ein „short stroke“ System. Hierbei läuft der Kolben nicht über die volle Länge des Verschlussweges zurück. Der deutsche Fachbegriff Kurzhubgasdrucklader bezeichnet das „short stroke“ System sehr treffend.
Die Verschmutzung entsteht beim Gaskolbensystem weniger im Verschluss, dafür aber im Arbeitsbereich des Kolbens. Diese Stelle sollte gelegentlich einer Reinigung unterzogen werden.
Gasventil
Das Gasventil der SIG 516 ist verstellbar und arbeitet in vier Positionen.
Position 1 (Ventilkopf steht senkrecht) ist normaler Betrieb.
Position 2 (folgende Stellung gegen den Uhrzeigersinn bei Draufsicht) kann bei starker Verschmutzung der Waffe verwendet werden. Hierbei wird eine größere Menge Gas gegen den Kolben freigegeben. Der Hersteller warnt aber bei Dauergebrauch in Pos. 2 vor höherem Verschleiß der Waffe und rät zu einer Reinigung.
Position 3 (weiter gegen den Uhrzeigersinn) steht für „Suppressed“; also die Verwendung mit Schalldämpfer. Der Ladevorgang wird durch einen reduzierten Gasdruck an den Schalldämpferbetrieb angepasst.
Position 4 (Drehung aus Pos. 1 im Uhrzeigersinn, Ventilkopf steht waagerecht) verschließt das Gassystem. Die Waffe funktioniert als Einzelschusswaffe ohne Verschlussbewegung.
Zerlegen
Das Zerlegen des Gassystems ist denkbar einfach. Aus Pos. 4 heraus wird das Ventil weiter in Richtung Uhrzeigersinn gedreht (bei Draufsicht), bis es entriegelt. Das Ventil mit Gestänge und Feder kann jetzt nach vorn aus der Waffe entnommen werden. Zerlegearbeiten am Handschutz sind dazu nicht erforderlich. Der Einbau ist ebenso unkompliziert. Das Gestänge besitzt im unteren Bereich, auf sechs Uhr, eine Aussparung. Nur in dieser Weise passt der Piston wieder in die Waffe.
A3-Gehäuse und Visierung
Im Gegensatz zu einem A2-Gehäuse, bei dem die hintere Visiereinrichtung fest mit dem Gehäuse verbunden ist, besitzt die SIG 516 ein A3-Gehäuse. Diese Modellvariante wird auch als „Flattop-Receiver“ bezeichnet. Auf der MIL-Standard-1913-Picatinnyschiene können mühelos andere Zielvorrichtungen angebracht werden. Im Lower Receiver befindet sich ein kleiner Pin. Dieses federnd gelagerte Druckstück hat die Aufgabe, das Spiel aus dem Obergehäuse (Upper Receiver) und dem Griffstück (Lower Receiver) zu nehmen. Die Waffe wird dadurch steifer.
Im Lieferumfang enthalten sind Klappkimme und -korn des Typs A.R.M.S. #71. Diese sind aus widerstandsfähigem Polymer gefertigt. Der Hersteller empfiehlt dennoch, das Korn nicht direkt über der Gasentnahme zu montieren. Es könnte durch die Hitzentwicklung seinen Aggregatszustand ändern und unbrauchbar werden. Wird das Korn nach hinten versetzt auf dem Handschutz montiert, beträgt die Visierlinie gerade noch 31 cm. Gegenüber einem vergleichbaren AR-15 mit 16“-Lauf und mid-length-Gasabnahme, opfert der Anwender mindestens 10 cm Visierlinie. Natürlich spielt dieser Umstand keine tragende Rolle, wird die SIG mit einem Schmidt & Bender Short Dot oder einem Aimpoint ausgestattet. Unterstellt man aber, dass jedes Gewehr eine funktionierende Notvisierung haben sollte, mit der zumindest 300 m überbrückt werden können, sind 31 cm nicht viel.
Wir entschieden uns dazu, die offene Visierung komplett auszutauschen und gegen ein Klappkorn von Samson zu ersetzen. Das Aluminiumbauteil ist weniger hitzeanfällig und kann direkt auf dem Gasblock montiert werden. Die Visierlinienlänge wächst dadurch auf 35 cm. Außerdem verwenden wir die Klappkimme von MATECH mit einer Haltepunktanpassung bis zu 600 Meter.
Ein gelegentlicher Austausch der Visiereinrichtungen wird die einzige Modifikation sein, welche die SIG 516 im Langzeittest erfahren wird. Ansonsten bleibt die Waffe, wie aus der Verpackung entnommen.
Lauf und Verschluss
Die Lauflänge beträgt 42 cm, wodurch die Waffe auch für bundesrepublikanische Sportschützen erwerbbar wird. Es gibt zwei Dralllängen. Die Version 1:7 ist nur für Export bzw. militärische Aufträge vorgesehen. Die Zivilversion besitzt einen Drall 1:10. Mit dieser Dralllänge sollte die Waffe sowohl mit 55 gr. als auch mit Geschossen bis 69 gr. gut zurechtkommen. Der A2-Feuerdämpfer sitzt auf einem Gewinde der Größe ½ x 28 TPI und ist gegen einen Schalldämpfer austauschbar.
Der Lauf ist als Freischwinger konzipiert, was der Präzision zu Gute kommt.
Was beim Zerlegen der Waffe sofort auffällt, ist die Haptik des Verschlussträgers. SIG Sauer arbeitet hier mit einer Beschichtung namens DLC. DLC steht für diamond-like Carbon und ist eine Beschichtung mit besonders reibungs- und verschleißmindernden Eigenschaften.
Der komplette Verschlussträger wiegt 310 Gramm. Das sind 5 Gramm weniger als der Standardverschluss eines XR-15.
Ausstattungspaket
Die SIG 516 wird in einem hochwertigen Ausstattungspaket geliefert, welches für ein ordentliches Preis-Leistungs-Verhältnis sorgt. Geliefert wird die Waffe in einem verschließbaren Hartschalenkoffer, indem zwei Gewehre bis zu 114 cm Gesamtlänge transportiert werden könnten. Waffenreinigungsset mit zerlegbarem Putzstock und ein 20-Schuss-GMAG-Magazin mit Limiter für 10 Schuss sind ebenfalls dabei.
Das beiliegende Schussbild verspricht auf 100 Meter eine Gruppe von 18 mm. Angeschossen wurde die Waffe vom Werk mit der GECO Target in 55 gr.
Darüber hinaus befindet sich wie schon erwähnt die A.R.M.S. Klappvisierung des Typs #71 mit im Paket. Diese erzeugt Co-Witness mit den gängigen Leuchtpunktzielgeräten von Aimpoint, Trijicon oder EO Tech.
Die SIG 516 besitzt ein MagPul MOE-Griffstück und den MagPul MOE-6-Positionen-Schiebeschaft.
Fazit
Wenn ein Schwergewicht wie SIG Sauer einen Selbstlader anbietet, hat das langfristig vor allem einen positiven Effekt für die Anwender. Mit den Verkaufserfolgen der SIG 516 sollte die Unternehmensleitung bei SIG Sauer auch erkennen, wie wichtig der Privatmarkt ist. Und dass es in der heutigen Zeit nahezu unerlässlich ist, massive Lobbyarbeit zu betreiben. Wir, die „Selbstladerfraktion“, kaufen diese Waffen gern. Am liebsten von jedem Hersteller ein Modell. Für uns würde mit Verboten oder Restriktionen ein großes Stück Waffenkultur wegbrechen.
Technische Daten
Modell: SIG 516 Patrol
Hersteller: SIG Sauer GmbH; Eckernförde, BRD
Waffenart: Selbstladebüchse (Kurzhubgasdrucklader mit Drehverschluss)
Kaliber: .223 Rem
Lauflänge: 42 cm
Drall: 1:10“, rechts
Magazinkapazität: 10 Schuss und alle gängigen Magazine
Visierung: Offene Visierung mit Klappkimme und Klappkorn
Visierlinie: 31 cm / 35 cm
Abzugsgewicht (bei Testbeginn): 3.900 g
Gesamtlänge: 84 bis 92 cm
Gewicht: 3,475 kg
Preis: 2.100 Euro
Mehr dazu ab 30. Januar 2012 auf waffenkultur.com
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Sehr schöne Idee mit diesem Dauertest. Bin gespannt unter welchen Bedingungen ihr die Waffe nutzen werdet und was ihr so für Optiken testen werdet.
AntwortenLöschenMan darf wohl gespannt sein, was von Euch noch alles so kommt.
Gratulation zur "Waffenkultur"! Absolut professionell.
Sauber, ich habe ende Januar eine 516 bestellt und dieser Artikel bestätigt meine Entscheidung. Danke, absolut professionell.
AntwortenLöschenFür mich stimmt das Konzept der AR15 von SIGSAUER absolut. Das Gasventil macht das Gewehr zusätzlich sehr interessant und besonders. Das Paket mit Visierung, Magazin und Griff ist topp! Eine 18mm Gruppe mit Werksmunition ist sehr gut, aber wo liegt die Grenze?